Weihnachtssaison

Früh wird der Weihnachtsbaum entsorgt

Geschenke und Glühwein ade: Warum in der Gesellschaft viele Weihnachten nun möglichst schnell wieder entsorgen.
Bahnverkehr zur Weihnachtszeit
Foto: dpa | Das kann dann bald auch weg: Weihnachtsschmuck am Berliner Hauptbahnhof.

Egal zu welcher Jahreszeit, bei uns steht im Wohnzimmer das ganze Jahr über – sehr diskret, man muss schon genau hinsehen, um ihn zu entdecken – der Verkündigungsengel, der eigentlich zur Weihnachtskrippe gehört. Im bürgerlichen Kontext ist das fast eine Anarchie, die jedoch einer weihnachtsvergessenen Gesellschaft den Spiegel vorhält. Unserer Welt ist Weihnachten verloren gegangen. Sie hat es durch etwas ganz anderes ersetzt. Was die Welt Weihnachten nennt, ist ein schlechter Abklatsch.

Im September beginnt in den Lebensmittelgeschäften der Verkauf von Weihnachtsartikeln. Lauter leckeres, ungesund süßes Zeug, das man im November schon wieder leid ist. Dann beginnen endlich die „Weihnachtsmärkte“. Alkohol pur! Das vorweihnachtliche Besäufnis muss sein. Den Dezember verbringen wir im Weihnachtsgeschenkekaufrausch. Dieser endet oft genug erst am späten Mittag des 24. Dezember. Ausgerechnet auf diesen Tag, den 24. Dezember, datieren viele Menschen Weihnachten. Endlich ist es geschafft! Man darf sich freuen, dass man am 25. und 26. Dezember endlich frei hat und sich von diesem ganzen Weihnachtsstress erholen kann.

„Jeder, der schon mal ein Baby im Arm gehalten hat,
weiß im Kern was Weihnachten ist: Ein Kind kommt zur Welt.“

Man könnte sagen, Weihnachten ist ver-rückt. Es rückt zeitlich immer weiter in den Herbst. Es rückt in den Köpfen der Menschen immer weiter in den Hintergrund, weil zwischen Geselligkeit und dem familiären Jahresend-Stress kein Platz mehr ist. Am 27. Dezember, man zelebriert noch den Urlaub „zwischen den Jahren“, nehmen die Kaufleute die Lichterketten ab, die Weihnachtsdekorationen verschwinden aus Schaufenstern und Läden. „Weihnachten ist doch vorbei“, belehrte mich schon vor Jahren der örtliche Händler für Bettwäsche und Kinderkleidung am 28. Dezember, als der schöne große Weihnachtsstern über dem Eingang des Ladens weichen musste. Auf meine Erklärung, wann Weihnachten begonnen hat und wie lange es noch dauern wird, erntete ich nur Kopfschütteln.

„Am 27. Dezember kommt der Baum raus“, so eine ältere Dame im Bekanntenkreis, „dann kann ich ihn nicht mehr sehen.“ Eine Nachfrage ergab, der Baum ist schon am ersten Advent in voller Pracht samt Kugeln und Kerzen eingezogen. Das ist kein Einzelfall. Weihnachten ist selbst dort ver-rückt, wo man es gar nicht erwarten würde. Die Symbolik, der immergrüne Nadelbaum, der als Zeichen für die Ewigkeit unsere Endlichkeit besucht, wird gar nicht mehr verstanden. Es ist ein Lichterbaum in dunkler Zeit, nicht mehr und nicht weniger. Die Krippe ist die, dank einer grandiosen Idee des Heiligen Franziskus, Figur gewordene Weihnachtsansage schlechthin. Doch in wie vielen Haushalten steht zu Weihnachten noch eine Krippe?

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Viele in der Welt fühlen sich von diesem Kind bedroht

Die EU wollte sogar Worte wie „Weihnachten“, „Maria“ und „Josef“ streichen. Festtage oder Feiertage soll man sagen. Namen könnte man sich ein paar neutrale ausdenken. Es ist nicht neu, Weihnachten canceln zu wollen. Die Herrscher dieser Welt fühlten sich durch das Kind in der Krippe schon seit Herodes bedroht. Inzwischen bedroht es sogar die bürgerlich-diverse Weihnachtsharmonie. Wie so oft ist man uns in Amerika auch darin voraus. Auch dort ist Weihnachten längst ein entkerntes Konsumevent. „Jesus ist the reason for the season!“, skandiert man, vor allem in Kreise junger Christen, etwas kämpferisch dagegen an. „Jesus ist der Grund für die Saison-Ferien!“

