Film & Kino

Gefeierter Held der Reformation

Der Spielfilm „Zwingli - Der Reformator“ zeichnet ein verklärendes Bild des von Ulrich Zwingli.
Garciás Filmtipp „Zwingli - Der Reformator“
Foto: W-Film | Der Große Rat der Stadt Zürich lädt Ulrich Zwingli (Max Simonischek) zu einer Disputatio mit den Theologen ein, die ihn der Ketzerei anklagen. Dies markiert den Beginn seines endgültigen Bruchs mit der „alten“ Kirche.

Der Reformationstag am 31. Oktober ist inzwischen in neun Bundesländern Feiertag: Den neuen Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen schlossen sich 2018 Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein an. Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg befestigt haben. Ob Luther die „Thesen“, mit denen er die Missstände in der katholischen Kirche anprangern wollte, tatsächlich anbrachte, wird von Historikern jedoch angezweifelt. Sicher ist, dass er sie an Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, schickte. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einem Bruch zwischen Luther und der katholischen Kirche gekommen war – dieser erfolgte erst mit der Exkommunikation durch Leo X. am 3. Januar 1521 und die daraufhin über ihn verhängte Reichsacht auf dem Wormser Reichstag am 30. April 1521 –, feiern Protestanten weltweit den 31. Oktober als den Beginn der Reformation.

Neben der evangelisch-lutherischen Kirche entstanden ebenfalls im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts in der Schweiz die reformierten oder evangelisch-reformierten Kirchen, die auf Ulrich Zwingli in Zürich und Johannes Calvin in Genf zurückgehen. Wurde der Reformationstag 2003 als Datum ausgewählt, um den Spielfilm „Luther“ (DT vom 30.10.2003) uraufzuführen, so startet 16 Jahre später im Kino – nachdem er bereits am 1. Juli auf dem Filmfest München uraufgeführt wurde – ein Spielfilm über den „Reformator“ Ulrich Zwingli, der ebenfalls als opulentes Historiendrama angelegt ist. In „Zwingli – Der Reformator“ von Simone Schmid (Drehbuch) und Stefan Haupt (Regie) besticht ähnlich „Luther“ das aufwändige Produktionsdesign, auch wenn in den Panoramaaufnahmen computergenerierte Bilder zu erkennen sind.

Aufsehenerregende Predigten und Bruch mit allen Traditionen

Der Film erzählt aus einer doppelten Perspektive. Er beginnt mit Ulrich Zwinglis (Max Simonischek) Ankunft in Zürich. Denn an dessen Großmünster soll er als „Leutpriester“ am 1. Januar 1519 eine Stelle antreten. Nicht erwähnt wird in „Zwingli – Der Reformator“ aber, dass Zwingli bereits als Leutpriester am Wallfahrtsort Einsiedeln eine Schrift „wider Wallfahrten und andre Missbräuche“ verfasst und sich öffentlich gegen den päpstlichen Ablassprediger gestellt hatte. Ehe er nach Zürich ging, hatte Zwingli ebenfalls Schweizer Bischöfe dazu aufgerufen, Reformen in der Kirche einzuführen. Parallel zu Zwinglis ersten Auseinandersetzungen mit dem Chorherrn Hofmann (Andrea Zogg) am Großmünster führt der Film die Frau ein, die in seinem Leben eine wichtige Rolle spielen sollte: Die zu Beginn dem katholischen Glauben sehr verbundene junge Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer) führt ein karges Leben zwischen Gottesfurcht und Sorge um die Zukunft ihrer Kinder. Zunächst machen ihr Zwinglis revolutionäre Ideen Angst.

Denn Ulrich Zwingli entfacht mit seinen Predigten gegen die Missstände in der Kirche heftige Diskussionen. Bald beruft er sich auf „die heilige Schrift allein“ (sola scriptura), um mit allen Traditionen zu brechen. Zunächst geht es um die Fastengebote. Der Film zeigt Zwingli zusammen mit Freunden beim sogenannten „Wurstessen“, als am ersten Fastensonntag des Jahres 1522 im Hause des Druckers Christoph Froschauer Wurst gegessen und dadurch das geltende Fastengebot bewusst und in provozierender Weise gebrochen wurde – was eine Untersuchung durch den Rat der Stadt Zürich nach sich brachte. Damit vollzog Zwingli einen ersten Schritt in Richtung Bruch mit der Kirche, zumal er zwei Wochen später in seiner Predigt zum Fasten Stellung nahm, deren Text am Gründonnerstag veröffentlicht wurde: „Vom Erkiesen und Fryheit der Spysen“.

„Zwingli – Der Reformator“ verknüpft äußerlich Aufsehenerregendes – etwa die Aufhebung des Priester-Zölibats und der Heiligenverehrung bis zur Auflösung der Klöster –, das Zwingli mit tätiger Hilfe seines Studienfreunds Leo Jud (Anatole Taubman) betreibt, mit den „Disputationen“ zwischen Zwingli und Generalvikar Johannes Faber (Oscar Sales Bingisser) zum Thema Fasten, Bibel und Tradition, in deren Verlauf Zwingli sagt, dass es keine Vermittler zwischen Gott und Menschen braucht.

Trotz kritischer Stimmen wird Zwingli als Held gefeiert

Der Film verliert indes die Perspektive der Witwe Anna Reinhart nicht aus den Augen. Denn die Entwicklung ihrer Haltung den revolutionären Ideen Zwinglis gegenüber steht beispielhaft für die Einstellung der einfachen Bevölkerung zu den Reformen. Anna ändert ihre Haltung insbesondere dann, als sie beobachtet, wie Zwingli Nächstenliebe lebt und nicht nur predigt. Sie gerät mehr und mehr in seinen Bann, während Zwinglis Mitstreiter Leo Jud ihn bedrängt, die junge Witwe zu heiraten.

Die Filmemacher Simone Schmid und Stefan Haupt verschweigen nicht die Kehrseite der von Zwingli eingeführten Reformen. Einerseits drängt Zwingli den Rat von Zürich zum Krieg gegen die katholischen Schweizer Kantone, um die Reformation, wenn nicht mit Überzeugung, dann mit Feuer und Schwert auch in der Innerschweiz zu verbreiten. So kommt es zum sogenannten Zweiten Kappelerkrieg, in dessen Verlauf Ulrich Zwingli am 11. Oktober 1531 gefangen genommen und getötet wurde.

Andererseits entbrennt im inneren Zirkel der Bewegung ein Kampf um Macht und Deutungshoheit. Auch wenn in diesem Zusammenhang kritische Stimmen gegen Zwingli zu hören sind („Du legst die Bibel aus, wie es Dir passt“, sagt ein ehemaliger Mitstreiter zu Zwingli), feiert der Film den „Reformator“ als charismatischen Prediger und Erneuerer, ja als Helden. Seine Gegner – die Vertreter der „alten“ Kirche – werden als geldgierige, selbstverliebte, hartherzige Heuchler gezeichnet. Unter Zwinglis Gegnern findet sich in „Zwingli – Der Reformator“ nicht eine einzige positive Figur. Eine bombastische Filmmusik, die Zwinglis Erfolge triumphalistisch feiert, bestärkt den Eindruck der Einseitigkeit.

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