Deutschland steht am Anfang einer neuen Friedensbewegung, versprachen jüngst die „Linken“-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer und organisierten eine „Friedensdemo“. Dem muss man – aus einer Sehnsucht nach echtem Frieden – entschieden entgegenhalten: Es geht der neuen sogenannten „Friedensbewegung“ nicht um Frieden. Es geht um Unterwerfung – der Ukrainer und der anderen osteuropäischen Staaten, die einst Mitglieder des „Warschauer Paktes“ waren.
Gulag, Mauer, Stasi – Schwamm drüber
Denn Kriegsherr Wladimir Putin hat sich aufgemacht, aus den Trümmern des einstigen kommunistischen Großreiches etwas Ähnliches zu schaffen. Und das gewaltsame Vorgehen gegen Tschetschenien, Georgien und dann die Einverleibung der ukrainischen Krim haben ihm Mut gemacht, denn der Westen hatte kaum reagiert, es einfach laufen lassen. Umso erstaunlicher ist es, wie geschlossen der Westen seit Russlands Angriff auf die Ukraine agiert. Gerade hat der deutsche Bundeskanzler dem amerikanischen Fernsehsender „CNN“ ein Interview gegeben und bestätigt, dass aus seiner Sicht Putin bei Kriegsbeginn ein völlig falsches Bild der tatsächlichen Lage gehabt habe.
Die EU, die NATO, sie stehen, angeführt von den mächtigen USA, wie eine Eins an der Seite der angegriffenen Ukraine. Und nichts deutet darauf hin, dass sich das ändern wird. Die ersten modernen Kampfpanzer aus deutscher Produktion sind inzwischen im Donbass im Einsatz, weitere kommen in den nächsten Monaten, gesteuert von in Großbritannien und Deutschland ausgebildeten ukrainischen Soldaten.
Und ganz plötzlich sind sie da, die Retter des Friedens um Frau Wagenknecht, die DDR und Kommunismus immer für das bessere System hielt. Gulag, Mauer, Stasi – Schwamm drüber, die Geschichte wird es zeigen. Dass sich Frau Schwarzer für so eine Theateraufführung hergibt, ist da schon ärgerlicher. Doch unterdessen sterben im Osten und Süden der Ukraine jeden Tag etwa 1 500 Männer auf beiden Seiten. Es sollen mehr als 150 000 seit Kriegsbeginn sein, die gestorben sind. Die Zahl der Verwundeten, Verkrüppelten und vergewaltigten Frauen zählt niemand mehr. Tausende ukrainische Kinder sind ihren Eltern entzogen und nach Russland geschafft worden, wo sie Gehirn-gewaschen werden. Kaum einer glaubt, dass diese Kinder ihre leiblichen Eltern jemals wiedersehen werden.
Vorgeführt mit blauen Fähnchen und weißer Friedenstaube
Was bietet die famose neue deutsche Friedensbewegung an? Unterwerfung. Sollen die teilbesetzten Gebiete und die Krim halt zukünftig unter russischer Herrschaft bleiben, so der Tenor. Und, ganz wichtig, Ami go Home. Ausgerechnet. Sind die Amerikaner doch der einzige Garant, den wir in Europa haben, damit Putin nicht demnächst das Baltikum und Polen oder auch andere angreifen lässt. Es macht wütend, diese Feigheit, dieses Anpassertum eines Teils der deutschen Bevölkerung, die viele Jahre in ihrem Wolkenkuckucksheim hausten und die Augen verschlossen vor dem, was draußen in der Welt los ist. Die gedacht haben, eine funktionsfähige Bundeswehr und gut ausgebildete Soldaten braucht Deutschland gar nicht mehr; mehr als ein paar gebrauchte Schutzhelme brauche die Bundesrepublik nicht liefern.
Doch niemand von denen, die im Fernsehen vorgeführt wurden mit blauen Fähnchen und weißer Friedenstaube drauf, würde in einem Land wie Russland auch nur eine Woche freiwillig leben wollen. Denn Wohlstand, Freiheit, Rechtsstaat – das gibt es in Putins Reich nicht mehr für breite Bevölkerungsschichten. Deshalb lag der Kreml-Herr ja auch so dramatisch daneben, als er dachte, seine Soldaten würden nach dem Einmarsch von einer ukrainischen Bevölkerung bejubelt, die dankbar für die Befreiung vom „Faschismus“ ist. Ob Putin wohl inzwischen begriffen hat, dass er selbst der Faschist ist in den Augen der Ukrainer?
Wagenknecht ist eine kluge, gebildete „nützliche Idiotin“
Nehmen wir einen Moment an, Russland würde diesen Krieg tatsächlich irgendwie gewinnen mit noch mehr Zerstörungen, mit noch mehr Toten, mit noch mehr verschleppten Kindern. Wie wollen die Russen das eroberte Land jemals unter Kontrolle bekommen? Der Hass gegen die Angreifer wird in Generation nicht überwunden sein. Das belegt der massive Widerstand selbst im Osten der Ukraine gegen die Russen. Die neue deutsche „Friedensbewegung“ allerdings, dieses Sammelsurium von Extremisten von rechts und links, von Amerika-Hassern und B-Movie-Darstellern aus dem Kulturbetrieb und zwei abgehalfterten Bundeswehr-Offizieren a. D. ist eine Schande für eine freiheitsliebende Gesellschaft, deren große Mehrheit die Ukraine unterstützt in diesem erbarmungslosen Angriffskrieg. Der Krieg wird auf vielen Feldern geführt, auch über Medien, auch über Trolle, die Hass gegen die gewählten Repräsentanten im Internet verbreiten, die Fake News und Unsicherheit in der deutschen Bevölkerung streuen. Krieg, das ist nicht nur Panzer und Munition, das ist auch die Beeinflussung der Öffentlichkeit. Auch der in Deutschland und Österreich.
Um es deutlich zu sagen: Sahra Wagenknecht ist nicht die Spitze einer neuen Friedensbewegung; sie ist eine kluge, gebildete „nützliche Idiotin“ des Kremls. So nannte Lenin früher unwissende Handlanger, die zu Propagandazwecken eingesetzt werden, um die öffentliche Meinung beim Feind zu beeinflussen. Wobei man auch unterscheiden muss: „Frieden schaffen ohne Waffen“, wie es in den 1980er Jahren hieß, das ist nicht das Motto der neuen Protagonisten um Wagenknecht und Schwarzer. Sie wollen ewigen russischen Frieden schaffen ohne westliche Waffen. Oder klingt das zu hart? Ein Appell von Frau Wagenknecht an Moskau, die Waffen niederzulegen, war bisher nicht zu hören, oder? Ein Telegramm an Putin von der deutschen Friedensbewegung, endlich die Kampfhandlungen in der Ukraine einzustellen, auch nicht. Es geht der neuen Friedensbewegung also nicht um Waffenruhe. Es geht ihr um einen russischen Sieg gegen das verhasste westliche System, das Russland selbst bei allem, was hierzulande zu kritisieren ist, immer noch haushoch überlegen ist.
Allein, dass diese hybride Kriegsführung mit einem propagandistischen Trommelfeuer niederprasselt, beweist, wie zunehmend verzweifelt man im Kreml ist, dass der eigene militärische Erfolg in der Ukraine ebenso ausbleibt wie der Versuch, wenigstens Verständnis für all das Zerstören und Morden in der Ukraine zu wecken.
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