Umkehr

Was uns die biblische Geschichte des Jona lehrt

Läuft nicht jeder zunächst davon, wenn es gilt, sich bei Menschen unbeliebt machen zu sollen? Doch wenn es sich um einen Auftrag Gottes handelt, dann reicht die menschliche Phantasie nicht aus. Was uns die biblische Geschichte des Jona lehrt.
Jona und der Walfisch
Foto: Adobe Stock | Man versteht Jona also sehr gut, wenn er sich, wie wir heute vielleicht sagen würden, aus der Verantwortung "herauszuschrauben" sucht.

Haben Sie sich schon einmal gewünscht, endlich einmal alles zu wissen, alles zu verstehen, allen Geheimnissen des Lebens auf die Spur gekommen zu sein und damit einen Wissensvorsprung vor allen anderen Menschen zu haben? Wissen sei Macht, sagt man, und Läuft nicht jeder zunächst davon, wenn es gilt, sich bei Menschen unbeliebt machen zu sollen? Doch wenn es sich um einen Auftrag Gottes handelt, dann reicht die menschliche Phantasie nicht aus. Was uns die biblische Geschichte des Jona lehrt. das ist nicht ganz falsch, aber stellen Sie sich einmal vor, sämtliche Ihrer Wünsche würden im Augenblick, da Sie sie aussprechen, niederschreiben oder auch nur andenken, erfüllt werden! Es gibt ja einige Märchen, die erzählen, was in einer solchen Utopie geschehen könnte und das entspricht dann durchaus nicht immer den Vorstellungen, die man davor davon hatte. Aber Sie sind ja ein guter Mensch und denken auch an Ihre Nächsten und wünschen diesen das gleiche Gute, wie Ihnen selbst.

Prophet ist nicht, wer will

Stellen Sie sich also vor, dass auch alle diese Menschen, denen Sie mit Wohlwollen begegnen, genauso wie Sie mit dieser Gabe ausgestattet wären, alle ihre Wünsche im Augenblick erfüllt zu sehen. Auch diese Menschen hätten wiederum andere Menschen in ihrem Umfeld, denen sie das Gleiche gönnen würden und so weiter, bis diese Beziehungskette die gesamte Menschheit umfasste, was durchaus realistisch ist, da es Studien gibt, die behaupten, dass jeder Mensch mit jedem anderen Menschen auf der Erde um höchstens sechs Ecken bekannt sei. Wie auch immer, gesetzt der Fall, jedes Menschen Wunsch erfüllte sich im Augenblick, da er auch nur gedacht würde: Ich glaube, das daraus entstehende Chaos können Sie sich lebhaft vorstellen, oder besser gesagt nein, es wäre unvorstellbar und es gibt hier auch keine Schnittstelle mit der Realität.

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Aber was hat das mit dem Propheten Jona zu tun? Was hat das überhaupt mit Propheten zu tun?
Prophet ist nicht, wer will. Im Gegenteil, niemand kann sich diesen Status selbst geben und kein echter Prophet behauptet wohl von sich selbst, einer zu sein. Echten, tiefen Berufungen geht ein Kampf voraus, ein Kampf mit Gott oder gegen Gott. Sobald ein Mensch auch nur ansatzmäßig ahnt, was es heißen kann, von Gott "auserwählt" zu sein, kann er menschlich gar nicht anders, als zu versuchen zu fliehen. Der Vorwurf der "Anmaßung", der Christen so gerne von Fernstehenden ins Gesicht geschleudert wird, ist daher ein Griff ins Leere. Kein wahrer Christ hält sich für etwas Besseres, im Gegenteil, es ist das Bewusstsein der eigenen Unvollkommenheit, das er sich stets vor Augen hält und woran er durchaus auch leidet.

Seine "Höhen" sind tiefe Abgründe und erst am Fuße des Kreuzes beginnt er die unauslotbaren Weiten des menschlichen Daseins ansatzweise zu erahnen. Der Christ hat gelernt, dass jedes "Argument" gegen Gott nichts anderes als ein umgedrehtes Argument für Gott ist. Die unwiderlegbare Beweisbarkeit des Schöpfergottes würde dem Menschen ja Freiheit und nicht zuletzt auch die Würde rauben. Dass auch die Ablehnung Gottes in letzter Konsequenz zur Erfüllung von Gottes Plan beiträgt, illustriert die von vielen so geschmähte Allmacht und beinhaltet in sich die Rettung selbst der größten Feinde ihres Schöpfers. Wo bleibt dann die Freiheit, mag man hier fragen und die Frage ist berechtigt. Wenn wir unserem Schöpfergott nicht entkommen können, wozu dann alles?

Berufungsgeschichten empfehlen nicht zur Nachahmung

Die Welt ist für den Menschen voll von Täuschungen, mit dieser Tatsache wird jeder wache Geist früher oder später konfrontiert und sobald sie in sein Bewusstsein gedrungen ist, ergibt sich auch schon die Forderung nach der folgenschweren Entscheidung, wie damit umgehen? "Trotzdem ja zum Leben sagen" wie Viktor Frankl, oder "Jetzt erst recht nicht"? Der Kairos bleibt keinem gereiften Menschen erspart, spätestens im Augenblick des Todes. Die Bibel ist das Buch der Freiheit, denn sie lehrt uns, dass wir als Geschöpfe die "Logik" Gottes nicht erkennen können, dass wir nicht verstehen und nie verstehen werden, aber sie ist eine Einladung, ja eine Anleitung, möglichst trotzdem immer "Ja" zu Gott zu sagen, also "Ja zum Leben" und zwar in Freiheit, sobald man diese Freiheit errungen und die Erkenntnis des Prinzips der Unvorhersehbarkeit der menschlichen Existenz definitiv erkannt und angenommen hat.

