Wegen Gendersprache aus der Kirche austreten? Diesen Plan hat jetzt Walter Krämer, Professor an der Fakultät für Statistik der Technischen Universität Dortmund, dem Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, in Aussicht gestellt.
„Guter Gott, der du uns Vater und Mutter bist“
Denn das Bistum will durch eine „Handreichung“ an die Gläubigen deren Sprache verbessern, also genderkonform machen. In einem Brief an Bischof Wilmer schreibt Krämer über die vom Bischof zu verantwortende Broschüre „Geschlechtersensible Sprache – Handreichung für dasBistum Hildesheim“, er sei enttäuscht und entsetzt über das „würdelose Anbiedern“ der Kirche an den Zeitgeist; nach 72 Jahren würde Krämer nun Ende des Jahres aus der katholischen Kirche austreten, wenn Wilmer kein Argument dagegen zu bieten habe.
„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Seit siebzig Jahren, seit dem Hauptwerk des Philosophen Ludwig Wittgenstein, hat man sich diese Denkweise zunehmend angewöhnt. Aber was ist schon die Sprache gegen die Metaphysik? Dass aber die Sprache nur etwas Innerweltliches ist, scheint in der Kirche nicht zu stören. Denn immerhin wird der Sprache die Bedeutungsänderung metaphysischer Gehalte zugestanden.
Die Broschüre widmet dem Abdruck des Satzes „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“ immerhin eine ganze Seite. In diesem Sinne soll man statt „Gott Vater“ sagen „Guter Gott, der du uns Vater und Mutter bist“. Krämer ist auch Vorsitzender des VDS (Verein Deutsche Sprache) und Sprecher der „Stiftung Deutsche Sprache“. Als Träger des Deutschen Sprachpreises weiß er, dass Sprache Inhalte verändert.
So wird ihm auch nicht gefallen, dass die Handreichung vorschlägt, dass aus dem „Herr“ in der Liturgie mit Blick auf die hebräische Bibel ein geschlechtsneutrales Gotteswesen wird, weder Mann noch Frau; geschlechtsneutral ist auch Buddha. Religion wird so zur Sprachphilosophie, deren Inhalte beliebig sind. Für den einstigen Messdiener und seit „Dutzenden von Jahren Mitglied des Verbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung“ ist die Gendersprache auch „behinderten- und fremdenfeindlich“ und der katholischen Kirche „unwürdig“.
Für Krämer war die Kirche ein „Fels in der Brandung“ des Zeitgeschehens, wie er schreibt. Als einer, der sich für die Sprache engagiert, weiß er, dass mit Wortveränderungen der Sinn des Glaubens entstellt werden kann. Und er weiß von einer höheren Ordnung, der die Sprache erst gemäß sein soll. Diese Ordnung wird nicht durch Sprache begrenzt. Wird der Bischof nun Krämer noch die Hand reichen, um ihn in der Kirche zu halten?
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