Es ist noch nicht lange her, da konstatierte und beklagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in einer Rede vor Journalisten die „erstaunliche Homogenität“ und den „Konformitätsdruck“ in den Medien der Gegenwart. Nun, wenn dies das Problem ist, so kann jetzt Entwarnung gegeben werden. Seit Anfang November sendet der russische Auslandsnachrichtensender „Russia Today“ (RT) ein deutsches Programm aus. Auf der eigenen Webseite (www.rtdeutsch.com) und mit einem Youtube-Kanal wird einem bei „RT Deutsch“ die Welt aus Sicht des Kremls erklärt – und allzu viel Homogenität mit anderen Auslandsnachrichtensendern wie BBC World Service, CNN oder Deutsche Welle TV ist dabei nicht festzustellen. So erfährt man beispielsweise bei „RT Deutsch“ derzeit, warum die „EU-Sanktionsfront gegen Russland bröckelt“, die Bundeskanzlerin im Zeichen des „digitalen Klassenkampfes“ das „Zwei-Klassen-Internet“ will oder dass der „NATO-Geheimdienst“ vor „falscher Einschätzung der russischen Ukraine-Politik“ warnt.
Doch so dramatisch und einseitig diese Headlines auch sein mögen, umso charmanter werden die dazu passenden Berichte serviert. Weiß man im Kreml doch spätestens seit dem Fall der früheren russischen Agentin Anna Chapman, die 2010 in den Vereinigen Staaten als russische Spionin enttarnt und von der amerikanischen Bundespolizei FBI verhaftet wurde und seitdem auch in der westlichen Berichterstattung mit viel Sympathie und Interesse begleitet wird, dass offenbar nichts so sehr dafür geeignet ist, Propaganda und Ideologien zu verpacken, wie weibliche Reize. Und so erscheint die junge, attraktive „RT Deutsch“-Moderatorin und Anchor-Frau Jasmin Kosubek in ihrer täglich ausgestrahlten Sendung „Der fehlende Part“ denn auch als „Putins schönes Gesicht für Deutschland“ (Münchner Merkur) – zumeist in Schuhen mit sehr hohen Absätzen und modischen Röcken, deren Länge den Sendetitel visuell unterstreichen.
Mehr zu zeigen als zu verhüllen, darum geht es Kosubek, die Marketing und Wirtschaftswissenschaften studiert hat, offenbar auch bei den Gesprächen mit ihren Studiogästen. Etwa beim Gespräch mit dem früheren RBB-Journalisten Ken Jebsen, mit dem sie zusammen etwas penetrant und nicht um Ausgewogenheit bemüht das ARD-Interview mit Russlands Präsident auswertete sowie das G20-Treffen in Australien, bei dem man aus Sicht Kosubeks „unhöflich“ mit Putin umgegangen sei.
Auch bei den Außenreportern, die der jungen Frau für Interviews und Berichte helfend zur Seite stehen, ist aufgrund ihres jungen Alters und der damit verbundenen fehlenden Berufserfahrung, eine gewisse Skepsis angemessen. Der in der Schweiz geborene Nicolaj Gericke etwa, der zum Deutschlandstart von RT den früheren FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte interviewte, kann außer seinen RT-Aktivitäten eigentlich noch keine journalistische Erfahrung vorweisen, und die blonde Lea Frings verfügt zwar über ausreichend Tattoos sowie „antikapitalistische“ und „antifaschistische“ Ansichten, wie ihr Facebook-Auftritt zeigt, doch ob das genügt, um wirklich professionelle Aufklärung zu leisten über das, was aus ihrer Sicht in Europas Wirtschaft und Politik schiefläuft?
Fazit: Während die westlichen Leitmedien den russischen Präsidenten vielleicht, wie es von Russland-Kennern a la Peter Scholl-Latour oder Gabriele Krone-Schmalz mokiert wird, zu einseitig zeigen, indem sie ihn dämonisieren, antwortet „RT Deutsch“ nun seinerseits einseitig, indem man Putin nur positiv darstellt. Ein großer Fortschritt in Richtung Wahrheitsfindung ist das bei aller Homogenitäts- und Konformitätsaufweichung noch nicht.