In diesem Jahr wäre der vielseitige, fränkische Künstler Oskar Koller (1925 – 2004) 100 Jahre alt geworden. Obwohl der Maler nie den Zugang zum internationalen Kunstbetrieb mit Documenta, Guggenheim und Biennale fand, schuf er sich vor allem in Deutschland ein breites Publikum. Vor allem seine Aquarelle und Grafiken wurden geschätzt und bescherten dem bedeutenden Maler einen unglaublichen, wirtschaftlichen Erfolg. Zu Unrecht wird Koller häufig als Blumenmaler tituliert. Seine Aquarelle blühender Bouquets und Gartenszenen fanden zwar ohne Umwege den direkten Zugang zum Publikumsgeschmack.
Doch vielfach wurde übersehen, dass seine Stillleben zwar oft florale Motive aufgriffen, aber in der künstlerischen Umsetzung ein weitgehend freies Eigenleben entwickelten. Für Koller war die Natur, ob Pflanzen, Meer oder Landschaft, immer nur Transportmittel seiner künstlerischen Vorstellungskraft.
Ihm ging es dabei vor allem um sechs Aspekte: Raum, Tiefe, Balance, Symmetrie, Rhythmus, Spannung und farbliche Harmonie. Als gestalterische Eigenheit könnte man noch die Beherrschung des Weißraums hinzufügen: Koller verstand es, das nicht Sichtbare als weißen Leerraum so im Bild zu verarbeiten, dass sogar freie Fläche als gestalteter Bildinhalt wahrnehmbar wurde. Weite und Perspektive, Höhe und Tiefe, der unendliche Blick in die imaginierte Mehrdimensionalität des Bildes: Oskar Koller war ein Zauberer, der mit Farbe und Pinsel einen scheinbaren Freiraum ahnungsvoll umschreiben und andeuten konnte.
Ein Stuhl für die Komposition
Als Oskar Koller 1983 mit dem Kunstpreis der Stadt Erlangen geehrt wurde, befand er sich auf der Höhe seiner Kunst. Die ausgestellten Bilder von Bäumen waren zu einem Teil als umgestürzte, gebrochene, gefällte oder abgestorbene Stämme in expressiver Pinselfaktur naturnah und doch abstrahierend getroffen.
Zum anderen Teil stellten sie lebendige Flora mit weiter Krone im Schmuck grüner Blätter dar. Bis heute gelten die Baumbilder Kollers als eine der wichtigsten Werkgruppen, vor einiger Zeit waren sie im Franz-Hitze-Haus in Münster in einer eindrucksvollen Schau zu sehen.
Das Plakat der Preisträger-Ausstellung zierte ein abstrahiert dargestellter Stuhl in expressiver Malart. Der Stuhl war dabei so in die Bildkomposition gestellt, dass er zwar seiner Funktion als Sitzmöbel verlor, dafür aber die Funktion in der bildnerischen Komposition perfekt ausfüllte. Krumm und schief in das Format gestellt, war er nicht als eigentlicher Stuhl sichtbar, sondern als wunderbar geglücktes, kompositorisches Experiment. Diese und ähnliche Verarbeitungen des Stuhl-Motivs tauchen über Jahrzehnte seit den Sechzigern im Werk Kollers auf.
Der Tachismus als Impuls
Immer wieder suchte Koller als Maler die Herausforderung ungegenständlicher Malerei. In Collagen und Acrylbildern, Aquarellen und Mischtechniken fahndete er nach dem perfekten Bild, dass durch kompositorische Geschlossenheit einerseits und motivische Freiheit andererseits zu beglücken wusste.
Die französischen Fleckmaler der Tachisten hatten es ihm Ende der Fünfziger angetan, später in den Siebzigern meldeten sich diese Anfänge zurück, als Kunstspiele mit Flächenkompositionen, Linienbezügen und farblichen Mutwilligkeiten, die aber immer durch ästhetische Plausibilität zu überzeugen wussten.
Gerissene Papierfetzen und fragmentierte Kartonagen belebten reliefartig Arbeiten auf Papier. Merkwürdigerweise blieb Koller bei den meisten Arbeiten in einem Formatrahmen von ungefähr 30 x 40 cm. Das mag auch kommerzielle Ursachen wegen der Vermarktbarkeit gehabt haben, doch ein anderer Grund ist mit Sicherheit ebenfalls relevant. Koller sprengte die kleinen und mittleren Formate durch die malerische Energie, die er seinen Werken einhauchte.
Erst die oft mit zusätzlichen Begrenzungsmarkierungen limitierte Fläche stellte die formale Herausforderung dar, die Koller für künstlerisch-kreative Reibungsenergie brauchte. Dennoch sind von ihm auch großformatige Flächenbilder bekannt, die er als Architekturlandschaften mit durchgestalteten Farbräumen zu beherrschen wusste. Bedeutende Sammler wussten diese unbedingte handwerkliche Qualität Kollers, die in allen Formaten und Maltechniken sichtbar wurde, zu schätzen.
Koller-Ausstellung in Nürnberg
Entscheidende Inspirationen holte sich Koller auf zahlreichen Reisen, die ihn vor allem nach Asien, Afrika und die arabischen Länder führten. Koller diente sich nicht dem Gesehenen an, sondern verarbeitete seine Eindrücke in unverwechselbaren Neuschöpfungen. Hier erinnern Bilder aus Nordafrika mitunter an die Tunis-Reise von Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet, von der sie 1914 mit einem spektakulären Bilderschatz zurückkehrten.
Religiös orientierte Kunstliebhaber sollten einen Blick auf Bücher werfen, die Koller gestaltete. Seine Bonhoeffer-Illustrationen nehmen faszinierenden Bezug zu den Texten des großen Theologen. Auch die Darstellungen zu Texten von Hilde Domin sind sehenswert.
Leider scheint Oskar Koller in seinem Jubiläumsjahr durch große Ausstellungen nicht ausreichend gewürdigt. Zumindest in der Nürnberger Kunstvilla ist aus Anlass des 100. Geburtstags unter dem Titel „Aus Freude am Malen“ eine Retrospektive des fränkischen Malers zu sehen.
Die Ausstellung dauert noch bis anfang Februar und dokumentiert Kollers künstlerische Entwicklung. Der gesamte städtische Bestand des Künstlers aus allen Werkphasen ist zu sehen. Dazu gehören auch eindrucksvolle, gewebte Wandteppiche, die im Treppenhaus der Gründerzeitvilla wirkmächtig aufgehängt sind.
Ergänzt wird die über 50 Jahre lang von der Stadt Nürnberg zusammengetragene Sammlung durch eine Auswahl an Grafiken sowie hochkarätige Leihgaben aus dem Nachlass und aus Privatbesitz. Sie belegen, wie Koller seinen ganz eigenen Stil zwischen naturnaher Figuration und moderner Abstraktion entwickelte.
Zur Nürnberger Ausstellung ist ein Sammlungskatalog erschienen mit einem einführenden Text von Hans Peter Miksch, dem ehemaligen Privatsekretär von Oskar Koller und langjährigem Leiter der „kunst galerie fürth“ (sic!), in dem alle in der Sammlung der Kunstvilla befindlichen Gemälde dokumentiert sind.
https://museen-in-bayern.de/ausstellungen/detail/kunstvilla-im-kunstkulturquartier/ausstellung/14288
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