Klassizismus

„Berührende Formen“

Eine Ausstellung über den „Vater der Berliner Bildhauerschule“, Johann Gottfried Schadow, in der Alten Nationalgalerie Berlin.
Statuen des Johann Gottfried Schadow
Foto: RT | In seinem reichen Leben hatte er intensiven Kontakt zu anderen Künstlern wie Canova oder Dichtern wie Goethe und Schiller. Schadow gelang die Synthese von Antike und Natur.

Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor, eines der Wahrzeichen Berlins, gäbe es ohne ihn nicht. Und das berühmte Doppelstandbild der preußischen Prinzessinnen Luise und Friederike auch nicht – mit beidem ging Johann Gottfried Schadow (1764-1850) in die Kunstgeschichtsschreibung als einer der berühmtesten Künstler Preußens ein.

In der Alten Nationalgalerie ist dem erfolgreichen Hofbildhauer unter dem Titel „Berührende Formen“ noch bis zum 19. Februar eine Sonderschau gewidmet, die neue Perspektiven auf sein virtuoses Schaffen eröffnet. Dabei kann die Prinzessinnengruppe gleich unendlich viele Male betrachtet werden, da sie einerseits in der originalen Gips- und Marmorfassung von 1795 und 1797 in einem Spiegelsaal vielmals zu bewundern ist, aber auch in Terrakotta, in Biskuitporzellan, als Goldguss oder in einer modernen Variante in bunter Farbe von Hans-Peter Feldmann aus dem Jahr 2015.

Schadows Leben

Der Berliner Schadow war der älteste Sohn von fünf Geschwistern. Seine Vorfahren waren märkische Bauern und sein Vater wirkte als Schneider. Als junger Mann wurde er regelmäßig im Salon von Henriette Hertz eingeladen, die er auch porträtierte. Um seine Jugendliebe Marianne Devidels, Tochter eines Juweliers aus Wien heiraten zu können, floh er mit ihr als 21jähriger nach Rom und konvertierte dort zum katholischen Glauben. Hier wurde 1786 sein erster Sohn Ridolfo geboren, der wie sein Vater Bildhauer wurde. Sein zweiter Sohn Wilhelm, der spätere Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie wurde Maler. Beide sind im Doppelporträt in der Ausstellung mit dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen zu sehen.

Als Schadow nach Berlin zurückkehrte, konvertierte er wieder zum Protestantismus, um in den preußischen Staatsdienst eintreten zu können. Nach kurzer Anstellung in der königlichen Porzellanmanufaktur vollendete er das von seinem Lehrer Tassaert begonnene Grabmal für den im Jungenalter verstorbenen Grafen Alexander von der Mark. Dieser künstlerische Erfolg war der Beginn seiner Karriere unter insgesamt vier Königen, denn Schadow wurde 85 Jahre alt. Bereits mit 24 Jahren berief man ihn in die Akademie als einen von fünf Rektoren. Als Direktor des Oberhofbauamtes war er für die skulpturale Ausgestaltung aller öffentlichen Gebäude Berlins zuständig, also für das Stadtschloss und Schauspielhaus wie ebenso für das Brandenburger Tor. Als er 1815 Witwer wurde, heiratete er Henriette Rosenstiehl, eine der Töchter des Verlegers und Direktors der Königlichen Porzellan-Manufaktur. Mit ihr hatte er vier Kinder, darunter Felix, der auch Maler wurde. 17 Jahre nach dieser Hochzeit verstirbt seine zweite Frau.

Bildhauerische, grafische und kunsttheoretische Hauptwerke

In seinem reichen Leben hatte er intensiven Kontakt zu anderen Künstlern wie Canova oder Dichtern wie Goethe und Schiller. Schadow, der als Klassizist „Vater der Berliner Bildhauerschule“ genannt wurde, gelang die Synthese von Antike und Natur. Neben der Kunst interessierte er sich auch für Schach und Geschichte. Johann Gottfried Schadow hatte reichlich Schüler, zu ihnen zählte auch Christian Daniel Rauch (1777-1857), der ihn in vielen Werke künstlerisch beerbte, wie beim Sarkophag für die Königin Luise von Preußen (1814) oder dem Reiterstandbild von Friedrich dem Großen von 1851. Schadow der zudem ein feinsinniger, antinapoleonischer Satiriker und politischer Karikaturist war, soll einmal bemerkt haben, sein Ruhm sei in Rauch aufgegangen.

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Als der Künstler, der zum Mitglied von vielen Akademien in Europa berufen wurde und höchste Auszeichnungen, wie den Orden Pour le Merite erhielt, am 31. Januar 1850 auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt wird, befindet sich unter dem großem Trauerzug auch der preußische König Friedrich Wilhelm IV.
Die Sonderausstellung in Berlin stellt in elf Kapiteln Schadows bildhauerische, grafische und kunsttheoretische Hauptwerke vor. Seit der letzten Retrospektive vor fast 30 Jahren, sind viele neue Erkenntnisse zu Künstler, Werk, Werkstattbetrieb und Arbeitsmethoden bekannt geworden.  Das wird besonders in dem ausgezeichneten Katalogband des Hirmer-Verlages (320 Seiten im Museum 39, 90 Euro) dokumentiert. Neben zahlreichen internationalen Leihgaben, darunter plastische Bildwerke, Gemälde und Grafiken sowie kunsttheoretische Schriften werden auch Arbeiten von Zeitgenossen Schadows wie Gainsborough, Tischbein, Weitsch oder Begas präsentiert.

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