Gar keine Sexualerziehung ist auch keine Lösung. Dem können Katholiken freimütig zustimmen, immerhin werden wir und unsere Kinder längst online mit Sexualität aller Art (und Unart) überflutet. Dass Kinder und Jugendliche davon realistischerweise nicht vollständig abgeschirmt werden können und daher – mit elterlicher und pädagogischer Hilfe – damit umzugehen lernen müssen, gehört zu den traurigen, doch unbestreitbaren Tatsachen unserer Tage. Dass jedoch Sorgen, wie sie nun 265 400 Polinnen und Polen in einer Bürgerinitiative hinsichtlich der Sexualpädagogik zum Ausdruck brachten, mehr als berechtigt sind, das hat ausgerechnet das Europäische Parlament bewiesen.
Das polnische Parlament nimmt die Sorgen seiner Bürger ernst
Weil das polnische Parlament die Sorgen seiner Bürger nicht ignoriert, sondern behandelt hat (und ab 100 000 Unterschriften laut Verfassung auch nicht ignorieren darf), warnt das Europäische Parlament jetzt vor einer „Kriminalisierung der Sexualerziehung in Polen“.
In einer mit 471 gegen 128 Stimmen angenommenen Entschließung zeigt sich ein ideologisch völlig verkorkstes Bild von Sexualpädagogik. So weist das Europaparlament wörtlich darauf hin, „dass der Zugang zu umfassenden und altersgemäßen Informationen über Sex und Sexualität und der Zugang zur Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit – beispielsweise zu Sexualaufklärung, Familienplanung, Verhütungsmethoden und sicheren und rechtmäßigen Abtreibungen – unabdingbar dafür sind, dass Jugendliche positiv und respektvoll an Sexualität und sexuelle Beziehungen herangehen und außerdem gefahrlos sexuelle Erfahrungen ohne Zwang, Diskriminierung oder Gewalt machen können“. Wer diesen Schachtelsatz entwirrt, reibt sich nur mehr die Augen: Das (vorsichtshalber ungenannte) Kind als finale Gefahr, die nötigenfalls durch „rechtmäßige Abtreibungen“ gebannt wird? Sexualität als möglichst risikofreie „Erfahrung“?
Der neue Moralismus, der uns aus dieser Resolution des Europäischen Parlaments entgegenquillt, hat die Werte, auf denen Europa einst gründete, längst rückstandsfrei entsorgt – und durch neue Scheinwerte ersetzt, die irgendwo zwischen Bordell, ideologischem Umerziehungslager und Christopher-Street-Day eingesammelt wurden. Wozu brauchen Kinder (!) eine „ganzheitliche Sexualaufklärung“, die dazu beiträgt, „Geschlechterstereotype abzubauen“, oder „Themen wie sexuelle Ausrichtung und Geschlechtsidentität“?
Frühsexualisierung stiehlt Kindern die Kindheit
Warum braucht es „Sexualaufklärung in erster Linie für Mädchen und junge LGBTI-Personen“? Und warum soll der Kampf „um Geschlechterstereotype, Homophobie, Transphobie und geschlechtsspezifische Gewalt“ von der Politik mutwillig in die Klassenzimmer getragen werden? Warum lässt man Kindern nicht einfach ihre Kindheit? Warum ignoriert man das Erziehungsrecht der Eltern? Warum wollen bestimmte Lobbies und die Politiker, die sich deren Ideologie nicht entziehen wollen oder können, bereits Zweifel und Selbstzweifel in unschuldige Buben- und Mädchenköpfe einpflanzen?
Wer aus guten Gründen für eine entwicklungssensible Sexualerziehung eintritt, wird die Ängste in Polen nachvollziehen können: In vielen Ländern Europas leistet eine ideologisch komponierte „Sexualpädagogik der Vielfalt“ einen fatalen Beitrag dazu, durch Frühsexualisierung und die einseitige Fixierung auf Minderheitenthemen den Kindern ihre Kindheit zu stehlen. Ja, hier werden in der Tat Kinderrechte verletzt! Sich dagegen zu wehren, ist das gute Recht von Eltern, ja ganzer Gesellschaften. Einer zeit- und altersgemäßen, entwicklungssensiblen Sexualpädagogik hat das Europäische Parlament jedoch einen Bärendienst erwiesen, weil es den Ideologen auf den Leim ging.