Zehn Millionen Dollar. So viel kostete der erste Film der „Star Wars“-Reihe, der 1977 in die Kinos kam. Heute würde man ein solches Projekt als Low-Budget-Produktion bezeichnen, und tatsächlich glaubte damals kaum jemand an den Erfolg des Films. Kaum jemand bis auf den Schauspielveteranen Alec Guinness (1914–2000), der nicht nur durch seine Rolle des Obi-Wan Kenobi Unsterblichkeit erlangte, sondern sich auch mit 2,25 Prozent an den Einnahmen beteiligen ließ. Das dürfte er nicht bereut haben, denn mittlerweile hat das „Star Wars“-Franchise mehr als 50 Milliarden Dollar umgesetzt und gehört damit zu den drei wertvollsten Medienmarken der Welt, lediglich übertroffen von Mickey Mouse und Pokémon. Ob man sich auf ewig mit der Bronzemedaille wird begnügen müssen, ist indes keineswegs sicher, denn seit Disney im Jahre 2012 die Rechte an Star Wars erworben hat, sind bereits mehr Leinwandminuten produziert worden als in den 25 Jahren zuvor (siehe Seite 23 in dieser Ausgabe). Ein Ende ist nicht in Sicht.
Heute, am 4. Mai, feiern zahlreiche Fans den „Star Wars“-Tag, den gebotenen Feiertag der internationalen Fangemeinde. Dass der Gedenktag auf dieses Datum fiel, hat allerdings nichts mit der Premiere des ersten Films zu tun – diese fand am 25. Mai satt. Der Grund liegt einfach nur in der englischen Aussprache des Datums („May, the fourth“), die dem bekanntesten aller Star-Wars-Zitate („May the force be with you“ – „Möge die Macht mit dir sein“) auffallend ähnelt. In diesem Jahr wird der Festtag unter anderem dadurch begangen, dass die Schauspielerin Carrie Fisher (1956–2016), Darstellerin der Prinzessin Leia und damit lange Zeit einziger weiblichen Rolle innerhalb der Filme, posthum mit einem Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood geehrt wird.
Was für eine Faszination muss von Filmen ausgehen, die es zu einem eigenen Feiertag geschafft haben! Aber worin genau besteht diese Faszination? Darüber zerbrechen sich nicht zuletzt immer wieder jene den Kopf, die gerne etwas vom Kuchen abhaben möchten. Doch als beispielsweise Paramount im Jahre 1979 versuchte, mit dem ersten Film der „Star Trek“-Reihe an den Erfolg der Konkurrenz anzuknüpfen, blieb das Ergebnis weit hinter den Erwartungen zurück.
Star Wars vs. Star Trek
Bis heute werden „Star Wars“ und „Star Trek“ häufig in einem Atemzug genannt, obwohl die beiden Welten bis auf das „Star“ im Namen so gut wie gar nichts gemeinsam haben. „Star Trek“ ist eine klassische Science-Fiction-Serie, die in der Zukunft der menschlichen Zivilisation spielt, welche nicht nur durch enormen technologischen Fortschritt geprägt ist, sondern sich auch gesellschaftlich im positiven, geradezu utopischen Sinne weiterentwickelt hat. Logik und Vernunft, durch niemanden in solch vollkommener Weise verkörpert wie Leonard Nimoy (1931–2015) als Mr. Spock, sind die Leitmotive dieser Welt, Religiosität wird eher als ein überwundenes Merkmal primitiver Zivilisationen angesehen. Bei „Star Wars“ hingegen zeigt bereits der berühmte Anfangssatz aller Filme („Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“), dass wir uns eher im Bereich der Märchen (neudeutsch: Fantasy) befinden, wenngleich es sich um eine Märchenwelt mit Raumschiffen und Laserkanonen handelt. Trotzdem ist das beherrschende Element dieser Welt nicht die Technik, sondern die „Macht“, jenes schwer definierbare mystische Energiefeld, das von allen lebenden Dingen erzeugt wird. „Es umgibt uns, es durchdringt uns. Es hält die Galaxis zusammen“, erläutert Obi-Wan Kenobi. Vor allem aber kann es von den (guten) Jedi und den (bösen) Sith, die in besonderer Weise mit der Macht verbunden sind, in ihrem Sinne nutzbar gemacht werden.
Der Konflikt zwischen Technologie einerseits und Glaube/Religion andererseits steht daher auch nicht zufällig im Mittelpunkt der „Star Wars“-Welt. Gleich zu Beginn des ersten Films werden wir damit konfrontiert, als wir einer Besprechung des imperialen Führungsstabes an Bord des Todessterns beiwohnen, einer neu entwickelten Waffe, die ganze Welten zerstören kann. Admiral Motti hält das Imperium angesichts dieser überlegenen Technik für unbesiegbar, wird jedoch von Darth Vader zurechtgewiesen: „Seien Sie nicht allzu stolz auf Ihr technologisches Schreckgespenst! Die Fähigkeit, einen ganzen Planeten zu vernichten, ist nichts gegen die Stärke, die die Macht verleiht.“ Der angesprochene Offizier erwidert: „Verschonen Sie uns mit Ihrem Kinderschreck von der magischen Macht, Lord Vader. Ihre traurige Anhänglichkeit an diese altertümliche Religion hat Ihnen nicht geholfen, die gestohlenen Unterlagen herbeizuzaubern, und Sie ebenso wenig die geheimen Stützpunkte finden lassen …“ – weiter kommt er nicht, da Vader nun seinerseits die Stärke der Macht demonstriert, und Motti den legendären telekinetischen Würgegriff des Sith-Lords über sich ergehen lassen muss, ebenso wie dessen damit einhergehende Belehrung: „Ich finde Ihren Mangel an Glauben beklagenswert.“
Wenngleich Vader in der Gesamthandlung natürlich die Rolle des Schurken innehat, sind die Sympathien in dieser Szene ganz eindeutig auf seiner Seite. Am Ende des ersten Films wird es überdies Luke Skywalker, dem Crash-Kurs-Jedi, mit Hilfe der Macht gelingen, die angeblich unbezwingbare Waffe des Imperiums zu zerstören – und dadurch letzten Endes Vaders Prophezeiung erfüllen. Die „Star Wars“-Saga ist einerseits ein klassischer Kampf von Gut gegen Böse, aber sie ist auch ein Zeugnis dafür, dass Glaube letztlich über Technik triumphiert. Liegt vielleicht auch darin ein Grund für die Faszination?
