Ist er ein Workaholic oder einfach nur ein leidenschaftlicher Musiker mit einem schier unerschöpflichen Output an Kreativität? Wie dem auch sei, der britische Singer-Songwriter Edward Christopher „Ed“ Sheeran ist und bleibt seit vielen Jahren ein echtes Phänomen. Der wohl beliebteste Solo-Musiker unserer Zeit verkaufte bisher über 150 Millionen Tonträger und brach zahlreiche musikalische Rekorde. Bereits in jungen Jahren brachte der heute 34-Jährige sich selbst das Gitarrenspiel bei und schrieb in seiner Schulzeit erste eigene Songs. Mit 14 Jahren brachte er 2005 sein erstes Mini-Album heraus. Nach der Veröffentlichung einiger weiterer Mini-Alben und zahlreichen kleinen Club-Gigs bekam er schließlich 2011 einen Plattenvertrag. Seine Debütsingle „The A-Team“ und das dazugehörige Debütalbum „+“ (Plus) des damals noch 20-jährigen musikalischen Wunderkindes eroberten weltweit die Charts. Der Rest ist Musikgeschichte.
Denn von da an ging es mit seiner Karriere steil bergauf. Ein Erfolg jagt seitdem den Nächsten und kein Ende in Sicht. Seine Single „Photograph“ (2015) zählt bis heute zu den meistverkauften Singles in Deutschland. Seine Mega-Hits „Shape of you“ und „Castle on the Hill“ aus seinem dritten Studioalbum „:“ (Divide) schafften es 2017 sogar gleichzeitig auf Platz 1 und 2 der Singlecharts. Ed Sheeran ist seitdem der erste Künstler, der es geschafft hat, direkt mit zwei Liedern gleichzeitig auf den ersten beiden Plätzen der Singlecharts einzusteigen. Zudem gelang es ihm im Jahr 2019, mit seiner zweijährigen „Divide Tour“ zwei weitere Rekorde zu brechen. Sie wurde sowohl die kommerziell erfolgreichste Tournee eines Solo-Künstlers aller Zeiten, als auch mit über sieben Millionen Besuchern die mit den meisten Konzertteilnehmern.
Vater von zwei Töchtern
Neben seinen Alben und Tourneen betätigt sich Ed Sheeran aber auch intensiv als Songwriter für andere Künstler wie Eminem, Justin Bieber oder BTS und nimmt Duette auf, unter anderem mit Elton John und Taylor Swift. Zudem hat er in den letzten zehn Jahren regelmäßig verschiedene Gastauftritte in Filmen und Fernsehserien absolviert. So sah man ihn sowohl in einer Folge von „Game of Thrones“, als auch in Kinofilmen wie „Bridget Jones’ Baby“, „Yesterday“ und „Red Notice“. Vor sechs Jahren heiratete er schließlich seine langjährige Freundin Cherry Seaborn mit der er zwei gemeinsame Töchter hat.
Nur wenige Tage nachdem der Singer-Songwriter seine seit 2022 laufende dreijährige „Mathematics-Welttournee“ beendet hat, erschien vor kurzem, am 12. September, nun sein neues Album „Play“, mit dem der Multi-Platin-Künstler selbstbewusst in die nächste Phase seiner musikalischen Entwicklung gestartet ist. Mit fünf erfolgreichen Platten, deren Titel allesamt mathematischen Bezug hatten, nämlich „+“ (Plus), „x“ (Multiply), „:“ (Divide), „-“ (Minus) und „=“ (Equal), hat es Ed Sheeran zur weltweit gefeierten Pop-Ikone gebracht. Mit der Veröffentlichung seiner mittlerweile achten Langspielplatte „Play“ hat der Megastar nun seinen nächsten Alben-Zyklus, bestehend aus einer Serie von fünf Alben, in Angriff genommen. Damit hat er die Zahlenspiele vergangener Jahre hinter sich gelassen und kümmert sich fortan um die moderne Medienwiedergabe und ihre ikonischen Tastenzeichen. Nach „Play“ werden somit „Pause“, „Rewind“, „Fast Forward“ und „Stop“ die weiteren geplanten Einträge im neuen Fünf-Alben-Zyklus sein.
Ed Sheeran liebäugelt aber durchaus auch mit einer Bonus-Platte nach dem Ende des neuen Zyklus. In einer Late-Night-Show sagte er: „Ich würde gerne ein Album machen, auf das ich immer wieder Songs packe und in meinem Testament steht dann, dass es an meinem Todestag erscheinen soll.“ Der Name: „Eject“ – also „Auswerfen“ und damit die Taste, mit der bei Abspielgeräten die Discs ausgeworfen werden. Aber noch ist es noch nicht so weit! Den Anfang macht jetzt das im wahrsten Sinne verspielte Album „Play“. Hier kehrt Ed Sheeran nach zwei eher akustisch gehaltenen Alben zum großen und klassischen Songwriter-Pop zurück. Er selbst beschreibt sein neues Werk als eine positive, direkte Reaktion auf die dunkelste Zeit seines Lebens. 2022 verstarb sein bester Freund, Mentor und früher Förderer Jamal Edwards mit 31 Jahren an einer Überdosis Drogen. Bei seiner Frau wurde während der Schwangerschaft mit dem zweiten Kind Krebs diagnostiziert. Zeitgleich wehrte sich der Musiker vor Gericht erfolgreich gegen eine Plagiats-Klage zur Melodie seines Mega-Hits „Shape of You“.
