Sprachbilder, Metaphern, Übertragungen des Sinnes von der einen in die andere Dimension sind eine wunderbare Erfindung. In Athen heißen die öffentlichen Verkehrsmittel „metaphorai“, weil sie von hier nach dort bringen, „über-tragen“. Das Sprachbild sollte aber dem nicht widersprechen, was man ausdrücken möchte; in diesem Fall nennt man die Metapher „verunglückt“.
Die Bilder sollen den Sinn erhellen, näherbringen (bei manchen Dichtern auch verfremden, entfernen), aber nicht in eine babylonische Sprachverwirrung stürzen. Suchen wir nach Metaphern für spirituelle Erfahrungen, dann liegt es nahe, an innere Verwandlungen zu denken. „Plötzlich war alles verklärt.“ Man weiß nicht, wie es geschieht; die Perspektiven, alle, haben sich merkwürdig verschoben, und nicht nur die intellektuellen, sondern jene, die das Leben selbst betreffen, das nun, von einer Art durchbrechendem Licht, in eine andere Ordnung gerückt ist. Bestimmt gibt es noch tausend andere Arten, davon zu berichten.
Ein Verrat an der Spiritualität
Nur eine mag ich nicht hören: Es ist die Metapher vom „spirituellen Auftanken“, oder von Kirchen als „Tankstellen“. Wie von einer Pandemie angetrieben verbreitet sich diese Redeweise im kirchlichen Bereich unaufhaltsam.
Aber der Trend ist nicht nur konfessionsübergreifend, indem katholische wie protestantische Einrichtungen sich als Tankstellen anpreisen, sondern auch Yoga-Gruppen fällt nichts Besseres ein; am unteren Ende findet man die vagen Weisheitssprüche („Tagträumen ist nicht verlorene Zeit, sondern Auftanken der Seele.“) Eine Diözese bietet eine Broschüre an, die den schlichten Titel „Auftanken“ trägt. Sogar ein „gutes und nachhaltiges Auftanken“ wird versprochen. Das Auftanken diene dazu, „um weg von der Hektik des Alltags in die Ruhe zu kommen“. Von „spirituellen Tankstellen“, die ein Bistum ausweise, hört man aus einer andern Stadt. Schließlich gilt es in der Spiritualität, „den inneren Akku aufzuladen“, wie ein weiterer Anbieter erklärt. Nun erkennt man den Verrat an der Spiritualität, der sich hier abspielt. Ein ihr wesensfremder Sinn wird ihr zugespielt: Sie soll der fortgesetzten Leistungsfähigkeit dienlich sein. Das „um–zu“, das man ihr zuspricht (die unbedingte Arbeit) ist nicht ihres.
Äußere Kraftsteigerung kann nicht das Ziel sein
Man tankt (wenn man wirklich tankt), gerade für die Bewegung, für die im Idealfall ununterbrochene Hektik und nicht für die Ruhe; irgendetwas stimmt hier nicht. Der Mensch ist nämlich kein Auto. Er ist überhaupt nichts Technisches. Vielleicht steckte ursprünglich der Gedanke „Kraft schöpfen“ in dem Bild von der Tankstelle, das zwischen dem Technischen und dem Spirituellen vermitteln soll. Es ließe sich aber mit besseren Gründen sagen, dass, wo von Spiritualität wahrhaft die Rede sein soll, gerade nicht die äußere Kraftsteigerung das Ziel sein kann wie bei einem Energy-Drink. Vielleicht ist es sogar umgekehrt und es geht um ein Nachlassen-Können der Kräfteanspannung.
Eine Kraft gibt es wirklich, für die der Motor eine gute Metapher abgibt: Der Bewegungsapparat des Menschen wird der „motorische“ genannt. Motorik braucht Stoffe, die sie antreiben. Aber mehr noch braucht sie wohl Motive. Selbst die bloße Leistung ist vom Kraftstoff her nicht zu verstehen, sondern primär aus dem Motiv, etwas Seelischem (das sich dann die nötige Nahrung sucht). Spiritualität lässt sich nicht in einer Sprache der Leistung beschreiben, hier gibt es keine PS, und deshalb sind Kirchen keine Tankstellen. Wird das Verhältnis von Kraftstoff und Leistung zur alles übergreifenden Metapher für den Menschen, dann hat der Glaube schon verloren.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe