Schule

Mogelpackung aus dem Kultusministerium

Haben Lehrer ein Problem mit Mehrarbeit? Warum eine bayerische Grundschullehrerin gegen das verpflichtende Arbeitszeitkontenmodell klagt.

Schon wieder die Lehrer, wird manch einer nun denken und sich wundern, warum dieser Berufsstand so ein Problem damit hat, ein wenig mehr zu arbeiten. Zumal die zusätzlich geleisteten Stunden nach dem Arbeitszeitkontenmodell, um das es im vorliegenden Fall geht, nach einigen Jahren wieder in Form von Freizeitausgleich zurückgezahlt werden. Aber wenn man einen Blick hinter die Kulissen wirft, zeigt sich, dass der Zorn der Pädagogen durchaus berechtigt ist.

Mehrstunden als Guthaben

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Worum geht es? Seit dem Schuljahr 2020/2021 gibt es für alle Grundschullehrkräfte ein verpflichtendes Arbeitszeitkonto. Auf ihm werden geleistete Mehrstunden als Guthaben verbucht. Konkret geht es dabei um eine Wochenstunde, die alle Lehrer bis zum Alter von 56 Jahren für fünf Jahre zusätzlich leisten müssen. Danach heißt es drei Jahre warten, bis die fünfjährige Ausgleichsphase beginnt. Wer bis hierhin mitgerechnet hat, wird sich fragen, ob Lehrer neuerdings bis 69 arbeiten müssen. Aber das ist nicht der Fall. Wer mit knapp 56 in das Arbeitszeitkontenmodell einsteigt, darf früher in Rente gehen, um die geleisteten Mehrstunden auszugleichen.

Die Begründung des bayerischen Kultusministers für diese Maßnahme ist der temporäre Lehrermangel an bayerischen Grundschulen. Er ist zugleich die juristische Voraussetzung für die Einführung verpflichtender Arbeitszeitkonten. Denn wäre der Lehrermangel permanent, müsste die Staatsregierung Abhilfe schaffen und neue Lehrer einstellen.

Fehlerhafte Bedarfsberechnung

Hier genau hakt der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband ein. Denn wenn man genau nachrechnet, und das können Lehrer im allgemeinen ziemlich gut, wird klar: Das Konzept des Kultusministers ist eine Mogelpackung. Es basiert auf fehlerhaften Berechnungen, die den Bedarf für die Grundschulen viel höher ansetzen, als dies nötig wäre. Denn eigentlich herrscht dort überhaupt kein Lehrermangel. Dass dennoch Lehrkräfte fehlen, hat einen ganz anderen Grund. Sie werden nämlich seit einiger Zeit an die Mittel- und Förderschulen ausgeliehen, wo tatsächlich Lehrkräfte fehlen. Der gesunde Menschenverstand bewegt den Bürger nun zu der Nachfrage, warum man die Arbeitszeitkontenregelung nicht einfach für diese Schulformen einführt. Aber das ist aus juristischen Gründen nicht möglich, weil der Mangel dort permanent ist.

Und es kommt ein weiteres hinzu. Mit ihrer Verschiebebahnhofpolitik spart die Staatsregierung Geld. Denn Grundschul- und Mittelschullehrer werden zwar gleich besoldet, Förderschullehrer bekommen aber A 13. Nicht so die Grundschullehrer, die an die Förderschulen ausgeliehen werden.

Gleichstellung der Lehrerberufe

Die Präsidentin des Lehrerverbandes, Simone Fleischmann, erklärte deshalb kürzlich auf der Pressekonferenz: „Der BLLV fordert die Gleichstellung der Lehrerberufe und die damit verbundene Anhebung der Besoldung von Grundschullehrkräften auf A 13. Mit dieser Diskrepanz muss aufgeräumt werden, sonst werden wir den Lehrermangel nicht beheben. Das Kultusministerium muss endlich die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich wirklich die Besten für den Lehrberuf entscheiden. Personalprobleme auf den Rücken der Lehrerinnen und Lehrer an Grund und Mittelschulen auszutragen, ist für uns keine Lösung.“ Und ihr Stellvertreter Gerd Nitsche fügte hinzu: „Da sich in den zahlreichen Gesprächen keine Lösung erzielen ließ, müssen eben Gerichte entscheiden. Er danke ausdrücklich der Kollegin, die sich zur Klage entschlossen hat. Zu Recht, denn die meisten Lehrerinnen und Lehrer haben Angst vor Repressalien.“

Nicht so Petra Falter, seit dreißig Jahren Lehrerin und seit 2017 auch Rektorin an den Grundschulen Donaustauf und Altenhann. Sie betont: „Die Belastung von gL ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.“ Für sie war das Arbeitszeitkonto der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Mutige Klage mit Erfolgsaussicht

Denn tatsächlich ist es ja nicht damit getan, dass die Grundschullehrerinnen und -lehrer nun eine Stunde länger in der Schule bleiben. Für diejenigen, die an eine Mittel- oder Förderschule versetzt werden heißt es, sich zusätzlich auf ein neues Kollegium, neue Lehrinhalte und Vermittlungsformen einzustellen. Dieser Mehraufwand wird natürlich nicht besoldet. Ideal ist das nicht, denn eigentlich müssten an jeder Schulform die dafür spezialisierten Pädagogen arbeiten.

„Die Lehrkräfte an Grundschulen sollen ausbaden, was die Ministerialbürokratie bei den Mittelschulen versäumt hat.“ Michael Bieler, Rechtsanwalt

Für die Klage der mutigen Kollegin rechnet der BLLV sich gute Chancen aus. Anwalt Michael Bieler sagt: „Der juristische Angriffspunkt liegt darin, dass bei Grundschullehrern kein Arbeitskräftemangel besteht. Die Lehrkräfte an Grundschulen sollen ausbaden, was die Ministerialbürokratie bei den Mittelschulen versäumt hat“, so der Rechtsanwalt. Dass dort Lehrerinnen und Lehrer fehlen, ist kein Zufall. „Das Kultusministerium schafft es seit Jahren nicht, das grundlegende Problem anzugehen und Anreize für den Unterricht an Mittelschulen zu schaffen. Dort gibt es tatsächlich zu wenige Lehrkräfte und zwar nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft. Dies zu ändern wird nur mit einer konsequenten und nachhaltigen Personalpolitik und besseren Arbeitsbedingungen für Lehrer gelingen“, unterstreicht BLLV-Präsidentin Fleischmann.

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Maria Palmer

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