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Der Frieden, den die Welt nicht gibt

Der Einsiedlermönch Gabriel Bunge lebt nach dem Vorbild der Wüstenväter in Gebet, Arbeit und der Stille in den Bergen. Dabei suchen ihn immer wieder Pilger auf - und ein Fernsehteam.
Blick zur Passhöhe mit Piz Gannaretsch
Foto: IMAGO/imageBROKER/Michael Szönyi (www.imago-images.de) | Blick zur Passhöhe mit Piz Gannaretsch. Inmitten der unberührten Natur der Alpen bei Tessin lebt Gabriel Bunge.

Im schweizerischen Tessin, zwölf Kilometer nördlich von Lugano, liegt das Dorf Roveredo am Südhang des Caval Drossa. Wer trotz der atemberaubenden Aussicht hier nicht verweilt, sondern durch den Wald weiter den Hügel hinauf wandert, gelangt zur Einsiedelei des orthodoxen Priester-Mönches Gabriel Bunge. Hier lebt er in völliger Abgeschiedenheit schon seit circa fünfundvierzig Jahren. Trotz der beschwerlichen Anreise bekommt er hin und wieder Besuch von Pilger, die ihn für Beichtgespräche und geistlichen Rat aufsuchen und auch von Helfern, die den 84-Jährigen Einsiedler zum Beispiel beim Holzhacken unterstützen.

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Im Jahr 2015 besuchte ihn ein russisches Fernseh-Team in seiner Bergklause. Das Ergebnis ist ein kleiner sehr sehenswerter Film von circa fünfundzwanzig Minuten, der einen unvergleichlichen Einblick in die Welt des Asketen bietet. Man fühlt sich transportiert in eine andere Zeit, vielleicht sollte man besser sagen: in einen anderen Geist. Es ist der Geist der Kirchenväter, den man bei ihm findet. Oder „der Geist Christi“, wie eine der Pilgerinnen in dem Film berichtet. Sein Tagesablauf richtet sich nach einer festen Regel. Dabei folgt er dem Vorbild der Wüstenväter, die sich im dritten und vierten Jahrhundert in die ägyptische Wüste zurückzogen, um dort durch die Reinigung ihrer Herzen zur Schau Gottes vorzudringen. Diese Mönche der Frühzeit unterwarfen ihren Alltag einer gewissen Regel, die aber nicht von einem Vorgesetzten oder ihren Vorgängern für alle gleich festgeschrieben war. Es war eine selbstauferlegte Regel, die an die körperlichen und seelischen Eigenheiten des einzelnen Mönchs angepasst war.

Ruhige Seele in stiller Natur

So beginnt Altvater Gabriel den Tag in seiner Zelle mit dem Morgenlob. Den Vormittag verbringt er mit geistlicher Lesung und seiner Tätigkeit als Autor und Übersetzer. Das Mittagessen ist seine einzige warme Mahlzeit am Tag. Nachmittag und Abend bestehen aus körperlicher und seelsorgerischer Arbeit. Es brauche viel Zeit, um im gemeinsamen Gespräch in die Tiefen der Seele seiner geistlichen Kinder vorzudringen und ihnen mit gutem Rat und dem Sakrament der Buße beizustehen.

Wer Vater Gabriel sprechen hört, spürt etwas von der Ruhe, die er ausstrahlt. Es ist der Frieden, den die Welt nicht gibt. Ein Eindruck, der von der unberührten Natur der Alpen inmitten der er lebt und wirkt, verstärkt wird.

Seine literarische Tätigkeit hat neben Übersetzungen der Schriften von Evagrios Pontikos auch Anleitungen zum geistlichen Leben hervorgebracht. Letztere waren ursprünglich seinem einzigen Schüler gewidmet. Dieser lebte achtzehn Jahre lang bei ihm, bis er nach einer langen Krankheit schließlich verstarb. Mittlerweile sind seine kleinen Bücher zu den Lastern der Völlerei, des Zorns und einer gelangweilten Gleichgültigkeit (Akedia), zum Gebet und zur geistlichen Vaterschaft in viele verschiedene europäische Sprachen übersetzt worden. Dabei nimmt er sich selbst in seinen Werken sehr zurück und lässt meist Evagrios Pontikos und andere Väter der Wüste in wörtlichen Zitaten sprechen. Sie sind, zu Recht, ein echter Geheimtipp.

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Maja Maletzki Jesus Christus Kirchenväter Pilger Vaterschaft

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