Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Filmrezension

"Es sind die kleinen Dinge": Mit 65 die Schulbank drücken

Die französische Komödie überzeugt durch liebevollem Humor und eine berührende Botschaft.
Mélanie Auffret
Foto: IMAGO/Castel Franck/ABACA (www.imago-images.de) | „Es sind die kleinen Dinge“ („Les petites victoires“) von Regisseurin und Mit-Drehbuchautorin Mélanie Auffret bereits 2023 auch beim Internationalen Comedy Film Festival in Alpe d'Huez gezeigt.

Als Bürgermeisterin des 400-Seelen-Dorfs Kerguen in der Bretagne dreht Alice Le Guennic (Julia Piaton) einen Werbefilm für ihre Gemeinde, die mit den typischen Problemen eines kleinen Dorfes zu kämpfen hat: Sie sucht beispielsweise einen Nachfolger für die Bäckerei. Es mangelt jedoch an allem: Der Landarzt ist offenbar seit Jahren tot, mitten im Dorf steht eine stattliche Kirche, aber ein Pfarrer ist weit und breit nicht zu sehen. Dafür behebt sie eigenhändig Schlaglöcher, und ihr Dienstzimmer im Rathaus dient als eine Art psychologische Praxis.

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Der französische Spielfilm „Es sind die kleinen Dinge“ („Les petites victoires“) von Regisseurin und Mit-Drehbuchautorin Mélanie Auffret siedelt jedoch die Haupthandlung in der Zwergschule an, in der Alice selbst die Kinder des Dorfes unterschiedlichen Altersstufen unterrichtet.  Dort taucht eines Tages der dorfbekannte Querulant Émile Menoux (Michel Blanc) auf. Denn er hat sich in den Kopf gesetzt, doch noch Lesen und Schreiben zu lernen.

Flegelhaftes Benehmen eines 65-Jährigen

Seit dem Tod seines Bruders hat er niemand mehr, der beispielsweise die Rechnungen für ihn begleichen kann. Kurzerhand setzt sich der 65-Jährige genau an das Pult, an dem er bereits als Kind saß. Allerdings legt Émile sein flegelhaftes Benehmen auch als Klassenneuling nicht ab.

Mit Kraftausdrücken, Beleidigungen und Drohungen stößt er seine jungen Mitschüler vor den Kopf, die den alten Mann trotzdem auch mit kindlicher humorvoller Neugier betrachten. Als sich der Schulinspektor ankündigt, um zu prüfen, ob die Schule bei der geringen Schüler-Anzahl („zehn Schüler sind zu wenig“) noch geöffnet bleiben darf, stehen alle Zeichen auf Alarm.

Verküpfung von Kömodie und Ernst

Die Frage nach der Schule steht stellvertretend für die dörfliche Entwicklung – ohne Nachwuchs keine Zukunft. Junge Familien mit schulpflichtigen Kindern werden sich eher dort niederlassen, wo auch ein gewisses Schulangebot vorhanden ist. Ähnlich verhält es sich mit der erwähnten Bäckerei, die nicht nur den Brotbedarf decken, sondern auch als Treffpunkt der Dorfgemeinschaft dienen könnte.

Die Verknüpfung solcher ernsten Überlegungen mit einer vordergründig leichten Komödie gelingt französischen Filmemachern zurzeit am besten, und „Es sind die kleinen Dinge“ ist keine Ausnahme. Mélanie Auffret setzt auf die beiden Hauptdarsteller: Der inzwischen 70-jährige Michel Blanc ist einer der bekanntesten und gefragtesten Charakterkomiker in Frankreich. Blanc spielt genüsslich die Rolle des Dorfflegels, der auch nicht davor scheut, Kinder zu beleidigen.

Humor, gute Laune und Erwartungen

Julia Piaton schafft es, glaubwürdig, den Part eines Hansdampf in allen Gassen zu verkörpern und Schwung mit Herzenswärme zu verbinden. Der von kleinen Kindern (das älteste Kind in der Schule ist gerade mal elf) umgebende Rentner bietet viel Situationskomik, die mit einer ganzen Reihe Gags und kleinen Nebengeschichten angereichert wird.

Schrullige Figuren und nette Einfälle sorgen für Humor und gute Laune. Darüber hinaus baut Regisseurin und Co-Autorin Auffret die eine oder andere emotionale Geschichte in die Handlung ein, bei denen Einzelschicksale stärker thematisiert werden. „Es sind die kleinen Dinge“ spielt mit den Erwartungen, um einen eigenen Weg zu finden. Die gelungene Komödie verknüpft einen liebevollen Humor mit einer schönen Botschaft: Es lohnt sich, sich für andere Menschen einzusetzen.

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