Zurzeit häufen sich Berichte, Geistliche böten Beerdigungen eines Haustieres (gegen gutes Geld versteht sich) den „trauernden Hinterbliebenen“ an. Als ausgewiesener und vielfach erprobter Tierfreund lehne ich derartiges Fehlverhalten schärfstens ab. Der signifikante Unterschied zwischen Menschen- und Tierseele wird dadurch bagatellisiert, verwischt, ja geleugnet. Eben deswegen lohnt es sich, auf die köstlichen Erzählungen über die Freundschaft zwischen den Heiligen und ihren Tieren zu schauen.
In der Vita des angelsächsischen Heiligen Cuthbert v. Melrose (gestorben 687) heißt es, „dass ein Mensch, der selber treu und aufrichtig dem Schöpfer aller Dinge gehorcht, auch für seine eigenen Befehle und Wünsche Gehorsam bei den Geschöpfen findet. Wir verlieren die Herrschaft über die Kreatur, weil wir selbst es nicht mehr ernst nehmen mit dem Dienst des Schöpfers“ (Vita Cuthberti c. 13;c. 21).
Liebend im Dasein der unvernünftigen Geschöpfe wirken
Viele Legenden berichten mit erstaunlichem Tiefsinn von wunderbaren und gleichnishaften Begegnungen, von geschwisterlicher Eintracht zwischen Mensch und Tier. Da ist Franziskus, der durch den Reiz und die Schönheit der Kreatur hindurch Gott liebt. Im Gedenken an das Lamm von Golgatha wird er die Lämmer von der Schlachtung loskaufen. Mit dem Bruder Wolf trifft er eine Art Stillhalteabkommen und ermöglicht dem Raubtier ein Leben ohne Verfolgung. Bei seinem Tode fliegt ein singender Schwarm Lerchen über seine armselige Hütte. Da ist Cuthbert, dem die Ottern nach dem nächtlichen Gebet im eisigen Meere nicht nur die Füße lecken, sondern ihn auch mit ihrem Pelz erwärmen. Er redet mit den Vögeln und auf der dämonischen Farne-Insel gehorchen ihm die Raben wie Hunde.
Die selige Brigid rief die Wildenten vom Himmel, streichelte sie und gab sie wieder frei. Wir wissen vom Evangelisten Johannes, dem das Spiel mit einem Rebhuhn höchste Entspannung bot. J.G. Lemoyne berichtet in „Memorie biografiche“ die „Storia di un cane“ eine seltsame Geschichte vom „Grauen“, einem riesigen Hund, der Don Bosco in allen gefährlichen Lebenslagen geheimnisvoll beschützte.
Die Verhaltensforschung belehrt uns heute über menschliches und tierisches Verhalten, über Konditionierungen und Triebhandlungen. Von ungewöhnlicher Fühlung zwischen Mensch und Tier ist kaum mehr die Rede, ja man verweist sie in das Reich der Märchen. Und doch sind wir nicht nur aufgefordert, das Evangelium aller Kreatur zu predigen, sondern auch offen zu sein für die außerordentliche Macht einer sympathetischen Weltbeherrschung. Bei vielen Heiligen finden wir das Vermögen, liebend im Dasein der unvernünftigen Geschöpfe zu wirken.
Eine fast sittlich anmutende Freundschaft
Es ist, als würde ein solcher Mensch in den Urzustand zurückversetzt, als sei ihm die Gabe verliehen, mit Fischen und Vögeln zu sprechen, ja mit Macht den wilden Tieren zu gebieten. Wölfe, selbst Löwen werden gehorsame Diener. St. Gallus stellt den Bären in seinen Dienst. Der Abt Gerasimus heilt einen Löwen, der nicht mehr von ihm weicht, St. Makarius von Alexandrien wird von einer dankbaren Hyäne mit einem Schaffell beschenkt.
Nicht ein vernünftiges Verhalten der Tiere ist beim Erzählen solch frommer Legenden hervorgehoben, sondern der wundersame Gehorsam, ja die fast sittlich anmutende Freundschaft, die das Geschöpf dem mit Gott geeinten Menschen erweist. Was uns Heutigen vielleicht allzu kindlich erscheint, war im Bewusstsein der Alten oft Symbol guter oder böser Mächte. So wird beispielsweise die sich häutende Schlange als geheimnisumwittertes Wesen erfahren. Ihre Doppelzüngigkeit, der oftmals giftige Biss, das „Staub fressen müssen“, prädestiniert sie zum Tier des Paradiesverlustes, zum Todessinnbild. Schlangen und Skorpione werden zu Bildern des hinterlistig schleichenden Übels. Erinnert sei aber auch an die von Moses erhöhte Heilsschlange und an das Christuswort „seid klug wie die Schlangen“.
Das Verhältnis von Mensch und Tier ist in der Legende nicht von sentimentalem Gefühlsüberschwang geprägt, sondern weit eher eine „Befreiung vom Joch der Notwendigkeit“ (Carus, Psyche Kröners Taschenbuchausgabe S. 141). Das Erschreckende und Rohe der Tiernatur ist unter die erlösende Herrschaft des Erlösten gestellt. Nicht eine empfindsame Teilnahme oder gar die Flucht in die Tierliebe bei versagender Nächstenliebe wird hier gesucht und auch nicht der Selbstgenuss des Herrschens.
Anteil an der psychischen und seelischen Verfasstheit des Herrn
Es ist vielmehr Gott, der mithilfe der Kreatur die Herzen bewegt, ja den Menschen ehrt und somit auf das verheißene messianische Friedensreich hindeutet: „Beim Lamme wird verweilen der Wolf. Der Leopard lagert beim Böcklein, Kalb und Löwe mästen sich gemeinsam, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen lagern beisammen; der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt am Schlupfloch der Natter, nach dem Jungen der Viper greift das Kind mit der Hand.“ (Is. 11, 6-9)
Die Erfahrung zeigt, dass selbst der armseligste Straßenköter bei verständnisvoller und geduldiger Behandlung gewissermaßen Anteil erhält an der psychischen und seelischen Verfasstheit seines Herrn. Unzählig sind die Berichte, von treuen Tieren, die ihrem Herrn in den Tod folgen. Das Geheimnis des Einander-Brauchens, von dem Saint-Exupèry spricht, ist von rührender Eindringlichkeit. „Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt …“. (Der Kleine Prinz. Karl Rauch Verlag. Düsseldorf 1980. S. 49)
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