Miteinander der Weltkirche

Einander „brauchen“ wollen

Supervision als Hilfe: Ein therapeutischer Blick auf die Kommunikationsprobleme zwischen Weltkirche und katholischer Kirche in Deutschland.
Kommunikationsprobleme zwischen Weltkirche und Deutschland
Foto: via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | „Wir müssen einander ,brauchen‘ wollen, wir müssen einander erwarten wollen, wir müssen diese Gemeinschaft des Lebens und des Weges wollen.“

Es beschäftigt mich immer noch, was Kardinal Luis Ladaria vom römischen Dikasterium für die Glaubenslehre den deutschen Bischöfen als Vertreter des Synodalen Weges beim Ad-limina-Besuch ins Stammbuch geschrieben hat: „Die Weltkirche braucht die Kirche in Deutschland, so wie die Kirche in Deutschland die Weltkirche braucht. Aber wir müssen einander ,brauchen‘ wollen, wir müssen einander erwarten wollen, wir müssen diese Gemeinschaft des Lebens und des Weges wollen.“

Es braucht eine Verhaltensänderung

Das Zitat impliziert, dass die Kirche in Deutschland den Schulterschluss mit der Weltkirche nicht zu suchen scheint, sondern vielmehr in der Gefahr steht, einen Sonderweg zu gehen. Der Kardinal appelliert: Gemeinsam statt einsam – was in der Vergangenheit funktioniert hat, soll auch in der Zukunft seine Fortsetzung finden. Wie kann die Kirche in Deutschland, wie können der Synodale Weg und somit die deutschen Bischöfe die Weltkirche weiterhin „brauchen“ wollen? Die Antwort hat in jedem Fall etwas mit einer Einstellungs- und Verhaltensänderung der beteiligten Personen zu tun.
Im Transtheoretischen Modell der Veränderung (TTM) wird psychologisch beschrieben, wie eine Verhaltensänderung in mehreren Schritten erreicht werden kann: Von der Absichtslosigkeit zunächst zur Absichtsbildung, dann zur Vorbereitung, und schließlich über die Aktion zur Aufrechterhaltung. Diese Schritte bauen aufeinander auf, wobei deutlich wird, dass es zunächst eine längere Phase gibt, in der es eine innere Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema gibt, bevor eine Verhaltensänderung angegangen und äußerlich sichtbar wird. Für die vorliegende Thematik soll es dabei in Anlehnung an das Transtheoretische Modell in erster Linie um eine Einstellungsänderung gehen.

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Absichtslosigkeit: In diesem Anfangsstadium des Veränderungsprozesses ist noch keine Veränderungsmotivation erkennbar. Zugespitzt formuliert: Die Kirche in Deutschland braucht die Weltkirche nicht. Möglicherweise hat sie andere Ziele, ein anderes Selbstverständnis oder geht aus anderen Gründen ihren eigenen Weg. In diesem Stadium kann eine motivierende Ansprache ansetzen – sei es aus der Kirche in Deutschland oder auch aus der katholischen Kirche aus dem Ausland – mit dem Versuch, dass die Berücksichtigung der von Kardinal Ladaria formulierten Bedenken gewinnbringend für die Kirche in Deutschland ist. Auch auf mögliche Konsequenzen eines Alleingangs der Kirche in Deutschland könnte hingewiesen werden – nicht im Sinne einer Drohung, sondern dahingehend, dass die Kirche in Deutschland für ihr Verhalten verantwortlich ist und bleibt.

Absichtsbildung: Im weiteren Verlauf könnte die Rede oder der Appell von Kardinal Ladaria mehr und mehr zum Nachdenken anregen. Vielleicht fängt der eine oder andere an, ein einander „brauchen“ wollen konkret zu beabsichtigen. Hier kann eine erste Veränderungsmotivation entstehen, vielleicht werden erste Vorteile erkannt, die ein gemeinsames Vorangehen mit der Weltkirche mit sich bringen würde. Oder es wird deutlich, dass der bisherige Fokus auf die Kirche in Deutschland zu eingeengt war. Es könnte der Vorsatz entstehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Miteinander gesucht werden soll. Vorbereitung: Ein gemeinsamer Weg, ein „Brauchen“ der Weltkirche wird jetzt mehr und mehr gewollt. Vielleicht findet von Einzelnen eine Rückbesinnung auf theologische Grundannahmen statt, die einen gemeinsamen Weg mit der Weltkirche fördern. Vielleicht entsteht ein größerer Zusammenschluss derjenigen, die ein Miteinander mit der Weltkirche weiterhin anstreben.

Start für eine intensive Zusammenarbeit

Es könnten konkrete Überlegungen angestellt werden, wie ein Miteinander intensiviert werden und wie der zuletzt entstandene Eindruck der Kirche in Deutschland korrigiert werden könnte. Dazu könnte eine Agenda oder eine Art Fahrplan erstellt werden, welche Gespräche und Themen zunächst in der Kirche in Deutschland angesprochen und geklärt werden sollen, bevor der Schulterschluss mit der Weltkirche (wieder) gesucht werden soll. Aktion: Das „Brauchen“ wollen wird nun konkret zum Ausdruck gebracht, etwa durch ein Dokument der Deutschen Bischofskonferenz oder des Synodalen Weges zu den vorgebrachten Punkten von Kardinal Ladaria oder zu dem diesen zugrundeliegenden Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland. Die Kirche in Deutschland bringt den Wunsch nach intensiver, inhaltlicher und kollegialer Kooperation gegenüber der Weltkirche zum Ausdruck. Sichtbar wird für alle Beteiligten, dass ein Start für eine weitere, intensive Zusammenarbeit erfolgt ist

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!Aufrechterhaltung: Auch wenn der entscheidende Schritt gegangen worden ist, geht es jetzt darum, in der Zusammenarbeit mit der Weltkirche das erreichte Gemeinsame zu festigen und darauf zu achten, dass es nicht zum „Rückfall“ kommt, das heißt zur inhaltlichen Separation von der Weltkirche. Bei Enttäuschungen, unterschiedlichen Sichtweisen oder Druck von außen, beispielsweise durch eine kritische Medienberichterstattung, gilt es nun, den eingeschlagenen Kurs beizubehalten. Sofern dieses nicht gelingt und der Prozess ins Stocken gerät, ist es hilfreich, bei der oben beschriebenen Absichtsbildung – für eine Zusammenarbeit der Kirche in Deutschland mit der Weltkirche – wieder anzusetzen und über die Vorbereitung zu einer Aktion zu gelangen, also vom einander brauchen wollen zur konkreten Zusammenarbeit. Dies funktioniert aber nur, wenn sich die Beteiligten darüber klar sind, auf welcher der beschriebenen Stufen die Kirche in Deutschland derzeit tatsächlich steht.

Der Autor ist Suchttherapeut und evangelischer Christ.

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