Das Leben des US-amerikanischen katholischen Priesters Stuart Long (1963–2014) kann mit Fug und Recht als das bezeichnet werden, was man gemeinhin ein „filmreifes Leben“ nennt: „Stu“, wie er genannt wurde, betätigte sich als Sportler, Ringer, Footballspieler und sogar als Boxer. Im Boxkampf gewann er mehrere Amateur-Titel und entwickelte ernsthafte Ambitionen, Profi zu werden.
Liturgie und der Beichte natürlich dargestellt
Eine Kieferoperation machte die Boxer-Profikarriere zunichte. Sein Leben nahm eine Wendung: Stu zog nach Hollywood in der festen Überzeugung, eine Karriere als Schauspieler zu beginnen – es reichte allerdings nur, um in Los Angeles als Statist und in Werbespots zu arbeiten.
Eine noch größere Wendung stand ihm freilich bevor: Ein schwerer Motorradunfall führte zu seiner Bekehrung: Stu ließ sich taufen und entdeckte seine Priesterberufung. Im Priesterseminar wurde jedoch eine unheilbare entzündliche Erkrankung der Muskeln festgestellt. Schon von der Krankheit gezeichnet, empfing er im Dezember 2007 die Priesterweihe. Father Stu starb am Montag, 9. Juni 2014, erst 50 Jahre alt. Der Geistliche war in Montana, wo er als Priester arbeitete, sehr bekannt.
Über die Staatengrenze hinaus bekannt ist „Father Stu“ allerdings dank des Spielfilmes, der letztes Jahr in den Vereinigten Staaten im Kino anlief, und der inzwischen auf der Online-Plattform „Amazon Prime Video“ (gegen Aufpreis) abzurufen ist.
Dazu trägt insbesondere auch bei, dass die Hauptrolle ein überaus beliebter Hollywood-Darsteller übernimmt, der sich außerdem wie kaum ein anderer in der US-Filmbranche zu seinem katholischen Glauben bekennt: Mark Wahlberg, der darüber hinaus auch den Film produziert. Wohl deshalb ist die Wiedergabe etwa der Liturgie und der Beichte, aber auch des Lebens im Priesterseminar von einer wohltuenden Natürlichkeit, die sich von heutigen Darstellungen ganz und gar abhebt.
Eine wichtige Nebenrolle übernimmt Mel Gibson, über dessen Glauben häufig in den Medien gesprochen wurde und dessen Hochachtung für den christlichen Glauben jedenfalls seit dem Film „Die Passion Christi“ außer Frage stehen sollte. Gibsons Rolle als Bill Long, der Vater des späteren Priesters – genauso wie der Mutter Kathleen (Jacki Weaver) – kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Denn Stu leidet nicht nur unter dem Tod seines jüngeren Bruders als Fünfjähriger, sondern auch durch die Trennung seiner Eltern. Der nach Los Angeles gezogene Bill stellt sich als rauer Arbeiter heraus. In „Father Stu“ spielt Erlösung nicht nur in Bezug auf das Leben des späteren Priesters eine Rolle. Drehbuchautorin und Regisseurin Rosalind Ross behandelt ebenfalls das Verhältnis zwischen Stu und seinen Eltern, denn Father Stus Bekehrung hatte auch eine tiefgreifende Auswirkung auf seine Eltern, die sich schließlich firmen ließen, als Stu bereits so gelähmt war, dass er auf einer Trage lag.
Schlange am Beichtstuhl wird länger und länger
Das solide Drehbuch schafft mit der Auswahl der verschiedenen Stationen im Leben von Stu Long und trotz der teils abrupten Wendungen eine flüssige Erzählung, wobei es einen rauen, manchmal etwas unflätigen Ton mit dramatischer Tiefe und humoristischen Kontrapunkten vereint. Bei der Premiere des Filmes erinnerte Mark Wahlberg an die Worte, die ihm Bischof George Thomas im Rahmen des Filmprojekts sagte. George Leo Thomas, der seit 2018 Bischof von Las Vegas ist, weihte als Bischof von Helena 2007 Stuart Long, wobei er sich gegen die aufgrund von Stus unheilbarer Krankheit von den Ausbildern im Priesterseminar vorgetragenen Bedenken entschied.
Nun äußerte Bischof Thomas, es sei richtig gewesen, Stuart zu weihen, denn „Stu hatte in den wenigen Jahren, in denen er Priester war, mehr getan als der Bischof in 40 Jahren.“ Dies setzt Regisseurin Rosalind Ross in einer kurzen Szene filmisch hervorragend um: Als Father Stu bereits in einer Pflegeeinrichtung lebt, weil er sich kaum noch bewegen kann, wird die Schlange derer, die zu ihm in den Beichtstuhl kommen, länger und länger ... Fast gelähmt übt er seinen priesterlichen Dienst aus, indem er als Werkzeug der Versöhnung mit Gott dient. Im Gespräch mit dem „National Catholic Register“ äußerte die Regisseurin die Hoffnung, dass der Film „durch Stus Werdegang und durch die Versöhnung mit seinem Vater“ Menschen zur Umkehr bewege: „Ich hoffe, dass der Film verdeutlich, dass es nie zu spät ist, um Bindungen zu heilen. Es ist auch nie zu spät, sich zu ändern. Es ist nie zu spät, Vergebung zu suchen, Erlösung zu suchen, wie auch immer man es nennen will. Es ist nie zu spät. Wir leben in einer Gesellschaft, die meiner Meinung nach nur widerwillig anerkennt, dass Menschen sich ändern können. Ich finde das wirklich bedauerlich.“
Die Betonung der menschlichen Fähigkeit zu Erlösung und Versöhnung verknüpft „Father Stu“ mit einer einnehmenden Sicht auf den katholischen Glauben, auf das Wirken der Gnade, auf die Kraft des Gebetes und den Sinn des Leidens sowie auf den Wert der unbedingten Nächstenliebe.
„Father Stu“, Drehbuch und Regie: Rosalind Ross, USA 2022, 124 Min. Auf Amazon Prime Video (Aufpreis 4,99 EUR)
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