Erfahrungen des Heiligen: Die Musik des Krzysztof Penderecki

Krzysztof Penderecki zum 85. Geburtstag. Von Barbara Stühlmeyer
Krzysztof Penderecki
Foto: dpa | Komponist und Regisseur: Die Musik von Krzystof Penderecki wird auch zunehmend von Filmmusikkomponisten entdeckt.

Er ist einer jener Vertreter der neuen Musik, deren Name mehr als einem kleinen Kreis von Spezialisten bekannt ist und zugleich ein Komponist, dessen durchdacht konzipierte Werke im besten Sinne des Wortes bei den Menschen ankommen. Krzysztof Penderecki gilt daher zu Recht als einer der führenden Komponisten der polnischen Avantgarde.

Beliebt und umstritten

Zugleich ist der Musiker unter seinen Kollegen gerade aufgrund seiner Popularität höchst umstritten. Denn er entschied sich nach einer langen Phase des Suchens, Findens und wieder Verwerfens für eine Musiksprache, die mit Klangflächen arbeitet und weniger auf Provokation als vielmehr auf Ausdruck und Atmosphäre setzt. Ähnlich wie Gyögy Ligeti, Friedrich Cerha oder Karlheinz Stockhausen, die ebenfalls als Vertreter der sogenannten Klangkomposition gelten, arbeitet auch Penderecki mit akustischen Instrumenten und vermeidet den Einsatz elektronischer Mittel.

Das Suchen und Finden neuer Klänge

Der Stil Pendereckis ist von einer steten Auseinandersetzung mit den Formen, Stilen und Harmonien der Vergangenheit geprägt. Er schreibt: „Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, neue Klänge zu suchen und zu finden.“ Das stetige Studium der Werke der Romantiker, Klassiker, des Barock und des Mittelalters führte schließlich zur Ausbildung seiner ganz eigenen, charakteristischen Musiksprache. Nach Experimenten mit Vierteltonintervallen, Clusterbildung und verfremdeten Spiel- und Singweisen, die sich dem Geräuschklang annäherten, fand Penderecki in den 1970er Jahren zu der kompositorischen Stilrichtung, die beispielsweise sein im Auftrag des Toronto International Choral Festival 2002 komponiertes und am 31. Mai desselben Jahres in Toronto vom Toronto Children's Chorus unter der Leitung des Komponisten uraufgeführtes Sanctus und Benedictus auszeichnet: der neoromantischen, tonal gebundenen Tonsprache.

Rückbindung an den gregorianischen Choral

Das Prinzip der vielfach parallelen Stimmführung im Sanctus zeigt die Rückbindung der Komposition an den gregorianischen Choral. Formal orientiert sich Penderecki in diesen beiden Werken, die hier stellvertretend für den Stil seiner Kirchenmusik stehen können, an den Motetten Maurice Duruflés, die sich ebenfalls durch ihren schwebenden Charakter und ihre Verwurzelung in den Ausdrucksformen des Gregorianischen Chorals auszeichnen.

Das Moment des sich Berührens von Himmel und Erde

Der wortgebundene Charakter des Werkes, der gleichwohl weniger am Wortakzent als am emotionalen Gehalt der Worte und ihrer inneren Bewegung offenbar wird, zeigt sich besonders an der Behandlung des Taktschemas. Penderecki wählt hier den traditionell mit dem dreimal Heilig verknüpften Dreivierteltakt. Durch die Art und Weise der Melodiebildung hebt er das Taktschema aber zugleich auf und verweist so auf die grenzüberschreitende Erfahrung des Heiligen. In der Verwobenheit von Dreiviertelakt und vierzahligem Melodieschema verwirklicht der Komponist das Moment des sich Berührens von Himmel und Erde, das im Singen des Sanctus in der Liturgie erfahrbar wird. Penderecki erfüllt mit der gemäßigt modernen, gregorianikbasierten Tonsprache dieses Werkes in vollem Ausmaß die Forderung des Zweiten Vatikanischen Konzils, den Choral zum Bezugspunkt neuer Kompositionen zu machen und ist deshalb eine Bereicherung für Liturgie und Konzert.

