Die räumliche Nähe des Konflikts und die historischen Erfahrungen mit der Sowjetunion machen die Basis der ablehnenden Haltung Russland gegenüber aus. Solche Erfahrungen sitzen tief und haben sich eingeprägt in die Mentalität. Sie werden vererbt von Generation zu Generation. Nicht nur in der Slowakei. Auch die baltischen Staaten, Tschechien und Polen schauen deshalb mit großer Unmut zu, wie die Ukraine seit der Annexion der Krim zum Spielball des russischen Bären wurde. Während dort ganz offen mit einer realen militärischen Intervention gedroht wird, findet die Destabilisierung der Länder westlich der Ukraine etwas raffinierter statt. Die Propaganda in den sogenannten „alternativen“ Medien und sozialen Netzwerken wird immer aggressiver und zeigt bereits Früchte. Oppositionelle Politiker, an deren Slogan „America first“ vor einigen Jahren man sich noch gut erinnern kann, greifen offen die Stellung der Slowakei innerhalb von NATO und Europäischer Union an. Es wird klar, dass geopolitische Zugehörigkeit gerade solcher kleineren Länder in der Zukunft weiterhin erkämpft werden muss.
Deutschlands Reaktionen auf Putin sind vielen Slawen und Balten zu lasch
Zu einer weiteren Besorgnis in den slawischen Ländern des ehemaligen Ostblocks zählt auch die Tatsache, dass Deutschlands Position im Hinblick auf Putins Aggressionen in der Ukraine als lasch und zurückhaltend empfunden wird. „Deutschland hat ein russisches Problem“ – lassen sich die meisten politischen Kommentatoren hören. Der große westliche Partner, unter dessen Schutz man sich noch unter Angela Merkel sah, scheint jetzt den Fokus auf „Deutschland first“ gerichtet zu haben. Nachvollziehbar, aber ungünstig für ein eindeutiges und einheitliches Auftreten Europas gegenüber Russland.
Was wollen die Russen nun wirklich, kann man sich fragen. Sind die Ressentiments und Ängste der Slawen begründet? Blufft Putin nur, um seine politischen Ziele zu erreichen oder ist er wirklich bereit hart militärisch durchzugreifen?
Die Lage ist und bleibt gefährlich, Putin beherrscht das Spiel
Wie auch immer die Antwort lautet, eins steht fest: die Lage ist und bleibt extrem gefährlich und könnte schnell aus der Kontrolle geraten. So ein Spiel ist nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa eine Bedrohung. Die russische Politikwissenschaftlerin Lilija Schewcowa nannte Putin kürzlich den „Meister der Spannung“. Spannung zu schaffen, der Herr der Situation zu werden und andere dazu zu zwingen, seinen (unrealistischen) Forderungen zu folgen, ist exakt das, worum sich der Kreml-Herrscher bemüht.
Die Sicherheitsordnung innerhalb Europas zu seinen Gunsten zu verändern, gehört dabei zu seinen wichtigsten Zielen.
Die Idee also, dass Putin eine Art konservativer Retter Europas gegen die „woke“ westliche Kultur sein könnte, wird aus der slawischen Sicht nicht nur als naiv, sondern angesichts der gegenwärtigen Lage als zutiefst zynisch betrachtet. Es sei denn, man hat bereits ausreichend „alternative“ Medien konsumiert.
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