Frieden ist ein erstrebenswerter Zustand für jedes Land. Frieden ist ein hohes Gut, aber so auch Freiheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung. Ein Frieden ohne diese Grundlagen wäre nicht nur von kurzer Dauer, sondern für die hart kämpfenden Ukrainer auch nicht erstrebenswert.
Ein Krieg richtet Schäden an, die Jahrzehnte andauern: die verlorenen Menschenleben können nicht zurückgebracht werden, die Traumata prägen Generationen und die Kosten für den Wiederaufbau sind enorm. Es ist ein legitimer und nachvollziehbarer Wunsch, dass all dies beendet wird. So aber, wie er im „Manifest für Frieden“ aus der Feder einer Linken und einer Feministin formuliert wurde, klingt er nicht nur naiv, sondern auch zynisch. Dementsprechend soll das angegriffene Land aufhören ein „Kriegstreiber“ zu sein, die engsten Verbündeten sollen ihm maximal Tee und Decken liefern und damit der Aggressor nicht beleidigt ist, ihm das geben, was er verlangt – zumindest einen Großteil davon.
Gerechter Frieden ist militärisch unterstützenswert
Es ist kein Zufall, dass es in Europa außer Großbritannien gerade die westlichen Nachbarn Russlands und der Ukraine sind, die die Ukraine militärisch eifrig unterstützen. Durchaus auch aus Eigeninteresse. Aufgrund ihrer eigenen historischen Erfahrungen wissen sie ganz genau, wer hier der „Kriegstreiber“ ist. Sie wissen, dass das Blutvergießen nicht aufhört, indem man vor dem Angreifer kapituliert. Sie wissen, dass die neoimperialistischen Träume Russlands weit über ein paar Regionen in der Ostukraine hinausreichen und sie wollen, dass diesen besser jetzt als zu spät ein Ende gesetzt wird.
Bereits 2008 während des Kaukasuskriegs verwies der damalige tschechische Präsident Václav Havel auf die historische Parallele zwischen der Militärinvasion vom August 1968 in der Tschechoslowakei und dem Konflikt zwischen Russland und Georgien. „Ich denke, dass es seit Jahrhunderten ein russisches Problem ist, dass Russland nicht genau weiß, wo es beginnt und wo es endet“, so Havel damals. Der Überfall auf Georgien machte seiner Meinung nach deutlich, dass das Putin-Regime zwar raffinierter als der Kommunismus unter Breschnew sei, im Grunde aber wieder dieselben imperialen Ambitionen in sich tragen würde.
Die Verfasser und Unterschreiber des Manifests berücksichtigen ebenso wenig, dass den Ukrainern die Lust auf Verhandlungen mit einem Land vergeht, das sie seit 12 Monaten plündert, terrorisiert und ermordet. Wie der „Frieden“ in russisch besetzten Gebieten hinterher aussieht, wissen wir seit Butscha. Verhandlungen und Abmachungen wären nur dann sinnvoll, wenn man sich auf deren Einhalten verlassen könnte. Das Manifest erweckt aber viel mehr den Eindruck, dass seine Unterstützer insgeheim mit dem Angreifer sympathisieren und sich um dessen „Image“ mehr Sorgen als um das Leid des angegriffenen Landes machen würden. Was die Ukraine anstrebt, ist ein gerechter Frieden und die Verteidigung ihres Landes gegen eine Invasion. Dies ist ihr gutes Recht und moralisch, rechtlich wie auch militärisch unterstützenswert. Wann und wie Verhandlungen zustande kommen sollen, weiß sie deshalb selbst besser, als es die Pazifisten in Deutschland tun.
Die Autorin betreibt den Blog „Frau mit Eigenschaften“.
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