Der frühe Kontakt mit Musik

Wie viele Komponisten kam auch der am 23. November 1933 in Dêbica geborene Krzysztof Penderecki schon früh mit Musik in Kontakt. Dem Violin- und Klavierunterricht durch den Vater folgten ein Studium der Komposition an der Krakauer Musikakademie sowie das Studium der Philosophie, der Kunst- und Literaturgeschichte an der dortigen Universität. Penderecki lehrte nicht nur in seiner Heimatstadt Komposition, wo er neben einer Professur zeitweise auch das Rektorat der Musikakademie innehatte, der fließend deutsch sprechende Tonkünstler lehrte zwischen 1966 und 1968 auch an der Folkwang-Hochschule Essen.

Vier entstandene Opern

Neben seinen geistlichen Werken entstanden auch vier Opern, darunter die Vertonung des Versepos „Paradise Lost“ von John Milton, einer Nacherzählung der Schöpfungsgeschichte. Ein bemerkenswertes Sujet liegt auch seiner Oper „Die Teufel von Loudun“ zugrunde, deren Libretto Penderecki auf der Grundlage von Aldous Huxleys „The Devils of Loudun“ schrieb. Der 1952 entstandene Roman basiert auf einem historischen Stoff, einem 1634 gegen den Priester Urbain Grandier geführten Prozess, in dem die Nonnen eines Ursulinenklosters der Besessenheit beschuldigt und exorziert werden.

Eingang in Filme wie der „Exorzist“

Den religiösen Fanatismus, der sich in Loudun Bahn bricht, entfaltet Penderecki in diesem 1969 entstandenen Auftragswerk der Hamburger Staatsoper in Relation zur Zeit des Nationalsozialismus, der seine Kindheit geprägt hat. 2013 entstand eine neue Version dieser Oper, die am 12. Februar in Kopenhagen Premiere hatte. Pendereckis Werke fanden aufgrund ihrer Expressivität immer wieder Eingang in Filme wie beispielsweise der „Exorzist“.

Grammy Arward in 2001

Seine zahlreichen Orchesterwerke haben oft Anklänge an sakrale Musik, so das Adagietto aus „Paradise Lost“, eine Bearbeitung für Orchester, oder die 1994 erstellte Streichorchesterfassung des Agnus Dei aus seinem 1980 entstandenen „Polnischen Requiem“. Sein Credo erhielt 2001 den Grammy Award für die beste Choralkomposition.

Themen & Autoren
Aldous Huxley Avantgarde Karlheinz Stockhausen

Weitere Artikel

Seine Inspirationsquelle war der Gregorianische Choral. Zum Tod des polnischen Musikers Krzystof Penderecki.
02.04.2020, 08 Uhr
Barbara Stühlmeyer
Ein Verteidiger der Gregorianik: Für Sven Scheuren, Kantor an der Wallfahrtskirche St. Maria in der Kupfergasse in Köln, ist der lateinische Gesang eine Schule des Gebets und der Demut.
05.09.2021, 15 Uhr
Regina Einig

Kirche

Wegen Überfüllung geschlossen: 16000 Pilger aus 28 Ländern wandern am kommenden Wochenende zu Fuß von Paris nach Chartres.
28.05.2023, 13 Uhr
Franziska Harter
In der 56. Folge des Katechismuspodcasts mit der Theologin Margarete Strauss geht es um die Frage, wie der Mensch mit der Vorsehung zusammenarbeitet.
27.05.2023, 14 Uhr
Meldung
„Das war die Vorsehung!“ Aber was genau ist das eigentlich? Dieser Frage widmet sich Theologin Margarete Strauss in der 55. Folge des Katechismuspodcasts.
26.05.2023, 14 Uhr
Meldung
In der 54. Folge des Katechismuspodcasts geht es mit Theologin Margarete Strauss um die Schöpfungstätigkeit Gottes.
25.05.2023, 18 Uhr
Meldung
Historisch, theologisch, spirituell: Welche Aspekte laut "Premio Ratzinger"-Preisträger Ludger Schwienhorst-Schönberger eine zeitgemäße Bibelwissenschaft auszeichnen. 
27.05.2023, 17 Uhr
Ludger Schwienhorst-Schönberger