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„Gran Torino“: Erlösung von dem Bösen

Ein überraschender und beeindruckender „Glaubensfilm“ aus dem Jahr 2008: Clint Eastwoods „Gran Torino“.
Clint Eastwoods „Gran Torino“
Foto: (imago stock&people) | „Gran Torino“ ist ein Film über Glaube, Liebe und Hoffnung. Vor allen Dingen aber über die Liebe, die den Tod überdauert und alle Schuld sühnt.

Clint Eastwoods „Gran Torino“ (2008) ist ein Film über das Sakrament der Beichte. Walt Kowalski bedrückt die Ermordung eines wehrlosen Gegners im Korea-Krieg. Über diese Schuld hat er nie gesprochen. Von der Kirche hat er sich distanziert. Den jungen Priester mit dem Milchgesicht verachtet er. Doch Pater Janovich hat es faustdick hinter den Ohren.

Hauptfigur Walt Kowalski: katholisch, aber unerlöst

Der Film beginnt mit der Beisetzung von Dorothy Kowalski: Die praktizierende Katholikin polnischer Abstammung hatte auf dem Sterbebett eine letzte Bitte formuliert. Der Pater übermittelt sie: „Dorothy hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es ihr Wunsch ist, dass Sie zur Beichte gehen!“ Kowalski hat seine Schuld über ein halbes Jahrhundert durchs Leben getragen.

Die Beisetzung wirft ein Licht auf die heillosen Familienverhältnisse. Kowalskis Söhne maulen, seine Enkelkinder langweilen sich oder spielen mit dem I-Phone. Pater Janovich spricht vom Tod: Er sei „oftmals ein bitter-süßes Ereignis für uns Katholiken. Bitter in seinem Schmerz, süß in seiner Erlösung“. Süß ist der Tod „für jene von uns, die wissen, dass sie erlöst werden“. Für diese Worte hat der Witwer nur Verachtung übrig – wie für seine begehrlichen Söhne, die auf der anschließenden Familienfeier Anspruch auf das Elternhaus anmelden. Die Enkeltochter möchte sogar den Oldtimer, einen dem Film seinen Titel gebenden Ford Gran Torino, des Großvaters übernehmen.

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Dieser Wagen ist das Symbol einer gescheiterten Mutprobe, die am Ende Walt Kowalski den Seelenfrieden schenken wird. Im Nachbarhaus wohnt eine Familie aus Südostasien. Der junge Thao gerät in die Fänge einer Bande. Um seine Männlichkeit zu beweisen, soll er den Gran Torino stehlen. Das missglückt gründlich und so gerät Thao in eine Zwickmühle: Die Bande entlässt ihn nicht aus ihren Fängen, die Familie wiederum verlangt von ihm Sühneleistung für den Diebstahl.

Wie der Ritter Georg aus dem Nirgendwo

Clint Eastwood führt seine Protagonisten gerne in ausweglose Situationen, um die Bühne für seine Racheengel zu bereiten: Im Spätwestern „Pale Rider“ (1985) sind es Goldgräber, die von einem brutalen Bergwerksbesitzer und seinen Handlagern des Bösen drangsaliert werden. Symbol ihrer bestialischen Gesinnung ist die Erschießung eines Hundes. Auch Kowalski hat ein Herz für Hunde. Die junge Megan bittet bei der Beerdigung ihres Hundes Gott um ein Wunder. Dieses wird durch die Erscheinung eines apokalyptischen Reiters auf einem fahlen Pferd (Apokalypse 6,8) gewährt. Von ihm singt auch Johnny Cash auf seiner letzten CD „The man comes around“.

Ein Priester erscheint wie der Ritter Georg aus dem Nirgendwo, stellt mit dem Colt Gerechtigkeit her und verschwindet wieder. Bei einer Waschszene sieht Megan den nackten Rücken des Priesters mit dem Symbol der fünf Stigmata. Zu einer Figur in der Nachfolge Christi wird auch der Mann, der nicht beichten konnte: Wie der Heilige Georg wird er zum Lehrer für Wehrhaftigkeit. Thao soll sich gegenüber dem Clan-Drachen durchsetzen lernen. Sein Widerstand steigert aber nur die Bosheit der Bande, Thaos Schwester Sue wird vergewaltigt. Diese Eskalation führt die Opfer in jene absolute Hilflosigkeit gegenüber dem Bösen, die nur durch einen Eingriff von außen zu überwinden ist.