Die Suche nach Erlösung
Neben dieser allgemeinen Präsenz des Übernatürlichen enthält das Sternenkrieger-Universum aber auch spezifisch religiöse Themen. Die wohl auffälligste Parallele zur christlichen Welt stellt die jungfräuliche Geburt Anakin Skywalkers, des späteren Darth Vader, dar. Als dessen Mutter dem Jedi Qui-Gon Jinn eröffnet, dass Anakin keinen biologischen Vater habe, fühlten sich wohl auch weniger bibelfeste Zuschauer an die Geburt Jesu erinnert. Aber das ist eher eine nette Anspielung verglichen mit den übergeordneten Themen der Filme wie Versuchung, Fall, Umkehr und Erlösung, die ebenfalls die beherrschenden Themen des christlichen Glaubens sind.
In der Heiligen Schrift beginnt das gesamte Unheil der Menschheit mit der Versuchung. Die Schlange lockt Eva mit dem Versprechen der Erkenntnis: „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“ Hier ist die Parallele zu Palpatine, dem Kanzler der Galaktischen Republik und späteren Imperator, augenfällig. Dieser lockt sein Opfer Anakin Skywalker ebenfalls mit dem Versprechen großer Erkenntnis. Er geht dabei auch in der gleichen Weise vor wie die Schlange. So, wie diese die Weisung Gottes infrage gestellt hatte („Sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“), greift auch Palpatine die Autorität der Jedi an: „Wenn sich jemand entschließt, das große Mysterium verstehen zu wollen, dann muss er all seine Aspekte studieren, nicht nur den dogmatischen Ansatz der Jedi.“ Auch der Inhalt der verheißenen Erkenntnis ähnelt der biblischen Erzählung, denn er verspricht Anakin eine Erkenntnis, die ihn gewissermaßen zu Gott machen wird, indem sie ihm die Macht über Leben und Tod gibt. Nicht zuletzt ist auch der Ausgang der beiden Geschichte in gleicher Weise bitter: Adam und Eva werden aus dem Paradies verstoßen, und Anakin, der als Jedi tatsächlich das ewige Leben hätte erreichen können, verspielt es gerade dadurch, dass er es zu sehr will. Das ewige Leben ist das „höchste Ziel der Sith, doch sie können es nie erreichen. Ewiges Leben ist nur durch das Loslassen des Selbst erreichbar, nicht durch seine Erhöhung. Durch Anteilnahme, nicht durch Habgier. Liebe ist die Antwort auf die Dunkelheit“, heißt es in der Romanfassung von Episode III.
Ein Versprechen kann Palpatine seinem Schüler hingegen erfüllen, das Versprechen von weltlicher Macht. Auch dies ist freilich eine klassische List des Satans. Als Jesus in der Wüste von diesem versucht wird, zeigt der Satan ihm alle Reiche der Welt und verspricht: „Dies alles will ich dir geben, wenn du niederkniest und mich anbetest.“ Jesus konnte der Versuchung widerstehen, für Anakin war der Gedanke der Herrschaft über die gesamte Galaxis zu verführerisch, und genau das besiegelte seinen Weg zu seiner neuen Identität als Darth Vader. Er hat sich von der Dunklen Seite der Macht verführen lassen, wird sein gescheiterter Lehrer Obi-Wan Kenobi einst über ihn sagen. Dessen Lehrmeister, Yoda, der trotz seines hohen Alter und seiner großen Weisheit keinen grammatikalisch korrekten Satz zustande bringen kann, betont ebenfalls stets die Gefahr der Versuchung, besonders gegenüber dem impulsiven und unerfahrenen Luke Skywalker: „Hüte dich vor der Dunklen Seite der Macht. Zorn, Furcht, Aggressivität, die Dunklen Seiten der Macht sind sie. Besitz ergreifen sie leicht von dir. Folgst du einmal diesem dunklen Pfad, auf ewig beherrschen wird die Dunkle Seite dein Geschick, verzehren wird sie dich wie einst den Schüler von Obi-Wan.“
Diese Warnung hat sich allerdings als etwas zu pessimistisch herausgestellt, denn letzten Endes wendet sich Vader von der Dunklen Seite ab und befreit die Galaxis von der Tyrannei des Imperators. Innerhalb der Fangemeinde gibt es mitunter ein gewisses Unverständnis darüber, dass Anakin Skywalker, der sich jahrzehntelang als grausamer Massenmörder hervorgetan hat, durch eine einzige gute Tat Erlösung erfährt und sich zum Finale des dritten Films im „Jedi-Himmel“ wiederfindet. Hier kann das Evangelium beim Verständnis helfen: Es geht es nicht darum, seine bösen Taten durch die guten aufzuwiegen, sondern um den Akt der Umkehr. Für diese ist es niemals zu spät, egal, was man auch getan hat. Das ist eine der Botschaften von „Star Wars“, und es ist zugleich die Kernbotschaft des Christentums.
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