Wie nahe ist uns doch dieser armselige Jona, wie gut können wir ihn doch verstehen. Läuft nicht jeder zunächst davon, wenn es gilt, sich bei Menschen unbeliebt machen zu sollen? Kann einem daraus ein Vorwurf gemacht werden, verwechseln die Menschen doch allzu gerne den Boten mit der Botschaft? Doch wenn es sich um einen Auftrag Gottes handelt, dann reicht die menschliche Phantasie nicht aus. Gott findet immer einen Weg, Seine Kinder zurückzuholen und Seine Pläne wahr werden zu lassen. Da kann man sogar anbieten, sich selbst als Opfer ins Meer werfen zu lassen, nötigenfalls kommt dann eben ein Walfisch daher und verschluckt den Auserwählten, nicht zuletzt auch, um ihn zu retten. Doch Vorsicht, Berufungsgeschichten sind immer einzigartig und werden nicht zur Nachahmung empfohlen!

Man wird noch nicht zum Propheten, nur weil man sich ins Meer werfen lässt. Der allgemeine Sprachgebrauch sieht im "Propheten" ja oft so etwas wie einen "Wahrsager", jemanden, der die Zukunft auf eine mehr oder weniger magische Art vorhersagt. Tatsächlich aber handelt es sich dabei um einen Menschen, dem es gegeben ist, die Tiefen der menschlichen Seele, gegebenenfalls der eigenen, klarer auszuleuchten und auszuloten als sonst üblich und daraus Schlüsse für des Menschen Schicksal zu ziehen, die sich bewahrheiten und zwar ohne die missbräuchliche Technik der sich selbst erfüllenden Prophezeiung, die populäre Dinge verspricht, um viele Menschen zu einer Handlungsweise zu motivieren, die vorhersehbare Konsequenzen nach sich zieht, sondern vielmehr durch eine Erkenntnis menschlicher Abgründe, die auch die eigene Person nicht schont. Ein Mensch aber, dessen Analysen sich nachvollziehbar und ohne Eigennutz realisieren, verfügt früher oder später eo ipso über Macht, weil er das Vertrauen seiner Zeitgenossen auf sich zieht, ob er will oder nicht.

Dabei unterliegt der Betreffende üblicherweise nicht der Versuchung der Macht, da es sich bei den Auserwählten Gottes nicht um Menschen handelt, die sich um diese Auserwählung reißen, weil sie sehr wohl auch um die Schattenseiten derselben wissen. Gott sucht sich ja bekanntlich auch eher äußerlich scheinbar unbedeutende und schwache Persönlichkeiten, eine Konstante, die sich durch die ganze Heilige Schrift zieht, so dass es eben nicht möglich ist, sich selbst zum Gesandten Gottes zu erklären, wenn man es nicht wirklich ist. Ein weiterer Grund zur Flucht vor einem solchen Ruf besteht auch in der Beobachtung, dass Menschen, denen tiefe Erkenntnisse über das Leben zugeschrieben werden, viele Leute anziehen, die sich von ihnen die Lösung all ihrer Probleme erhoffen. Wer seine Berufung erkannt hat, wird daher wohl danach trachten, seinen Weg möglichst unerkannt fortzusetzen, nicht zuletzt auch, weil ihm ein mögliches Fehlurteil sicher nicht so leicht verziehen würde.

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Der Herr möchte nicht strafen, sondern korrigieren

Man versteht Jona also sehr gut, wenn er sich, wie wir heute vielleicht sagen würden, aus der Verantwortung "herauszuschrauben" sucht. Es ist nun mal so, dass Gott für die Verkündigung Seines Wortes Menschen aussucht, denen Er sich wohl unzweideutig zu verstehen gibt. Er könnte ja auch mit einer Donnerstimme aus den Wolken sprechen, aber so ist es eben nicht. Wie naiv sind Menschen, die versuchen, sich vor Gott zu verstecken, angefangen bei Adam noch im Paradies! Doch wenn Gott verstanden werden will, dann findet Er immer genau den richtigen Weg und Er allein kennt den richtigen Zeitpunkt und wohl auch den Ort, wann und wo etwas stattzufinden hat, damit es dem Menschen zum Heile gereicht. Auch hier erleben wir die unendliche Großmut des Schöpfers gegenüber Seinem Geschöpf: die Umkehr der Stadt Ninive bewahrt diese vor dem angedrohten Unheil, denn der Herr möchte nicht strafen, sondern korrigieren, im Interesse Seines Geschöpfs.

Nun aber ist der Bote, der Prophet, in diesem Falle also Jona, uns und unserer menschlichen Vorstellung von Gerechtigkeit wieder ganz nahe: Ach, wozu drohen, wenn der Herr dann doch wieder Barmherzigkeit erweist? Liegt der größte Skandal dieses Gottes für viele Menschen nicht gerade darin, dass Er vergibt? Will man nicht oft den Schuldigen lieber hängen sehen, als begnadigt? Zumindest so lange es sich dabei um jemanden anderen und nicht um einen selber handelt. Ist man einmal selbst durch die Erfahrung der Barmherzigkeit gegangen, sieht die Sache anders aus und darin offenbart sich auch ein großes Paradoxon des Christen, der zuweilen Scheitern und Sünde selbst durchleben muss, um auch nur eine Ahnung von der Größe Gottes und Seiner Barmherzigkeit zu bekommen.

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