Nicht Rache, sondern das eigene Opfer zählt

Walt Kowalski geht einen anderen Weg als der namenlose Priester und Cowboy aus „Pale Rider“. Er beschließt sein Leben für Thao zu opfern. Mit seinem Auftritt vor dem Wohnhaus des Clans provoziert der Waffenlose die Gang. In einem Kugelhagel haucht Kowalski sein Leben aus. Mit ausgebreiteten Armen liegt er wie der Gekreuzigte auf dem Boden. Die Polizei kommt und verhaftet die Unholde. Auferstanden zu einem neuen Leben fährt Thao mit dem Grand Torino und Kowalskis Labrador-Hündin Daisy auf dem Beifahrersitz in die Freiheit. Kowalski hat seinen Opfertod ins-zeniert. Ein neuer Anzug, ein Haarschnitt und eine Rasur im Friseursalon mit dem Symbol des Schutzengels zwischen den Spiegeln und dann die letzte Begegnung mit Pater Janovich: „Ich bin gekommen, um zu beichten!“ Es sind Nichtigkeiten, die der alte Koreakrieger beichtet.

Das Eigentliche bleibt im Beichtstuhl unausgesprochen. Nach der erteilten Absolution legt Kowalski vor seinem Adoptivsohn Thao die vollständige Beichte ab. Der Seelsorger aber hatte auch ohne Worte das Geheimnis dieses Lebens erkannt. Sein Versuch, Kowalski vor der Konfrontation mit dem Clan zu schützen, scheitert. Es gibt in der Welt ein Böses, das nur durch das Opfer überwunden werden kann. Kowalski hat durch die Begegnung mit Thao seinen katholischen Glauben wiedergefunden und den letzten Wunsch seiner verstorbenen Frau erfüllt.

Die Apokalypse zeigt die Muttergottes als Bezwingerin des Drachen. Als Kowalski  vor dem Haus seiner Mörder steht, betet er: „Gegrüßet seist Du, Maria voll der Gnade…“ Das Ave Maria ist sein letztes Wort auf Erden und zugleich sein erstes beim Eintritt in den Himmel.
Zur Verlesung des Testaments erscheinen noch einmal die missratenen Kinder und Enkelkinder des Helden. Wieder sind ihre Blicke voller Gier und Begehrlichkeit und dann voller Entsetzen, als sie hören: „Ich vermache mein Haus der Kirche, weil Dorothy das gefallen hätte!“

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Clint Eastwood vergegenwärtigt das Unsichtbare

„Gran Torino“ ist ein Film über Glaube, Liebe und Hoffnung. Vor allen Dingen aber über die Liebe, die den Tod überdauert und alle Schuld sühnt. Tote sind manchmal gegenwärtiger als die Lebenden. So ist Dorothy in jeder Minute des Filmes an der Seite ihres Mannes, obwohl ihr Bild nie erscheint. Doch als Kowalski unmittelbar vor seinem Tod betet, vereinigt er sich mit seiner Frau. Sein Tod im Kugelhagel öffnet das Tor zum ewigen Leben an ihrer Seite.
Clint Eastwood ist ein Meister der Vergegenwärtigung des Unsichtbaren. Wie alle wertvollen Filme, so kann auch „Gran Torino“ auf vielen Ebenen verstanden werden: Vordergründig geht es um die Liebe zu alten Autos, um Bandenkriege, posttraumatische Belastungsstörungen und das Schicksal von asiatischen Migranten in den USA. Auf dieser vordergründigen Ebene bewegen sich die Abitur-Empfehlungen für den Englischunterricht. Hier steht „Gran Torino“ für die „Ambiguity of belonging“. Eine Vokabelliste nimmt den Schülern das Nachschlagen fremdsprachiger Begriffe im Wörterbuch ab. Von Beichte, Gebet und Opfer ist keine Rede. Die deutschen Bildungsplaner stehen wie Analphabeten vor dem christlichen Erbe.

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