Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Rezension

Verbrecherjagd zum Nachmittagstee

Die Netflix-Adaption von Richard Osmans Bestseller ist charmant und atmosphärisch – scheitert jedoch an einem schwachen Drehbuch.
Der pensionierte Psychiater Ibrahim (Ben Kingsley), die ehemalige Geheimdienstlerin Elizabeth (Helen Mirren) und der exzentrische Gewerkschafter Ron (Pierce Brosnan) nehmen trotz fortgeschrittenen Alters ihre Ermittlerrolle sehr ernst.
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Verbrechen boomen – nicht nur im echten Leben, sondern vor allem in der Fiktion. Spätestens seit dem Erfolg der Disney-Serie „Only Murders in the Building“, die inzwischen in die fünfte Staffel geht, dominieren Mord und Intrige Kino- und Streamingwelten. Hinzu kommen zahllose True-Crime-Formate. Serienmacher wie Ryan Murphy sehen darin ein Ventil: Menschen projizieren ihre Ängste in Mordgeschichten – und können sie so aus sicherer Distanz verarbeiten. In dieses Umfeld platzt eine Adaption, die gleich mehrere Trends verbindet: Richard Osmans Bestseller „The Thursday Murder Club“ wurde von Chris Columbus für Netflix verfilmt. Die Erwartungen waren hoch: über zehn Millionen verkaufte Bücher, frühzeitig von Spielbergs Amblin gesicherte Filmrechte und ein Ensemble, das wie ein „Who’s Who“ britischer Schauspielkunst wirkt: Helen Mirren, Ben Kingsley, Pierce Brosnan, Celia Imrie, Jonathan Pryce, David Tennant.

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Die Handlung folgt der Romanvorlage: Elizabeth (Helen Mirren), eine ehemalige Geheimagentin, Ron (Pierce Brosnan), exzentrischer Gewerkschafter, Ibrahim (Ben Kingsley), pensionierter Psychiater, und Krankenschwester Joyce (Celia Imrie) widmen sich jeden Donnerstag alten Kriminalfällen. Als ein Immobilienhai (David Tennant) die Residenz in Luxuswohnungen verwandeln will und kurz darauf sein Partner tot aufgefunden wird, ist Schluss mit dem gemütlichen Hobby. Plötzlich ermitteln die Senioren selbst – und beweisen, dass Erfahrung, Witz und Kombinationsgabe mehr wert sind als jugendlicher Elan.Das alles klingt nach perfekter Mischung: Ein Nachmittagstee mit Miss Marple, mit einer Prise „Golden Girls“-Humor. Tatsächlich gelingen Columbus einige atmosphärische Momente. „Coopers Chase“ wirkt wie ein pastellfarbenes Luxushotel, die Dialoge strotzen vor britischem Witz, Helen Mirren glänzt mit Understatement und Eleganz. In einer ironischen Szene vergleicht ihr Ehemann Elizabeth mit der „Queen“ – für deren Darstellung Mirren einst den Oscar gewann.

Columbus beherrscht Behaglichkeit, nicht Spannung

Doch je länger der Film läuft, desto deutlicher zeigen sich die Schwächen. Columbus beherrscht behagliche Unterhaltung, nicht Spannung. Nostalgie und Wärme prägen seine Handschrift, wie man sie aus „Kevin – Allein zu Haus“ oder „Harry Potter“ kennt. Feine Figurenzeichnung bleibt auf der Strecke, der Plot wirkt vorhersehbar, die Auflösung spannungsarm. Wo Agatha Christies Poirot-Rätsel dramaturgische Höhepunkte bildeten, verkümmert hier das Finale zu einer müden Routine. Auch das Ensemble wird unterfordert. Trotz brillanter Schauspieler bleibt es bei Klischees: der exzentrische Rabauke, der distinguierte Arzt, die resolute Krankenschwester. Nett anzusehen, aber nie überraschend. Dabei hätte die Geschichte die Chance geboten, Altersbilder neu zu zeichnen: Senioren als aktive, lebenskluge Subjekte. Osman selbst erkannte die ironische Kraft dieser Konstellation. Netflix jedoch begnügt sich mit Sonntagsunterhaltung

Vergleicht man „The Thursday Murder Club“ mit Serien wie „Only Murders in the Building“ oder Rian Johnsons „Knives Out“-Reihe, wird der Unterschied deutlich: Dort trifft Nostalgie auf erzählerische Frische, hier dominiert Behaglichkeit. Columbus liefert ein Stück ohne Ecken und Kanten – lieb, nett, hübsch bebildert, aber kaum mehr. Dass Mörder am Ende sogar mit Verständnis gezeichnet werden, wirkt moralisch fragwürdig und schwächt den ohnehin dünnen Spannungsbogen zusätzlich.

Und dennoch: Ein Rest Sympathie bleibt. Man sieht den eigenwilligen Rentnern schon gerne zu. Für Liebhaber leichter Krimikost, die Atmosphäre über Adrenalin stellen, ist „The Thursday Murder Club“ durchaus sehenswert. Wer aber die erzählerische Raffinesse klassischer Agatha-Christie-Adaptionen erwartet, wird enttäuscht. So bleibt der Eindruck einer charmanten, aber halbgaren Adaption. Der Cast glänzt, die Atmosphäre stimmt – doch Drehbuch und Regie servieren nur lauwarmen Nachmittagstee statt fesselnder Krimikost. 


„The Thursday Murder Club“, GB 2025, Regie: Chris Columbus, 118 Min., auf Netflix

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José García

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