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Trumps moralischer Nobelpreis

Wider den norwegischen Idealismus: María Corina Machados Widmung des Friedensnobelpreises ist Symptom einer tektonischen Verschiebung im westlichen Machtgefüge.
Ein Unterstützer trägt auf einer Demonstration für die venezolanische Oppsitionsführerin Maria Corina Machado eine Kappe mit der Aufschrift „Make Venezuela Great Again“.
Foto: IMAGO/Jesus Olarte (www.imago-images.de) | Ein Unterstützer trägt auf einer Demonstration für die venezolanische Oppsitionsführerin Maria Corina Machado eine Kappe mit der Aufschrift „Make Venezuela Great Again“.

Als das Nobelkomitee verkündete, den Friedenspreis 2025 an die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado zu vergeben, war die Absicht offenkundig: Wieder einmal sollte der Preis eine Geste an jene progressiven Kräfte sein, die sich für Demokratie, Menschenrechte und gegen „autoritäre Populisten“ einsetzen, verbunden mit einer diskreten Spitze gegen Donald Trump, dessen wiederholten Anspruch, selbst einen Nobelpreis zu verdienen, man in Oslo mit nur mäßigem Enthusiasmus verfolgt haben dürfte.

Doch diesmal ging die Rechnung nicht auf. Machado tat das Unvorstellbare: Sie widmete den Preis – zum Entsetzen ihrer norwegischen Gönner – ausgerechnet Donald Trump, „dem Mann, der den Mut hatte, sich der Tyrannei entgegenzustellen“. Ihre Geste war kein Zufall: Machado weiß, dass sie ohne die Unterstützung des MAGA-Führers niemals die Macht in Caracas übernehmen kann, und will sich vom Nobelkomitee um keinen Preis in Opposition zu Trump bringen lassen. Doch was wir hier sehen, ist mehr als ein diplomatisches Kuriosum; es ist ein weiteres kleines Symptom der tektonischen Verschiebungen im westlichen Machtgefüge. Der moralische Universalismus, einst ein Instrument westlicher Selbstrechtfertigung, kollidiert mit einer neuen geopolitischen Realität, in der der Westen selbst keine ernstzunehmende moralische Autorität mehr besitzt, sondern nur noch Macht (oder deren Abwesenheit), und in der es erneut einzelne „cäsaristische“ Figuren und nicht nur unpersönliche Gremien sind, die ganz offen Politik bestimmen.

Eine neue Loyalitätsordnung

Machados Geste erinnert daher frappierend an die Gewohnheiten der römischen Nobilität im Kaiserreich; de iure eine wiederhergestellte Republik, de facto ein autoritäres Regime, in dem Besitz und Macht durch das Wohlwollen des Princeps konditioniert waren. Daher wurden die Kaiser nicht nur schon beim Machtantritt mit Ehren und Titeln überschüttet (wie Obama den Nobelpreis prophylaktisch beim Amtseintritt erhielt); seit Augustus galt es auch als unsittlich, den Kaiser nicht im Voraus ins Testament einzuschließen, um sich seine Gewogenheit zu Lebzeiten und natürlich auch für den Haupterben zu sichern – und wehe dem, der sich dieser freiwilligen Geste verweigerte…

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So ist auch Machados Widmung – wir wollen hier übrigens von der Frage absehen, inwieweit sie auch sachlich rechtfertigt war oder nicht – morphologisch weniger Ausdruck spontaner Dankbarkeit als Zeichen einer neuen Loyalitätsordnung. Der Westen, der sich so gerne als Verteidiger der Unterdrückten begreift, tritt in eine Phase ein, in der Moral links wie rechts weniger Sache der Opposition als vielmehr der Regierung ist und dabei zunehmend zur individuellen Qualität eines Einzelnen stilisiert wird, den es beständig durch Schmeichelei zu besänftigen und umwerben gilt. Trump ist zwar wohl eher Caesar als Augustus, zeigt aber bereits, wohin die Geschichte unserer Zivilisation bald tendieren mag. Zwischen norwegischem Idealismus und venezolanischem Pragmatismus öffnet sich somit ein echter Abgrund, durch den das alte Paradigma des westlichen Linksliberalismus gegenwärtig in die Tiefe abrutscht.

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