Es blinkt. Und das schon lange. So lässt sich der äußere Eindruck des römischen Advents kurz und knapp zusammenfassen. Allüberall in den Straßen der Ewigen Stadt buhlen klimpernde LED-Lichter an den Eingängen der Geschäfte um die Aufmerksamkeit der Passanten. Doch davon abgesehen wirkt die Umgebung noch gar nicht so adventlich. Am Tage strahlt noch immer die italienische Sonne, und wirklich kalt und dunkel wird es auch erst später als in Deutschland – es fühlt sich an, als sei der Advent zu früh dran. Dabei wird Überpünktlichkeit ja eher den preußischen Deutschen nachgesagt; der Italiener kommt gerne ein paar Minuten zu spät. Nicht aber, wenn es um Christbäume geht! Während diese von den Katholiken nördlich der Alpen erst an Weihnachten oder kurz zuvor aufgestellt werden, war die italienische Tanne schon vor zehn Tagen am 8. Dezember fertig geschmückt, zum Hochfest der Unbefleckten Empfängnis, in Italien löblicherweise ein gesetzlicher Feiertag. Dann sah man auf einen Schlag noch mehr Weihnachtsbäume, noch mehr Krippen, noch mehr blinkende Lichter. Und am Nachmittag kam der Papst zur Piazza Mignanelli, um dort die Statue der Muttergottes zu kränzen – der Advent war endgültig sichtbar.
Unbefleckte Empfängnis: Vorgeburtliche „Impfung“
Doch woher diese in Deutschland unbekannte Würdigung der Unbefleckten Empfängnis? Schließlich geht es bei diesem Fest doch gar nicht um das Jesuskind, sondern um Maria! … oder? Nun, im Advent bereiten wir uns auf die Geburt Jesu vor, der uns von der Sünde erlöst. Das kann man sich so vorstellen, als gäbe es eine fürchterlich ansteckende, jeden Menschen befallende Krankheit und als würden wir auf einen Arzt warten, der als einziger eine funktionierende Medizin hat. Und die Unbefleckte Empfängnis kann man sich so vorstellen, als ob die Mutter des Arztes diese Medizin gar nicht nötig hat, weil dieser sie vorher geimpft hat – das meint die Kirche, wenn sie erklärt, dass Maria vom ersten Moment an von jeder Sünde frei gewesen ist: Worauf wir uns noch vorbereiten, hat sie schon erhalten; worauf wir nur hoffen, können wir an ihr schon erkennen.
So gesehen handelt es sich doch um ein adventliches Fest: Wir bereiten uns ja nicht darauf vor, dass das Heil der Welt in die Kunstharzkrippe unter der Tanne im Wohnzimmer einzieht, sondern in uns selbst! Und dass Jesus wirklich der Erlöser ist, wird sichtbar in dem einen Menschen, den er erlöst hat, noch bevor er selbst sichtbarer Mensch geworden ist: Maria. Wenn sich der italienische Advent also „zu früh“ anfühlt, dann liegt es vielleicht nicht nur am mediterranen Wetter, sondern auch am spürbaren Bewusstsein dafür, dass die Liebe Gottes unseren Bemühungen zuvorkommt. „Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“, kündet uns der erste Johannesbrief. Die Adventsvorbereitungen sind also eine Sache, bei der man in Italien dann doch schneller ist als in Deutschland. Darum staunte ich auch am 1. Dezember nicht schlecht, als ich morgens die Universität betrat und beobachtete, wie der Rektor schon den Christbaum schmückte – blinkend und mit Kugeln in marianischem Blau.
Der Autor ist katholischer Theologe und forscht im Bereich der Moraltheologie in Rom.
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