Die Corona-Pandemie hat schon im vergangenen Jahr offenbart: Wer digital gut aufgestellt ist, kann schnell und flexibel auf unerwartete Herausforderungen reagieren und bleibt auch in Krisensituationen handlungsfähig. Im Gegensatz zu vielen Unternehmen war der Bildungssektor in Deutschland auf eine solche Situation zu wenig vorbereitet. Und leider gibt es bis heute keine Lösung, mit der in Deutschland eine Langzeit-Strategie für das digitalisierte Schulwesen etabliert werden konnte.
Meistens wurde in der Regel nur sehr kurzfristig gedacht und eher auf Materialien zurückgegriffen, die im Markt vorhanden waren. Man versuchte, das Beste aus der Situation zu machen, doch der Blick in die Zukunft fehlte. So wurde mal in den Kauf von Tablets investiert, ein anderes Mal wurden Server angeschafft, um eine IT-Struktur für Schulen aufzubauen oder PCs für Lehrer gekauft.
Andere investierten in den Kauf von Routern oder setzten auf Vernetzung der Schulklassen. Kurzum: Alle Bemühungen blieben Stückwerk, ein ganzheitliches Konzept für die digitalisierte Schule fehlte und fehlt bis heute. Die vielen Unterrichtsausfälle während der Corona-Krise haben diese Schwäche gnadenlos aufgezeigt.
Viel Geld aus der Politik
Der Digitalpakt Schule, den Bund und Länder im Frühjahr 2019 beschlossen haben, sollte genau bei diesen Fragen helfen. Fünf Milliarden Euro vom Bund, 500 Millionen von den Ländern – damit soll bis 2024 an die Schulen kommen, was diese brauchen, um zeitgemäßen Unterricht zu machen: schnelles Internet und WLAN, Software wie Lernplattformen oder Cloud-Dienste und die dazugehörige Infrastruktur, digitale Endgeräte wie Laptops, Tablets, digitale Tafeln. Geld ist also vorhanden, aber warum läuft die Umsetzung immer noch so schleppend?
Seit bekannt ist, dass der Bund Fördermittel bereitstellt, haben einige Bundesländer Geld abgerufen, dieses jedoch nicht in eine ganzheitliche Lösung investiert, sondern dafür eingesetzt, die vorhandene Situation im Schulalltag durch Einzelmaßnahmen zu verbessern. Inzwischen haben einige Bundesländer verstanden, dass dies nur kurzfristig Hilfe bringt und damit angefangen, für das Schuljahr 2021/2022 ein nachhaltiges Konzept zu erstellen, sich langfristig mit dem Problem auseinanderzusetzen und insbesondere die Digitalisierung in den Vordergrund zu stellen.
Digitale Schulplattform
Einige Akteure in der freien Wirtschaft haben sich mit dieser Problematik ebenfalls auseinandergesetzt und kommen zu dem Ergebnis, dass eine digitale Schulplattform benötigt wird, die alle nur denkbaren Prozesse und die daran Beteiligten wie Schüler oder Lehrkräfte darin vereint.
Ein IT-Unternehmen aus Rheinland-Pfalz geht in seinen Überlegungen noch einen Schritt weiter: Auf Basis des sogenannten EVA-Prinzips – ein Grundprinzip der elektronischen Datenverarbeitung – hat das Unternehmen alle Beziehungen zwischen Schulbehörde, Schulverwaltung, Lehrern, Schülern und Eltern analysiert und bietet eine Plattform-Lösung für die digitale Schule an. Das gibt es in diesem Umfang bisher so nicht in Deutschland. „Die Integration aller Zielgruppen (Schüler, Eltern, Lehrer, Schulverwaltung und Schulbehörde) in eine einzige Schulplattform ist einzigartig“, sagt Rolf Lutzer, zuständig für die Entwicklung der Plattform.
Gute Infrastruktur erforderlich
Betrachtet man die Herausforderung der nachhaltigen und umfassenden Digitalisierung von Schulen mit Blick auf ein Bundesland, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden, um eine erfolgreiche Schulplattform zu etablieren.
Voraussetzung dafür wäre zum Beispiel eine gute Anbindung aller Schulen und Elternhäuser an schnelles Internet durch infrastrukturelle Vernetzung mit Kabel oder WLAN. Jede Schule müsste ein Intranet für die Vernetzung aller Schüler und Lehrer zur Verfügung stellen. Damit dies auch funktioniert, ist ein leistungsstarker Router Voraussetzung. Die Hardware-Ausstattung mit PCs, Tablets und Smartboards für Schüler im Elternhaus und für Schulen ist für das reibungslose Funktionieren genauso wichtig wie eine Software als Schulplattform. Sie kann nämlich Menschen miteinander vernetzen durch Video-Konferenzen, Lernplattformen, MS Office oder Schulverwaltungssoftware. Steht dann die für die Hardware und die eingesetzte Software unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten die entsprechende Rechnerleistung zur Verfügung, kann die Schulplattform an den Start gehen.
