Ungeschminkt

Es werden Doppelstandards angelegt

Die richtige Haltung ist der ethische Bodensatz im Zaubertrank der versenkten Prinzipien.
Franz-Josef Bode, Bischof Osnabrück
Foto: Sebastian Gollnow (dpa) | Belastet aber mit korrekter Haltung: Franz-Josef Bode, Vizepräsident des Synodalen Weges, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof von Osnabrück wird seitens vieler Medien ...

Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch nicht das Selbe. Im Zeitalter moderner Doppelstandards kommt es nicht mehr darauf an, was man tut, sondern wer es tut und mit welcher Gesinnung. Und schon kann aus einem moralischen Totalausfall ein beispielhaftes Verhalten werden. Wenn Sie etwa einen Baum fällen, einfach nur weil er Schatten auf Ihr Haus wirft, ist das hochgradig verwerflich. Wenn Sie den halben Wald roden, um im Naturschutzgebiet ein Windrad aufzustellen, ist es nachhaltig und gut. Der Baum versteht das.

„ Wenn jedoch Bischof Bode in Osnabrück in erschreckender Klarheit
von Gutachtern Amtsversagen über zwei Jahrzehnte bescheinigt bekommt,
bleibt es im Blätterwald still“

Die richtige Haltung zu einem Problem ist das Allerwichtigste. Es ist der ethische Bodensatz im Zaubertrank der versenkten Prinzipien. Zahlreiche Akteure in Sport, Politik und Kirche machen vor, wie man sich von lästigen roten Linien und Tabus befreien kann, wenn man alles mit passenden Doppelstandards belegt. Nehmen wir die Fußball-Nationalmannschaft. Hier wird gemeinsam gekniet für die Rechte der Schwarzen, Zeichen gesetzt gegen Rassismus, Homophobie und „Rechts“.

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Spielt man gegen den „Schurkenstaat Ungarn“, wickelt man sich in Regenbogenfahnen und trägt „Pride“-Armbinden aus Solidarität mit den Massen an Frauen und Schwulen, die von Orbán persönlich unterdrückt werden. Spielt man eine WM in Katar, wo Zwangsarbeiter Stadien bauen, in die Frauen nicht mal reindürfen und wo man Homosexualität mit Gefängnis bezahlt, dann halten DFB & Co. die Augen weit geschlossen und basteln eine neue „One-Love“-Armbinde, um die zahlungskräftigen Mullahs nicht zu verärgern. Darauf ist die Regenbogenfahne so weit unkenntlich, dass die westliche Unterwerfung glaubhaft ist.

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Gemessen wird mit zweierlei Maß

In der Energiepolitik ist russisches Gas moralisch nicht mehr importierbar, weil Putin die Werte westlicher Demokratien nicht teilt. Das Gas aus Saudi-Arabien oder den VAE wird jedoch durch neue Doppelstandard-Filter blütenrein wie morgendliche Almluft. Dafür buckelt Robert Habeck vor Scheichs und pflanzt Kanzler Scholz symbolische Bäume in der Wüste. Menschenrechte, Frauenrechte, Homorechte – man muss halt Abstriche machen.

Das denken sich sicher auch jene Medien, die im Namen der Missbrauchsaufklärung keinen Halbsatz von Kardinal Woelki unkommentiert und keine eidesstattliche Versicherung unangezweifelt lassen, um, flankiert durch Strafanzeigen priesterlicher „Brüder“, den Bischof in einer Art Treibjagd durch Köln und möglichst aus der Stadt hinaus zu jagen. Zwar kann man es nicht nachweisen, aber irgendwie muss er ja schuldig sein. Wenn jedoch Bischof Bode in Osnabrück in erschreckender Klarheit von Gutachtern Amtsversagen über zwei Jahrzehnte bescheinigt bekommt, bleibt es im Blätterwald still.

Blind aber mit Lernkurve

Schließlich hat Bode versichert, er sei „blind gewesen“ und habe jetzt eine Lernkurve hinter sich. Das reicht immer noch zum Vize in der Bischofskonferenz und im Präsidium des Synodalen Weges, und um jenen Missbrauch aufzuklären, den man selbst vertuscht hat. Die Kirche hat neben der Wandlung von Brot und Wein jetzt also auch die Bischofs-Wandlung mit ins moralische Repertoire aufgenommen.

Der nächste Belastungsstufe des deutschen Gutbürgertums wartet aktuell bei der Frage, wie man mit dem Wahlsieg der „faschistischen“ Giorgia Meloni in Italien umgeht. Während der Verzicht auf russischen Wodka den meisten nicht schwerfiel, darf man gespannt sein, ob die Toskana-Fraktion nun beginnt, den Lieblingsitaliener zu boykottieren. Alles nur eine Frage der richtigen Haltung.

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