Er war der große Gewinner der diesjährigen Oscarverleihung: Guillermo del Toros „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ wurde in den zwei wichtigsten Kategorien („Bester Film“, „Beste Regie“) sowie in den Sparten „Beste Ausstattung“ und „Beste Filmmusik“ mit der goldenen Statuette ausgezeichnet. Damit ging der Regiepreis in den letzten fünf Jahren viermal an mexikanische Filmregisseure: Alfonso Cuarón hatte 2014 mit „Gravity“ und Alejandro González Inárritu 2015 mit „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ sowie 2016 mit „The Revenant – Der Rückkehrer“ gewonnen. Guillermo del Toros „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ startete am 15. Februar im deutschen Kino.
Zwei Einsame in einer merkwürdigen Beziehung
In „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ erzählt del Toro wie bereits in seinem Vorgängerfilm „Pans Labyrinth“ (DT vom 1.3.2007) ein düsteres Märchen, freilich erneut mit politisch einseitigen Untertönen. Wieder einmal wird der Einfluss der Monster-B-Movies aus den 1950er Jahren deutlich. Zwar berührt Guillermo del Toro in manchen Szenen den Zuschauer, sein Film erreicht jedoch nicht die Tiefgründigkeit seiner mexikanischen Regiekollegen.
Del Toros Film handelt von einsamen Menschen und einer einsamen Kreatur: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges im Jahre 1962 arbeitet ein geheimes US-Forschungslabor auf vollen Touren. Hauptsache, man ist den Sowjets einen Schritt voraus, und lässt sich nicht von ihnen in die Karten schauen. In diesem Hochsicherheitslabor sind in der Reinigungskolonne die stumme Putzfrau Elisa (Sally Hawkins) und ihre Freundin Zelda (Octavia Spencer) tätig. Elisa führt ein sehr zurückgezogenes Leben. Außer Zelda hat sie einen einzigen Freund: den älteren Nachbarn Gilles (Richard Jenkis), der mehr schlecht als recht als Werbegrafiker arbeitet, und der seine Homosexualität sehr unauffällig lebt.
Elisas routinemäßiges Leben ist allerdings zu Ende, als sie einen „Amphibienmann“ (Doug Jones) entdeckt, an dem die Wissenschaftler offensichtlich Experimente durchführen möchten. Allerdings entgeht der intelligenten und sensiblen Frau nicht, dass der sadistische Laborleiter Strickland (Michael Shannon) die geheimnisvolle Kreatur malträtiert. Elisa teilt mit dem Wassermann ihre Mahlzeiten, wodurch sich die beiden Einsamen immer näher kommen. Die stumme Putzfrau fühlt sich immer mehr von ihm angezogen, bis sie schließlich einen Rettungsplan entwirft.
In seinem neuen Spielfilm „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ entwirft Guillermo del Toro wie bereits in „Pans Labyrinth” eine poetisch-fantasievolle Welt, in der er diesmal eine außergewöhnlich-märchenhafte Liebesgeschichte entfaltet.
Der Schurke ist gemäß dem Zeitgeist einfältig
Dass es sich dabei um ein Märchen handelt, verdeutlicht bereits die Off-Stimme zu Beginn „Wenn ich darüber sprechen würde, was würde ich Ihnen erzählen?“ Denn natürlich fühlt sich Elisa in der Märchen-Welt, in die sie mit ihrem amphibischen Liebhaber eintaucht, viel wohler als in ihrem langweiligen Leben.
Visuell überzeugt der Retrostil von „Shape of Water – das Flüstern des Wassers“ mit seinem Hinweis auf die „Kreaturen-Filme“ (etwa Godzilla) der 1950er und 1960er Jahre. Die Auszeichnung mit dem Ausstattungs-Oscar für Paul Denham Austerberry, Shane Vieau und Jeff Melvin ist genauso verdient wie der Preis für „Beste Filmmusik“ für Alexander Desplat, der den märchenhaften Charakter des Filmes unterstützt.
Die außergewöhnliche Verschmelzung von romantischen und fantastischen Elementen, die sich in überaus poetischen Bildern ausdrückt, wird jedoch von allzu expliziten Sex- und Gewaltszenen konterkariert. Darüber hinaus befremdet erneut die Schwarz-Weiß-Malerei, die sich ähnlich „Pans Labyrinth“ auch durch „Shape of Water“ zieht. Mit seinem kaum zu überbietenden Sadismus ist Laborleiter Richard Strickland im Gegensatz zu dem mitfühlenden „Amphibienmann“ das eigentliche Ungeheuer, das im Foltern des Wassermannes eine offensichtliche Befriedigung erfährt. Ähnlich der kindlichen Protagonistin in „Pans Labyrinth“ stellt sich Elisa als eine Art Prinzessin heraus, die ihren Prinzen aus den Fängen des wahren Ungeheuers befreien muss.
Wieder einmal sind bei Guillermo del Toro Gut und Böse politisch korrekt eindeutig getrennt: In Zeiten der „MeToo“-Bewegung nimmt sich denn auch der einerseits sexistische und rassistische, andererseits natürlich auch einfältige Schurke als besonders zeitgeistgeschuldet aus.
Sehen Sie hier den Trailer zum Film:
Auf dem Hintergrund des amerikanisch-sowjetischen Konflikts liest sich „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ darüber hinaus auch als politische Parabel, die Regisseur und Mitdrehbuchautor Guillermo del Toro die Gelegenheit bietet, seine Schwarz-Malerei auszubreiten. Das visuell beeindruckende Märchen mit seinen poetischen Szenen, das „Shape of Water – das Flüstern des Wassers“ durchaus anbietet, wird jedoch nicht nur von derben, sondern auch von einem politisch kämpferischen Diskurs überschattet: Grenzen niederreißen, Inklusion über die Biologie hinweg.
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