Als meine Frau und ich prüften, ob wir zusammenpassen, eröffnete mir meine Frau: „Übrigens, wir sind Läufer. Du wirst Dich daran gewöhnen müssen.“ – „Was heißt das: Wir sind Läufer?“, wollte ich wissen. „Ja, wir sind Menschen, die jeden Tag raus müssen an die frische Luft. Wir gehen und reden.“ Notgedrungen ließ ich mich auf den Deal ein, um nun festzustellen, dass wir das nach fast vierzig Jahren noch immer machen. Jeden Tag, ob es regnet oder schneit, die Sonne brennt oder der Wind pfeift. Und ich resümiere: Es war nicht die schlechteste Idee.
Wir konnten reden, als wir uns gestritten hatten und wieder zueinander finden mussten. Wir konnten sprechen, wenn uns die Kinder Rätsel aufgaben. Wir konnten uns austauschen, als eine Idee für einen Text in mir Gestalt gewinnen musste. Wir konnten die Begeisterung an einem Schriftwort teilen. Irgendwann kam der Rosenkranz hinzu, den wir bis heute am liebsten gehend in unseren Tag integrieren.
Nur wer selbst brennt, kann Feuer entfachen
Dabei hatte die attische Philosophie unser Geheimrezept schon im 4. Jahrhundert vor Christus entdeckt. Es gab da die Philosophenschule der Peripatetiker, die ihren Unterricht am liebsten in der Wandelhalle (Peripatos) erteilten. Da geht eben etwas voran. Ja, und auch die Bibel würdigt die peripatetische Erkenntnisweise, im Lukasevangelium nämlich, in dem zwei Enttäuschte auf Wanderschaft sind, bevor sich ein Dritter dazugesellt. Das Emmaus-Evangelium entwickelt - sozusagen im Gehen – die große Synthese von allem, was die Kirche ausmacht: Die Erleuchtung durch das kontemplierte Wort, das Erkennen im Brotbrechen. Das brennende Herz der Jünger (Augustinus: „Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen“). Dass man sich überhaupt auf den Weg macht. Dass man seine tiefsten Gedanken – auch seine Ent-Täuschung mitteilt. Und dass man offen ist für überraschende Begegnungen.
„Wer die Wahrheit nicht mit seinem ganzen Herzen und mit seiner ganzen Kraft sucht“, schreibt John Henry Newman, „der kann nicht sagen, was von Wichtigkeit ist und was nicht; der Versuch, in Fragen des Glaubens und der Sitte leichtfertig zu entscheiden, ist eine bedenkliche Anmaßung; keiner weiß, wohin es ihn trägt, wenn er die Wahrheit beharrlich sucht ... ob es ihn nicht zu einer Gewissheit führt, die er jetzt noch für gering, überspannt oder unvernünftig hält.“
Dieser Tage erreichte mich die Geschichte von Sam, der am Ostermontag in Bangalore in sein Auto stieg, nachdem er in der Karwoche Exerzitien gemacht hatte. Startpunkt: Bangalore. Zielpunkt: irgendwo am Himalaya. Die Freunde aus Indien schreiben mir: „Heute beginnt Sam, ein junger Mann von Youcat India, seine 20-tägige Reise durch sechs indische Bundesstaaten und legt dabei fast 3 000 Kilometer zurück. Er verlässt sich bei seiner Reise allein auf die göttliche Vorsehung.
Sam hat auf seiner Reise nirgendwo etwas gebucht, weder Unterkunft noch Verpflegung. Er wird sich mit Bischöfen, Priestern, Jugendleitern und jungen Menschen treffen, um sein Zeugnis weiterzugeben und mit ihnen über seine Glaubenserfahrungen zu sprechen. Bitte beten Sie für ihn.“
Der Autor ist Initiator der Jugendkatechismus-Initiative „Youcat“.
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