Von Schicksalsschlägen gezeichnet
Töchterchen Jupiter kam gesund zur Welt, und Cherry ist nach einer Operation wieder wohlauf. Aber all das hinterließ tiefe Spuren bei ihm und setzte der psychischen Gesundheit des Briten stark zu. In der sehenswerten Disney+-Dokuserie „The Sum of It All“ kann man dies alles mitverfolgen. Nachdem er diese Tiefschläge überwunden hatte, wollte er einfach nur noch Freude und Farbe in seine Welt bringen und die Kulturen der Länder näher entdecken, durch die er seit vielen Jahren getourt ist. So hat er auch das neue Album rund um die Welt aufgenommen und im indischen Goa schließlich fertiggestellt.
Diesen kreativen, internationalen Einfluss merkt man dem Album auch deutlich an. So ist die erste Hit-Single-Auskoppelung „Azizam“ eindeutig von persischen Tanz-Beats inspiriert, ebenso wie auch das optimistische Stück „Don’t Look Down“, während die zweite Hit-Single-Auskoppelung „Sapphire“, sowie die Pop-Nummer „Symmetry“ seine Zuhörer musikalisch nach Indien entführen und pure Lebensfreude versprühen. Die Zusammenarbeit mit Musikern und Produzenten aus der ganzen Welt machte das Produzieren des neuen Albums zu etwas ganz Besonderem. „Play“ ist mit seinen 13 neuen Songs ein Album geworden, das Altes und Neues gekonnt miteinander verbindet und in einem kraftvollen und eingängigen Ed-Sheeran-Gitarrenpop-Gewand daherkommt. Wer das volle Potential von „Play“ ausschöpfen möchte, dem sei die limitierte Triplesleeve-Special-Edition mit einem 20-seitigen Booklet, allen Liedtexten und den beiden hörenswerten Bonustracks „Problems“ und „War Game“ empfohlen.
Ed Sheeran bleibt auch mit seinen neuen Songs gewohnt unpolitisch und hat keine besondere Botschaft, die er der Welt vermitteln möchte. Er beschreibt in seinen kurzen Liedern oft nur kleine Episoden aus seinem Leben, Momentaufnahmen aus seinen gesammelten Lebenserfahrungen und lässt seine Fans somit ganz tief an seinem Innenleben teilhaben. Vielleicht ist das auch der Grund, warum seine Musik viele Menschen so sehr berührt, weil sie direkt aus seinem Herzen kommt und sich authentisch anfühlt. Die Lyrics des neuen Albums kreisen überwiegend um Themen wie „Liebe“, „Hingabe“, „Dankbarkeit“ und „Sehnsucht“ und richten sich dabei oft schwärmerisch an seine Frau Cherry, die der Sänger abgöttisch zu lieben scheint. Darüber singt er gleich in mehreren Liebesballaden wie „Camera“, „In Other Words“, „The Vow“, „Slowly“ und „For Always“.
Musik, die aus dem Herzen kommt
Seine kurzen dreiminütigen Hymnen feiern die Kraft der Liebe und die wiederentdeckte Freude an der Musik, auch wenn nicht alles immer nur eitel Sonnenschein ist. Denn in Songs wie „A Little More“ macht er auch seiner Enttäuschung über zerbrochene zwischenmenschliche Beziehungen Luft und lässt mit treibenden Drums im Hintergrund seiner Wut über so mache Begegnungen freien Lauf oder bereut es im Song „Old Phone“, sein altes Handy ausgegraben zu haben und damit auch viele negative Erinnerungen an Menschen, die ihn auf seinem bisherigen Lebensweg enttäuscht haben. Auf „Problems“ und „War Game“, den beiden Bonustracks des Albums, besingt er zudem, wie wichtig es ist, Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht auszuweichen, sondern sich ihnen zu stellen und an ihnen zu arbeiten, um an ihnen zu wachsen und nicht zu zerbrechen.
Wie sensibel und reflektiert Ed Sheeran auf sein Leben schaut, zeigt bereits der Einstiegs-Song von „Play“, das grandiose Stück „Opening“, wenn er zwischen seinen Rap-Einlagen auf seine christlichen Wurzeln zu sprechen kommt und von der Hoffnung singt, die ihn trägt: „I was raised by the church. Choir boy still far from fizzling … I have loved and lost and feared and prayed. I have cried tears at my brother’s grave. I have shaken hands with my wife’s surgeon. I spent weeks inside the darkest cage. But now the day bursts wild and open.“ Die nachfolgenden Zeilen des Songs erinnern dabei an die Worte des Propheten Kohelet in Koh 3,1-8, der besagen, dass es für alles im Leben eine bestimmte Zeit gibt: „There’s a time to cry, there’s a time to fold, there’s a time for holding on and to let it go. There’s a time to run to the arms of hope. And the day bursts wild an open.“ Mit „Play“ ist Ed Sheeran wieder einmal das Kunststück gelungen, eingängige kleine Pop-Songs zu schreiben, Hymnen voller Lebensfreude und Hoffnung, die den Zuhörer manchmal nachdenklich machen und manchmal voller Glück tanzen lassen, die aber stets im Ohr hängen bleiben und das Herz berühren. Somit möchte man nach dem ersten Hören von „Play“ direkt ausrufen: „Play it again, Ed!“
Der Autor ist Pfarrer im Erzbistum Köln und schreibt über Filme, Serien sowie popkulturelle Phänomene.
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