Erstaunlicherweise ist gerade die Botschaft von Weihnachten so denkbar einfach: Ein Kind ist uns geboren, Jesus, der Heiland der Welt. Die Geburt eines Kindes, das ist real, das erlebt jeder im Laufe seines Lebens irgendwann in seinem Umfeld. Das ist handfest und konkret, im Gegensatz zu Ostern oder Pfingsten. Wer hat schon mal eine Auferstehung erlebt oder den Heilige Geist herabkommen sehen und hören? Das ist so wenig konkret. Das ist abstrakter Glaube. Weihnachten, das ist den Menschen so nahe und so erfahrbar. Jeder, der schon mal ein Baby im Arm gehalten hat, weiß im Kern was Weihnachten ist: Ein Kind kommt zur Welt. Hier ist das Kind ausgerechnet Gott selbst. Und davor büxt man nur zu gerne aus. In einer säkularen Welt hat Gott nichts zu suchen. Der soll gefälligst im Himmel bleiben. Die weltliche Botschaft der Weihnacht ist nur eine Zahl: der Umsatz im Weihnachtsgeschäft. Darin bemisst sich der Erfolg von Weihnachten.

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All zu schnell soll wieder Alltag herrschen

Auch diejenigen, die sich mindestens emotional kurz ergreifen lassen und vielleicht als U-Boot-Christen zum Fest kurz aufgetaucht sind, kehren nur allzu schnell in den Alltag zurück. Weihnachten könnte Folgen haben. So ist Weihnachten bald wieder vergessen. Die Kirche feiert Weihnachten bis zum Fest der Taufe Jesu oder etwas traditioneller bis Maria Lichtmess. Zu lang für unsere schnelllebige Zeit. Die Liturgie berichtet in der Zeit immer wieder von dem Ereignis, sie berichtet aber auch davon, dass Jesus als Baby mit seinen Eltern fliehen muss. Sie berichtet davon, wie ein ängstlicher König, der um seinen weltlichen Thron fürchtete, zahlreiche Kinder töten lässt.

Wir erfahren davon, wie einzelne Menschen mit dem Weihnachtsgeschehen hautnah in Berührung kommen. Simeon und Hannah im Tempel, die Hirten an der Krippe, die Weisen aus dem Morgenland, sie alle begreifen, dass Weihnachten weitaus mehr ist als nur die Geburt eines Kindes. Simeon bringt es ins Wort: „Nun entlässt Du, oh Herr, Deinen Knecht in Frieden.“ Das ist nichts weniger als die Ansage, dass man nichts Größeres in seinem Leben sehen kann, als Weihnachten. Wer Weihnachten gesehen hat, hat die Fülle des Lebens gesehen. Wer Weihnachten gesehen hat, hat es überhaupt gar nicht nötig, noch auf irgendetwas anderes in seinem Leben zu warten, denn er hat tatsächlich alles gesehen.

Der Engel behält Recht!

Unsere Gesellschaft hält sich die Augen zu. Man will es nicht sehen. Geburt, bah, das geht gegen die Selbstbestimmung der Frau. Familie, Heilige Familie gar, pfui Spinne, das ist so gar nicht divers. Jesus, ein Junge, wie übergriffig, das Geschlecht festzulegen. Engel und Transzendenz geht gar nicht. Für uns zählt nur was man anfassen kann. Hirten gar, da wird die Unterschicht auf ein besseres Jenseits vertröstet und im Diesseits ausgebeutet. Weise aus dem Morgenland, gar ein Mohr darunter, man fasst es nicht, der Rassismus pur. Die Weihnachtsgeschichte geht so dermaßen gegen den Strich des Zeit- und Weltgeistes, dass es kein bisschen wundert, wie schnell man Weihnachten wieder einmotten will. Es braucht das romantische, emotional wärmende, heimelige Fest im tiefsten, kalten, dunklen Winter. Man nimmt es nur zu gern, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass diese Christen ja ohnehin nur ein Sonnenwendfest okkupiert haben. Und wenn wir uns alle am weihnachtlichen Herdfeuer und am Glühwein gewärmt haben, dann schnell wieder weg mit Weihnachten.

Auf der Fensterbank zwischen Blumen und Dekoration, da steht ein Engel, der von der Krippe kommt und wieder zur Krippe geht. Auch im heißesten Sommer weiß er daran zu erinnern, dass uns an Weihnachten in einem Stall in Bethlehem ein Kind geboren ist: Jesus, der Heiland, der Retter der Welt. Wenn wir am 25. Dezember eines jeden Jahres zur Krippe gehen, dann stellen wir immer wieder fest: Es stimmt, der Engel hat die ganze Zeit recht behalten

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