Abtreibung

„Call Jane“: Ungeborene Kinder zu töten ist keine Hilfe

„Call Jane“ ist eine erste filmische Reaktion auf die Aufhebung des Urteils „Wade v. Roe“. Der Streifen über illegale Abtreibungen setzt vor allem auf emotionale Manipulation.
Filmszene aus „Call Jane“
Foto: DCM/ Wilson Webb | Joey (Elizabeth Banks, Mitte) und die Anführerin der Abtreibungsgruppe „Jane“ Virginia (Sigourney Weaver) im Gespräch mit einer abtreibungswilligen jungen Frau, der sie ihre „Hilfe“ anbieten.

Chicago 1968. Das Leben der etwa 40-jährigen Joy Griffin (Elizabeth Banks) scheint perfekt: Sie lebt zusammen mit ihrem Mann Will (Chris Messina), einem erfolgreichen Rechtsanwalt, und ihrer aufgeweckten heranwachsenden Tochter Charlotte (Grace Edwards) in einem gutbürgerlichen Vorstadtviertel.

Dass Joy unerwartet wieder schwanger wird, erfüllt sie und ihren Mann zunächst mit Freude. Aber Joy leidet unter lebensgefährlicher Herzinsuffizienz. Der Arzt schlägt die einzig mögliche „Behandlung“ vor: Nichtschwangersein, die Herzinsuffizienz würde mit der Zeit verschwinden. Der damals einzige Weg zu einer legalen Abtreibung führt über eine Krankenhaus-Kommission. Der ausschließlich aus „alten weißen Männern“ zusammengesetzte Ausschuss interessiert sich lediglich dafür, ob das Kind gesund geboren würde. Die Gesundheit der Frau spielt für die Ärzte keine Rolle. Joy entscheidet sich zu einer illegalen Abtreibung: Die schlimmen Verhältnisse in dem Hinterzimmer in einem heruntergekommenen Viertel lassen sie jedoch die Flucht ergreifen. Zufällig entdeckt sie einen Aushang „Call Jane“ mit dem Versprechen, „das Problem“ zu lösen. Der Anruf wird ihr Leben verändern.

„Weder die negativen psychischen Auswirkungen einer Abtreibung
noch die leidtragenden, die im Mutterleib getöteten Kinder,
werden thematisiert“

Seit einigen Jahren überwiegen zwar Filme, die sich für die Abtreibung aussprechen, nachdem in der Nachfolge des mit dem Oscar für das beste Originaldrehbuch ausgezeichneten Films „Juno“ (Jason Reitman, 2007) mehr als ein Jahrzehnt lang die junge, ungewollt schwanger gewordene junge Frau, die sich allen Schwierigkeiten zum Trotz gegen die Abtreibung entscheidet, als eine Art Leinwandheldin in einer ganzen Reihe Filme gefeiert wurde. Dennoch stellt sich die Frage, warum gerade jetzt ein Film über die real existierenden „Janes“, ein Untergrundkollektiv von Frauen, das nach eigenen Angaben „fast 12 000 Frauen und Mädchen mit sicheren Abtreibungen unterstützte“, gedreht wird?

„Call Jane“ ist erklärtermaßen eine erste filmische Reaktion auf die Aufhebung des Urteils „Roe v. Wade“. So heißt es im Presseheft: „,Call Jane‘ wurde für unsere Zeiten gemacht. Wir brauchen uns nur die Jahrzehnte vor Roe v. Wade, den Urteilsspruch des Supreme Courts aus dem Jahr 1973, der Abtreibung legalisierte, anzuschauen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die Rolle von Frauen ändern könnte, wenn diese Regelung gekippt wird – und das ist gerade geschehen. Abtreibung war früher in allen Staaten in den USA eine Straftat. Die Behörden bestraften Frauen, die ihre Sexualität und Fruchtbarkeit nicht so behandelten, wie die Regierung, die Strafverfolgung sowie medizinische und religiöse Institutionen es von ihnen erwarteten. Viele Frauen wussten nicht, wo sie Hilfe bekommen, oder schämten sich, danach zu fragen.“

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Manipulatives Framing des Abtreibungsgeschehens

Die manipulativen Begriffe „Hilfe“ und „Unterstützung“ für abtreibungswillige Frauen sollen kaschieren, was bei einer Abtreibung geschieht: 12 000 „sichere Abtreibungen“ bedeuten 12 000 vorgeburtliche Kindstötungen. Vom Kind ist jedoch in dem Spielfilm von Hayley Schore (Drehbuch) und Phyllis Nagy (Regisseurin) ein einziges Mal die Rede, bei der bereits erwähnten Sitzung des Krankenhaus-Ausschusses, der als finsterer Alte-Männer-Zirkel dargestellt wird. Weil die Krankenhausvertreter Joy nicht einmal eines Blickes würdigen, ist die Rede vom Kind negativ konnotiert.

Mit dieser karikaturhaften Zeichnung kontrastiert die Charakterisierung von Virginia (Sigourney Weaver), die das Untergrundkollektiv anführt, durch die Filmemacher: „Virginia ist leidenschaftlich, lustig und zutiefst empathisch und voller Mitgefühl. Sie ist außerdem knallhart, verhandelt furchtlos mit der Mafia, der sie Schutzgeld zahlen muss, und setzt sich mit Politikern und Polizisten auseinander, die ihre Sache und die Janes gefährden, während sie gleichzeitig um Hilfe bitten, wenn eine heimliche Geliebte schwanger wird.“

Wer das Leid der Mütter noch die getöteten Kinder werden thematisiert

Noch manipulativer als die lobrednerische Darstellung Virginias nehmen sich zwei der „Janes“ aus. In einer Szene kann in der Gruppe eine hochschwangere Frau ausgemacht werden. Die unterschwellige Botschaft: Die „Janes“ sind gar nicht gegen Schwangerschaften beziehungsweise gegen Kinder, sondern „nur“ gegen ungewollte Schwangerschaften. Die zweite Figur ist eine katholische Ordensschwester, die sich freiwillig meldet, um mit einer abtreibungswilligen Frau zu reden, die deshalb „katholische Schuldgefühle“ hat.

„Call Jane“ setzt auf Emotionen – wie viele andere Filme auch –, um ihre Sicht als die einzige richtige durchzusetzen. Dazu zählen insbesondere Bilder und Auslassungen: Weder die negativen psychischen Auswirkungen einer Abtreibung noch die leidtragenden, die im Mutterleib getöteten Kinder, werden thematisiert. Der Film zieht in keinem Augenblick einen anderen Ausweg als die Abtreibung in Erwägung – und dabei wissen Lebensrechtler, die sich um Frauen in Schwangerschaftskonflikten kümmern, zu berichten: Gelingt es, die Probleme zu lösen, die Frauen eine Abtreibung erwägen lassen, lassen sich auch die Leben ursprünglich „ungewollter“ Kinder ganz überwiegend retten.

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José García Jason Reitman Roe v. Wade Schwangerschaftsabbruch

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