Bundespräsident

Sind des Präsident Sprechblasen Verheißung oder Drohung?

Frank-Walter Steinmeier steht immer noch oder schon wieder an der Spitze des Landes. Er spricht gern von der Demokratie. Man weiß nicht so recht, wie das einzuordnen sein soll.
Steinmeier
Foto: Britta Pedersen (dpa-Zentralbild) | Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer seiner Reden. Besonders beeindruckt hat Autorin Birgit Kelle bisher keine seiner Ansprachen.

Falls Sie es im Halbschlaf noch nicht mitbekommen haben: Frank-Walter Steinmeier ist immer noch und schon wieder Bundespräsident dieses Landes. In seiner Antrittsrede bekräftigte er bezüglich seiner bisherigen Amtsführung: „So werde ich es weiterführen.“ Und nun weiß man nicht, ist das eine Verheißung oder eine Drohung? Der alte und neue Bundespräsident sagte auch, wer die Demokratie angreife, „wird mich als Gegner haben!“ Wenn das nun unser letztes Bollwerk ist, dann sind wir erledigt.

„Er hat kaum Macht,
seine Wahl ist eine im Vorfeld abgesprochene Farce“

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Fünf Jahre war Steinmeier bereits im Amt, kann sich jemand auch nur an eine einzige Rede, ein einziges treffendes Zitat oder gar bemerkenswerte Taten erinnern aus dieser Zeit? Ich setze hier auch deswegen wörtliche Zitate ein, damit Sie sie ausschneiden und mitnehmen können, sollte beim nächsten Smalltalk auf einer Grillparty jemand verzweifelt nach solchen suchen, dann können Sie glänzen. Nun ist es natürlich ein grundsätzliches Elend mit dem Amt des Bundespräsidenten. Theoretisch darf er die Unterschrift unter Gesetzen verweigern und damit verhindern, dass sie in Kraft treten, faktisch passiert das nicht. Merkel hätte formuliert: Es wäre sicher auch nicht hilfreich. Er hat kaum Macht, seine Wahl ist eine im Vorfeld abgesprochene Farce und niemand ist böse, man ist gar dankbar, wenn er über den Amtseid hinaus nur noch als Grüß-Gott-Onkel agiert, um die Herrschenden nicht zu sehr bei der Arbeit zu stören. Das hat Steinmeier zumindest glänzend hinbekommen. Chapeau! Mehr aber auch nicht.

Von seinen letzten Vorgängern im Amt existieren selbstredend auch nicht nur epochale Wortmeldungen in den Archiven, aber durchaus markante Erinnerungen. „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, jeder im politisch interessierten Deutschland erinnert sich wenigstens an diesen einen Satz des Amtsvorgängers Roman Herzog (1994–1999). Die berühmte „Ruck-Rede“ aus dem Berliner Adlon Hotel hatte dem Volk die Leviten gelesen, gefällige Sprechblasen waren nicht seines. Richard von Weizsäcker hatte als erster gesamtdeutscher Bundespräsident (1984–1994) des wiedervereinigten Deutschlands nicht nur einen eigenen Kopf, sondern auch staatsmännisches Format. Das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 ordnete er historisch deutlich als „Tag der Befreiung“ ein, wohlwissend, nicht alle Geschichtskitter damit zu erfreuen.

Für manchen ist es besser, wenn sein Gesagtes kaum archiviert wird

Nun gut, man kann es auch positiv betrachten, wenn am Ende einer Amtszeit nichts Gesagtes erinnert wird und es früher auch keine Smartphones mit Kamera gab, um es für ewig im digitalen Archiv des Internets zu verankern. Ein Heinrich Lübke (1959–1969) wird der Nachwelt dennoch für immer als eine fortgesetzte rhetorische Naturkatastrophe in Erinnerung bleiben und das nicht nur wegen seiner Begrüßung „Meine Damen und Herren, liebe Neger“ beim Staatsbesuch in Afrika.

Aber selbst von Christian Wulfs wenigen 598 Tagen im Amt (2010–2012) erinnern wir immerhin neben einer hübschen Zweitfrau und einem geschenkten Bobbycar noch den bis heute diskussionswürdigen Satz „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Zwar bleibt bis heute ungeklärt, ob die schlichte Anwesenheit bereits eine Zugehörigkeit erschließt – aber immerhin ein bleibender politischer Impuls. Was bleibt von Steinmeier? Dass er bessere Anzüge trägt als Olaf Scholz oder überhaupt einen?

Steinmeier warnt Putin

Um uns allen die Arbeit und die nächste Stehparty zu erleichtern, habe ich ein paar Reden Steinmeiers auf Vorrat gelesen, vor allem hinsichtlich der „Demokratie“-Vokabel. Gerade warnt er Putin, diese nicht zu unterschätzen! Sicher zittert Moskau bereits.

Unsere Demokratie sei stark und getragen von den Bürgern und natürlich auch den -innen. Ausgenommen sind aber natürlich jene schändlichen Exemplare, die gerade gegen die Regierung auf die Straße gehen, laut Frank-Walter, die „Gegner der Demokratie“, die in der Pandemie Zweifel säen an Institutionen, Wissenschaft und Medien. Ja! Die Unfehlbarkeit der ARD-Tagesschau muss mit aller Kraft verteidigt werden. Ihnen ruft er allen zu: „Ich bin hier, ich bleibe“. Und wieder weiß man nicht: Verheißung, oder Drohung?

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