Wo früher Menschen aus aller Welt Kultur und Kunst bestaunt und Bildung aufgesogen haben, herrscht seit dem Ausbruch des Corona-Virus gähnende Leere. Um einem Bankrott entgegenzuwirken, aber vor allem um die Kulturangebote für die Lockdown-geplagte Menschheit nicht ganz lahmlegen zu müssen, stellten Museen innerhalb weniger Wochen auf Computer, Smartphone und Co um. So taten es auch die vielen Ausstellungen und Museen der Klöster. Um einige Beispiele zu nennen: Die orthodoxen Klöster des Berges Athos, die nur für einige wenige Besucher zugänglich sind, lassen sich nun durch virtuelle 360-Grad-Touren erkunden.
„Bete und arbeite und lies!“
Ebenso die Vatikanischen Museen. Gerade bei US-amerikanischen Kirchen und Ordensgemeinschaften scheint das Erstellen von digitalen Rundgängen für Besucher beliebt zu sein. Auf den Homepages des Schottenstifts in Wien und des Stifts Klosterneuburg kann man sich durch die Aufnahmen der ausgestellten Bilder „klicken“. Das Stift Admont in der österreichischen Diözese Graz-Seckau wollte dem Trend nicht nachstehen und hat sich etwas ganz Besonderes wie Aufwändiges ausgedacht.
Jeder, der dem von majestätischen Bergen umzingelten Kloster schon einen Besuch abstattete, weiß, wie umfangreich das Areal ist und welche vielfältigen Bildungsangebote die Benediktinermönche betreuen. Das Stift beherbergt ein Kunst- und Naturhistorisches Museum, ein Gotik-Museum und eines für Gegenwartskunst, sowie wechselnde Sonderausstellungen. Es führt ein Gymnasium mit rund 650 Schülern und eine beinah tausend Jahre alte Apotheke. Dazu kommen Weinbau und Landwirtschaft. Die Perle des Klosters am Rand des Nationalparks Gesäuse ist jedoch seine Bibliothek, früher oft als das „Achte Weltwunder“ bezeichnet. Diese macht als größte Klosterbibliothek der Welt weit über die Grenzen Österreichs von sich reden. Allein im letzten Jahr statteten 70 000 Menschen dem Stift und der Bibliothek einen Besuch ab.
Intensiver Digitalisierungsprozess gestartet
Damit auch in Zeiten von Covid-19 und Lockdown Kultur nicht allzu sehr eingeschränkt wird, startete das Stift einen intensiven Digitalisierungs-Prozess. Mit Hilfe des Programms „Cultour“ kann man eine 360-Grad-Tour durch die Bibliothek oder durch eines der Museen selber wählen und virtuell durch die jeweiligen Räumlichkeiten „spazieren“. Man bekommt Einblicke, die bei einem „live“-Besuch nicht möglich wären. Man kann zum Beispiel Geheimgänge entdecken, von oben auf die Bibliothek herunterschauen oder digitalisierte Bücher durchblättern. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Kurzvideos mit Erklärungen zu den ausgestellten Büchern, den Deckenfresken und den Skulpturen, sowie zu der Geschichte anzusehen und Audios anzuhören. Nicht nur räumliche, sondern auch sprachliche Barrieren sollen überwunden werden: „Die digitale Führung durch die Klosterbibliothek bieten wir in vielen unterschiedlichen Sprachen an“, so Marketingchef Mario Brandmüller.
„Bete und arbeite und lies!“ Während die ersten beiden Aufforderungen des Heiligen Benedikt allgemeine Bekanntheit genießen, dürfte letztere etwas vernachlässigt worden sein. Nicht so im Admonter Stift. Das im Jahr 1049 gegründete Kloster beherbergte seit dem 12. Jahrhundert ein Skriptorium, wo um die 1 400 Handschriften entstanden, die bis heute erhalten sind. Die prächtige Bibliothek wurde 1776 fertiggestellt. Der Maler Bartolomeo Altomonte, der als letzter großer Vertreter der Barockallegorie gilt, gestaltete die sieben Deckenfresken. Sie zeigen die Stufen der menschlichen Erkenntnis und bilden die Wissenschaften ab. Die Hauptkuppel in der Mitte stellt die göttliche Offenbarung dar.
Abbildung benediktinischer Gelehrsamkeit
Mit ihren insgesamt 200 000 Bänden, den Malereien, sowie den Skulpturen des Bildhauers Josef Stammel stellt die Bibliothek ein wahres Gesamtkunstwerk dar. Sie bildet die hohe Gelehrsamkeit der Benediktinermönche ab. So galten viele der Äbte zu ihrer Zeit als Universalgelehrte, die zugleich Botaniker waren, riesige Insektensammlungen anlegten oder naturwissenschaftliche Bücher verfassten. Da ist es kein Wunder, dass der Barockbaumeister Josef Hueber die Ideen der Aufklärung in den Bau der Bibliothek einfließen lassen wollte: „Wie den Verstand so auch den Raum Licht erfüllen.“
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