Eine evangelische Dompredigerin in Braunschweig hat das Zeug, uns Katholiken Mores zu lehren. Was ist passiert? Am Dom gab es einen Kantor und Leiter der Kinder-Singschule: Gerd-Peter, verheiratet mit einem Mann. Evangelisch gehört das ja lange schon zum bürgerlichen Repertoire. Die beiden wollten eine Familie gründen – mit süßen kleinen Babys und allem Drumherum. Sie unterzeichneten einen Vertrag mit einer Klinik in Bogotá, nahmen Kontakt zu Fernanda und Tatjana auf – „Leihmütter“ aus selbstloser Menschenliebe – und lieferten vor Ort schon mal Sperma ab.
Spielverderberin in diesem Fall war die mutige Braunschweiger Dompredigerin Cornelia Götz, die den Domkantor feuerte. Bevor dem Leser die falschen Tränen an der falschen Stelle kommen: Leihmutterschaft ist zynisch und menschenunwürdig – trotz Elton John, Kim Kardashian, Sarah Jessica Parker und Tyra Banks, wobei man die Causa Michael Jackson gar nicht erst betrachten muss. Leihmutterschaft ist nicht hip, sondern ein Verbrechen. Ein Verbrechen am Kind, das um eine reale Mutter betrogen wird, sie nie kennenlernt und ihrer gebärenden „Mutter“ entrissen wird.
„Die ethische Anerkennung von praktizierter Homosexualität
– Kardinal Marx im Stern –
führt am Ende notwendig zur Anerkennung auch ,reproduktiver Rechte‘“
Es ist ein Verbrechen an der Geburtssklavin, die an ihrer intimsten Stelle - der Gabe, in symbiotischer Nähe zum Kind Leben zu schenken – missbraucht wird oder sich aus ökonomischer Not missbrauchen lässt. In jedem einzelnen Fall geht es um Produktion von Menschen auf Wunsch anderer. Und da es oft Frauen in bitterarmen Ländern sind, die sich für diese körperlich-seelische Expropriation hergeben, ist die Bestellung aus Hollywood oder Braunschweig auch ein Akt von Neokolonialismus, vergleichbar der Ausbeutung asiatischer Leiharbeiter oder Textilarbeiterinnen, nur schlimmer.
Evangelisch und weit weg? Martin Brüske kommentierte den Fall und zog die dabei die katholischen Linien aus: „Die Grenzsetzung ehrt die Dompredigerin und den Landesbischof. Natürlich ist die Kündigung inkonsequent. In ihrer (!) Logik ist der Einwand des schwulen Paars nämlich stichhaltig: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer ,Ehe für alle‘ sagt, muss am Ende auch ,reproduktive Rechte‘ in alle Richtungen zugestehen. Wer meint, man könne die ,Ehe für alle‘ als monogame Ehe ohne Kinder konstruieren – der hat schlicht nicht verstanden, was er tut und welche fundamentalen Annahmen er dabei notwendig setzt.
Die selige Inkonsequenz arbeitsrechtlicher Grenzenlosigkeit
Mit den arbeitsrechtlichen Selbstverpflichtungen ist man katholisch schon über die selige Inkonsequenz von Dompredigerin und Landesbischof hinaus. Wer stolz erklärt, dass einen die persönliche Lebensführung seiner Mitarbeiter ab jetzt nichts mehr angehen darf und soll, für den wird – diesseits der Grenzen des Sexualstrafrechts – eine Grenzsetzung im Grunde unmöglich. Die ethische Anerkennung von praktizierter Homosexualität – Kardinal Marx im Stern – führt am Ende notwendig zur Anerkennung auch ,reproduktiver Rechte‘. Es gibt keine Anerkennung ,auf katholisch‘ (monogam, treu, kinderlos). Eine solche Annahme ist naiv oder dumm. Man sieht: Die Änderung des Arbeitsrechts ist eine implizite Lehrentscheidung mit weitreichenden Konsequenzen.“
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