Oliver Wintzek ist Theologe, Priester zudem (freilich ohne Berufung, es sei denn auf einen Lehrstuhl). Wintzek hat eine verantwortungsvolle Aufgabe; an der Katholischen Hochschule Mainz, wo Religionslehrer und Gemeindereferenten ausgebildet werden, hat man ihm die Fächer Fundamentaltheologie und Dogmatik anvertraut. Wintzek, der sich bei Magnus Striet in Freiburg habilitierte, hat Anfang Juni eine Antrittsvorlesung gehalten: „Berufung? Plädoyer gegen ein Willkürkonzept.“
„Man fragt sich, in welchem masochistischen System die Bischöfe Kohlgraf und Burger (W. ist Freiburger Diözesane) gefangen sind, dass sie zusehen, wie „Theologen“ junge Menschen dazu ausbilden, in der Kirche gegen die Kirche zu arbeiten“
Sehr von akademischer Höhe herab erfährt man interessante Dinge: Was die Kirche ante O.W. über Berufung dachte, kann man in der Pfeife rauchen. „Berufung“ ist nicht etwa, was Elia, Jona, Jeremia und die Propheten erfuhren – nichts, was den Fischer vom See Genezareth, Franziskus und Clara, Charles de Foucauld, Mutter Teresa und Millionen von Christenmenschen widerfuhr – nein, „Berufung“ ist eine idee fixe der Kirche von gestern: „begründungshermeneutisch unterkomplex“, eine „autosuggestiv unkontrolliert(e)“ Einbildung, irgendwie „machtmissbräuchlich diskriminierend“ für alle, die nicht zu den happy few der Gottselektierten gehören, deshalb auch eine „gnadentheologisch desaströs(e)“ Vorstellung, die nicht zu Herrn Wintzeks Gott passt.
Und um den Studentinnen und Studenten ein besonders idiotisches Beispiel vormodernen Denkens vor Augen zu führen, zitierte Wintzek (Gestus und Tonfall des Urhebers nachäffend) Papst Benedikt: „Priestertum, kann man sich nicht selbst heraussuchen. Man kann es sich nicht ausdenken als eine Art, wie man in seinem Leben Sicherheit erlangen, sich sein Brot verdienen, eine soziale Stellung erreichen kann. Man kann es sich nicht einfach wählen als etwas, womit man Sicherheit, Freundschaft, Geborgenheit findet; wie man sich sein Leben bauen möchte. Es kann niemals bloß eigene Versorgung, eigene Wahl sein. Priestertum, wenn es recht ist, kann man sich nicht selbst geben, auch nicht selbst suchen. Es kann nur Antwort auf seinen Willen und auf seinen Ruf sein.“
Wenn Privatmeinung sich über die Lehre aufschwingt
Ob wohl genug informierte Studenten anwesend waren, denen in diesem Moment klar wurde, dass sie entweder den Studienort wechseln sollten oder ihren Studienabschluss im Modus der Lüge würden absolvieren müssen?
Aus guten Gründen werden Ketzer nicht mehr verbrannt. Aber dass niemand mehr da ist, der sie bei der amtlichen Verbreitung von Unsinn hindert, ist auch nicht richtig. Was Wintzek lehrt, sollte dem Ortsbischof Peter Kohlgraf bekannt sein. Schon 2021 durfte dieser auf „feinschwarz“ (und dann natürlich auch auf katholisch.de) dartun, dass er das unfehlbare Lehramt für eine „Neuerfindung des Katholizismus“ im 19. Jh. hält, der nunmehr „über keine auf Partizipation basierenden Kontrollmechanismen in struktureller wie inhaltlicher Hinsicht“ verfüge; dieser Katholizismus sei „Gefangener seines eigenen Systems“. Man fragt sich, in welchem masochistischen System die Bischöfe Kohlgraf und Burger (Wintzek ist Freiburger Diözesane) gefangen sind, dass sie zusehen, wie „Theologen“ junge Menschen dazu ausbilden, in der Kirche gegen die Kirche zu arbeiten.
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