Natürlich muss eine solche Schulplattform – egal von welchem Anbieter – die Souveränität der Schulen und die Akzeptanz der Benutzer gewährleisten. Es darf kein zusätzlicher Aufwand für Lehrer entstehen – etwa durch den Aufbau virtueller Klassen als Lernplattformen. Funktionen zur Erleichterung der Arbeit (E-Kursheft für Lehrer, E-Stundentafel, E-Schulheft oder E-Notenbearbeitung) müssen vorhanden sein. Und die Integration von Schulbehörden und Eltern in der Plattform muss möglich sein.
Dezentralität gegen flächendeckende Blackouts
Historisch bedingt hat jede Schule verschiedene Software-Systeme im Einsatz, die nicht kompatibel sind, sie sollen zunächst in die Schulplattform integriert und langfristig vereinheitlicht werden.
Zurzeit wird oft leider von einer Lernplattform für alle Schulen gesprochen. Gibt man jedoch jeder Schule eine eigenständige Schulplattform, fallen bei Problemen nicht alle Schulen aus, sondern nur die eine, die Lasten sind dann verteilt. Ein Konzept, das diese Punkte berücksichtigt, bietet eine umfassende Lösung als nachhaltige Strategie für die digitale Schule.
Parallel zur Realisierung von digitalen Schulen ist die Entscheidung über den gemeinsamen Aufbau von Bibliotheken für Lernvideos und Unterrichtsmaterialien auf der länderübergreifenden Bildungsmedieninfrastruktur-Plattform SODIX ein positiver Beitrag und wichtiger Schritt der Kulturministerien. Was in allen bisherigen Ansätzen für eine Schulplattform noch fehlt, ist eine Möglichkeit zur Bewertung von Unterrichtsmaterialien.
Viele neue Lösungsansätze
Bei der großen Zahl an Dokumenten könnte so aus einer ganzen Menge an Informationen herausgefunden werden, welche am besten geeignet sind. „Am besten geeignet“ ist dabei nicht gleichzusetzen mit „die besten“, denn die Anforderungen können sich von Lehrkraft zu Lehrkraft, von Klasse zu Klasse, von Situation zu Situation deutlich unterscheiden. Lehrkräfte kennen diese Herausforderungen. Sie waren bislang ein Grund für die geringe Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften.
Durch die Digitalisierung stehen auf einmal so viel mehr mögliche Lösungsansätze zur Verfügung, dass die Zusammenarbeit, digital unterstützt, plötzlich auch für Lehrkräfte Sinn ergibt. Davon können alle Schulen profitieren, Lehrkräfte ihre Ressourcen noch effizienter einsetzen und Schüler den für sie bestmöglichen Unterricht genießen.
Wissensfabrik
Eine Langzeit-Strategie für die digitale Schule ist auch ganz im Interesse der „Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland e.V.“, einem Zusammenschluss von rund 130 Unternehmen und Stiftungen aller Branchen und Größen, die gemeinsam das Ziel verfolgen, die Innovationskraft Deutschlands nachhaltig zu sichern. Axel Jentzsch, Leiter Bildung der Wissensfabrik e. V. meint hierzu: „Wir begrüßen die Bemühungen des Bundes um eine Langzeit-Strategie für die digitale Schule. Innovative Lösungen, wie etwa die digitale Schulplattform Portal4School, sind ein wertvoller Beitrag der Wirtschaft unseres Landes, einer der größten Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.“
Die Wissensfabrik ist selbst bundesweit aktiv: Mit dem „Mitmachprojekt IT2School – Gemeinsam IT entdecken“ unterstützt sie Schulen darin, Schüler in Grund- und weiterführenden Schulen schon früh für Themen der Informationstechnologie zu interessieren und zu begeistern. Dabei geht es vorrangig um das Verstehen der Technologien „hinter dem Bildschirm“, nicht um die Nutzung von Endgeräten.
Die Wissensfabrik unterstützt die Kernforderungen des Nationalen MINT-Forums zur Digitalisierung unserer Schulen mit dem Ziel einer verlässlichen Infrastruktur in Schulen, die den IT-Support beinhaltet, einer umfangreichen Fortbildung und Netzwerkstrukturen für Lehrkräfte sowie eines flächendeckenden Informatikunterrichts, damit alle Kinder Informationstechnologie verstehen, sicher anwenden und gestalten können.
Der Autor ist als freier Journalist tätig und arbeitet seit 2008 als Pressereferent für das IT-Unternehmen Fasihi GmbH in Ludwigshafen. Er schreibt über Themen der Informationstechnologie.
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