Ungeschminkt

Schöner denunzieren für alle

Meldestellen für Nicht-Straftaten sind der letzte Schrei in Deutschland. Warum nur Straftaten erfassen, wenn man das auf politisch unerwünschte Äußerungen ausweiten kann?
Bundesministerin Lisa Paus
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Köstlich ist, dass Familienministerin Paus die willkürliche Brandmarkung legitimer Meinungen in die Hände jener Stiftung legt, deren Gründerin Anetta Kahane inoffizielle Stasi-Mitarbeiterin war.

Ich habe mich einfach selbst denunziert, um die Sache zu vereinfachen. Auf dem Flughafen Wien sitzend rechne ich damit, noch bei der Landung in Düsseldorf unmittelbar abgeholt zu werden ob meiner breit dokumentierten, antifeministischen Umtriebe der vergangenen Jahre, sodass ich wohl die nächsten Wochen in einem Kellerverließ ein paar tausend Mal an die Tafel schreiben muss: „Ich habe das mit diesem Gendergaga nicht so gemeint.“
Meldestellen für Nicht-Straftaten sind der letzte Schrei in Deutschland. Warum nur Straftaten erfassen, wenn man das auf politisch unerwünschte Äußerungen ausweiten kann? Diese liebevolle Reminiszenz an den deutschen Erfahrungsschatz im Denunzianten-Metier hätten sich selbst alte weiße Stasi-Veteranen nicht besser ausdenken können. Köstlich auch dieser Sinn für Humor bei der grünen Familienministerin Paus, dass sie die willkürliche Brandmarkung legitimer Meinungen nicht nur mit über 100 000 Euro aus dem unendlichen Fördertopf des Programms „Demokratie leben!“ unterstützt, sondern ausgerechnet in die Hände jener Amadeu-Antonio-Stiftung legt, deren Gründerin Anetta Kahane bekanntlich inoffizielle Stasi-Mitarbeiterin war.

Legitimer und unrechtmäßiger Feminismus

Ich fürchte nun, meine Akte wird groß, vielleicht wird das hier meine letzte Kolumne in diesem Blatt, gemeldet werden kann nämlich ab sofort und anonym so ziemlich jede meiner journalistischen Kernkompetenzen. Jede „antifeministische, sexistische, queerfeindliche und frauenfeindliche“ Äußerung, explizit jede Kritik an Gendersprache oder an Gesetzesvorhaben für mehr „Gleichstellung“, öffentliche Auftritte, Veranstaltungen und natürlich Veröffentlichungen.

Welches nun aber legitimer Feminismus ist und welcher nicht, definiert dabei offensichtlich der tagesaktuelle Twittermob der LGBT- und Trans-Lobby. Diese als genau das zu bezeichnen ist jedoch ebenfalls ein Meldungsgrund, wie auch der Verweis auf Kinderschutz beim Protest gegen Transpolitik oder die Verwendung von Begriffen wie „Gender-Ideologie“. Da ich das Wort „Gendergaga“ erfunden habe, erwarte ich Höchststrafe! Verdächtig ist zudem, wer Genderwissenschaften für „Geldverschwendung“ und Gleichstellungsbeauftragten für überflüssig hält oder Abtreibung nicht als Frauenrecht anerkennt.

Ich melde hiermit, mich zahlreiche Bücher, hunderte von Vorträgen, Zeitungskolumnen und TV-Auftritten in der Vergangenheit verbrochen zu haben. Schuldig in allen Anklagepunkten Euer Ehren! Es fehlt zur Meldestelle noch die Resozialisierungsstelle für „Anonyme Antifeministen“, wo Menschen wie mir in ein Neudenk geholfen wird.

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Antifeminismus als Hasskriminalität

Nun gibt die neue Meldestelle selbst zu: „Antifeminismus ist kein Straftatbestand“, man erfasse aber dennoch alle Fälle, „auch unabhängig davon“. Relevant sei „die antifeministische Dimension“ und im Mittelpunkt stünden „die Erfahrungen der Betroffenen“. Merke: Nicht-Straftaten erzeugen keineswegs Nicht-Opfer, sondern sogar mehr Opfer.
Es meldet sich leicht ohne jegliche Notwendigkeit von Petitessen wie etwa Beweisen. Das kafkaesque Geschehen nimmt dann einfach seinen Lauf, wenn die Meldestelle für Nicht-Straftaten erst einmal eine Akte über Nicht-Straftäter angefertigt hat, um sie den Behörden als Nachweis extremistischer Gedankenwahrscheinlichen auszuhändigen.

Das Endziel der Aktion ist offen nachzulesen: „Die Meldestelle will die Einordnung von Antifeminismus als Hasskriminalität verbessern.“ All dies dient explizit dem Nachweis des Handlungsbedarfs, abweichende Meinungen endlich unter Strafe zu stellen.
Nun ist es nicht der erste politische Vorstoß in dieser Richtung. Die Antidiskriminierungsgesetzgebung bis auf EU-Ebene hinauf tut genau dasselbe. Und bereits vor Jahren versuchet das Gunda-Werner-Institut mit dem Portal „Agentin.org“ ein Lexikon von Feminismus- und Gendergegnern anzulegen. Neu ist nur, dass heute die Regierung den Pranger ihrer Gegner unter Verwendung von Steuergeldern erreichten lässt.
Aber warum nur Antifeminismus? Meldestellen für Klimaleugner, Impfskeptiker, Querdenker, Autofahrer und Fleischesser wären doch sicher ebenfalls hilfreich! Fehlt nur noch zur Anwerbung einsatzfreudigen Personals auch aus Ihrer Nachbarschaft der VHS-Kurs „Denunzieren für Anfänger“.

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Birgit Kelle Anetta Kahane Frauenrechte

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