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Avatar und Eden

Johannes Hartl: Der Filmhit "Avatar 2" hält trotz mancher Schwächen die Sehnsucht nach einer besseren Welt am Leben.
Szene aus dem Film "Avatar"
Foto: IMAGO/Albuquerque Journal (www.imago-images.de) | Ein „zurück nach Pandora“ gibt es eben so wenig wie ein „zurück nach Eden“. Hier ist die christliche Perspektive deutlich realistischer.

Es ist zweifellos ein visuelles Spektakel. Vor wenigen Tagen ging ich mit meinen Teenies in den Science-Fiction-Film „Avatar“. Neben dem fast schon überfordernd intensiven Fest für die Augen packt die actiongeladene Handlung. Betrachtet man die Story auf tieferer Ebene, fällt die Kraft auf, die Paradieserzählungen noch immer auf uns ausüben. Denn soviel steht fest: der Planet Pandora ist ein neuer Garten Eden. Dort leben die Na‘vi in friedlicher Verbundenheit mit der Natur und miteinander. Auch die transzendente Dimension fehlt nicht: Eowa, die große Mutter, ist zum Greifen nah. Das Problem beginnt, als Menschen in das harmonische Planetenreich eindringen.

Den Menschen fehlen positive Eigenschaften

Und hier fällt auch gleich der Unterschied zur Garten-Eden-Erzählung auf. Der Mensch ist nicht ursprünglich Teil der guten Schöpfung, sondern er ist von Beginn an der Vernichter, der Ausbeuter. An dieser Stelle trifft Avatar den Puls der radikalökologischen Szene: der Mensch als Schädling, als Krankheit des Planeten. Ist diese Sicht bereits grundsätzlich inhuman und gefährlich, entpuppt sie sich aber erst recht aus theologischer Perspektive als schräg. Die Linie zwischen Gut und Böse verläuft nämlich nicht entlang äußerer Grenzen, sondern quer durch das Herz jedes Menschen, so schrieb einst Solschenizyn. Das Böse in den Anderen oder auch in äußeren Strukturen zu verorten, ist immer bequem. So ist „der Kapitalismus“ und „das Patriarchat“ Schuld daran, dass Menschen ausgebeutet wurden und werden. Daran stimmt natürlich manches, denn es gibt tatsächlich strukturelle Verflechtungen des Bösen. Diese jedoch leben von der geheimen Komplizenschaft mit dem Verführerischen, das jeder in sich selbst kennt.

Diese Nuancen werden in anderen vergleichbaren modernen Mythen wie der „Star Wars“-Serie ernster genommen. Auch „die Guten“ sind dort anfällig für die Versuchung, oft drohen die Linien zu verschwimmen. Aus dieser Perspektive ist „Avatar“ auffällig dystopisch. Positive Eigenschaften fehlen den Menschen. Ihre Welt ist grau, technisch, militärisch, auf Eroberung und Kolonialisierung ausgerichtet. Fortschritt und Technik sind negativ, als Hoffnungselemente bleiben nur die Verbundenheit mit der Natur, der göttlichen Mutter und der familiäre Zusammenhalt bei den Na‘vi. Wie deutlich der Film diese Werte in Szene setzt, beeindruckt. Dass es die Aufgabe eines Vaters sei, Schutz zu geben und die Familie die sicherste Festung von allem: hinsichtlich des Familienbildes (heterosexuelles Paar, vier Kinder) wirkt „Avatar“ geradezu konservativ. Auch die große Bedeutung, die der spirituellen Dimension und sogar dem Gebet zukommt, zeigt, wie groß offenbar die Sehnsucht danach auch in unserer Zeit ist.

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Wie schön wäre es, wenn sich daraus positive Zukunftsoptionen auch für die Menschen ergeben würden. Denn ein „zurück nach Pandora“ gibt es eben so wenig wie ein „zurück nach Eden“. Hier ist die christliche Perspektive deutlich realistischer. Nein, Eden kommt nicht wieder und wir leben in einer gefallenen Welt. Doch eine positive Weltgestaltung ist dem Menschen aufgetragen. Vielleicht ist das der Verdienst von „Avatar“: die Sehnsucht nach Gottes neuer Welt wach zu halten.

 

Der Autor ist Leiter des Gebetshauses Augsburg.

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