Gibt es eine christliche Haltung zur Natur? Will man auf eine solch grundlegende Frage eine Antwort erhalten, fängt man am besten auch bei den Grundlagen des Ganzen an, in diesem Fall also bei der Schöpfung.
„Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht. Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.“
Der Mensch ist von Gott dazu bestimmt, über die übrige Schöpfung zu herrschen, freilich nicht im Sinne rücksichtsloser Tyrannei, sondern in verantwortungsvoller Regentschaft als Stellvertreter Gottes.
„Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte […] Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte […] Und Gott der HERR machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen.“
Die zweite Schöpfungserzählung steht, entgegen vielfacher Behauptungen, nicht im Widerspruch zur ersten, jedenfalls nicht, was die Stellung des Menschen angeht. Zwar ist es richtig, dass die Ereignisse hier in umgekehrter Reihenfolge ablaufen. Im ersten Bericht wird der Mensch nach der übrigen Schöpfung geschaffen, im zweiten davor. In beiden Fällen jedoch steht er im Mittelpunkt, die übrige Schöpfung läuft auf ihn zu. Auch in der zweiten Schöpfungserzählung wird der Mensch als Herr über seine Umwelt eingesetzt, was nicht zuletzt dadurch Ausdruck findet, dass ihm die Vollmacht zur Namensgebung zugesprochen wird.
Gott sieht den Menschen als Gestalter und Techniker
Aber noch etwas anderes ist an diesem Bericht interessant, nämlich die Art und Weise, wie Gott den Menschen erschafft. Gott wird als Handwerker dargestellt, der den Menschen mit seinen eigenen Händen formt. Und eben diese Handwerkskunst gibt er an sein Geschöpf weiter: Als Ebenbild Gottes geschaffen, ist auch der Mensch Handwerker, Gestalter, Techniker und soll dieses Talent bei der Bebauung und Bewahrung der Natur zur Anwendung bringen.
Dieser letzte Gedanke mag verwundern, wird die Kirche doch gemeinhin als Verhinderin technologischen Fortschritts wahrgenommen. Interessanterweise gab es in der jüngeren Geschichte aber auch viele Kritiker, die der Kirche gerade nicht Feindlichkeit gegenüber der Technologie vorwarfen, sondern eine zu starke Förderung derselben. Zu diesen Kritikern gehörte unter anderem Aldous Huxley, Autor des berühmten Romans Brave New World, in welchem er einer dystopischen Technologiediktatur nicht zufällig das einfache Leben der naturverbundenen Indianer gegenüberstellt. Auch Arthur Schopenhauer, wie Huxley übrigens ein Bewunderer des Buddhismus, sah das Christentum vor allem wegen seiner technokratischen Behandlung der Natur als verachtenswert an.
Den Ruf der Technologiefeindlichkeit hat sich die Kirche vor allem durch die Verurteilungen bedeutender Wissenschaftler wie Galileo Galilei oder Charles Darwin eingetragen. Beide Fälle gehören nicht gerade zu den Ruhmesblättern kirchlicher Politik, soviel ist klar. Aber ging es hierbei um Technologie? Nein, weder Galileo noch Darwin haben durch etwaige technische Erfindungen die Ablehnung der Kirche heraufbeschworen, sondern durch die Erschütterung geltender Weltbilder.
Der Christ betrachtet die Welt mit offenen Augen
Im Jahre 1616 erklärte die Kirche Galileos Lehren für häretisch. Als neun Jahre zuvor der deutsche Optiker Hans Lipperhey das Teleskop erfunden hatte, das Galileo zu seinem Durchbruch verhelfen sollte, beschwerte sich hingegen niemand. Ein früher Vorläufer des Teleskops, die Brille, wurde sogar im klösterlichen Umfeld erfunden. Dies ist mitnichten ein Zufall. Dass die Brille von christlichen Mönchen erfunden wurde und nicht etwa von buddhistischen, liegt in ihrer völlig unterschiedlichen Haltung zur Welt. Während der Buddhist versucht, eine größtmögliche Distanz zur Welt aufzubauen und diese als mehr oder weniger unwirklich einschätzt, betrachtet der Christ die ihm zur Gestaltung anvertraute Welt mit offenen Augen und tut alles, um seine Sehkraft zu erhalten.
Bis heute zeigt sich bei vielen Menschen ein umgekehrter Zusammenhang zwischen ihrer Haltung zu technologischem Fortschritt einerseits und gesellschaftlicher Veränderung andererseits. Ein Mann, der stundenlang in einer Schlange steht, um das neueste iPad zu ergattern, kann durchaus ein stramm konservatives Familienbild vertreten. Gleichzeitig gibt es viele Menschen, die in gesellschaftlichen Fragen überaus progressiv denken, technologischem Fortschritt jedoch ablehnend bis feindlich gegenüberstehen. Solche Menschen bezeichnet man als DIE GRÜNEN.
Die Kirche fördert das Wohl des Menschen
Bei unserem Thema zeigt sich dieser Unterschied hervorragend am Beispiel der Grünen Gentechnik, die (trotz der ironischen Namensverwandtschaft) von den Grünen massiv bekämpft wird, von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften jedoch als ethisch verpflichtend eingestuft wurde, um insbesondere die armen Regionen dieser Welt bei ihren Sorgen mit Bevölkerungswachstum und Wassermangel zu unterstützen. Die Kirche stand und steht auf Seiten des technologischen Fortschritts, sofern (!) dieser zum Wohle des Menschen geschieht.
Das ist der entscheidende Punkt, mit dem sich nun auch wieder der Kreis zu unserer ursprünglichen Frage schließt. Der Mensch ist zur Bewahrung der Umwelt gerufen, weil es seine Um-Welt ist. Er hat zugleich das Recht, in diese einzugreifen, wenn es der Menschheit zum Vorteil gereicht. Er achtet die Natur als Schöpfung Gottes, aber er verehrt sie nicht als göttlich im Sinne der (heidnischen) Naturreligionen. Als der heilige Bonifatius die berühmte Donar-Eiche fällte, demonstrierte der damit nicht nur die allgemeine Überlegenheit des christlichen Glaubens, sondern offenbarte auch ein völlig anderes Verhältnis zwischen Gott und Natur.
Dies hätte man insbesondere den Studenten des Union Theological Seminary in New York erläutern sollen, bevor sich diese kürzlich dazu entschlossen, Pflanzen in einem Gottesdienstraum aufzustellen und diesen gegenüber ihre Sünden zu bekennen. Das ist weit mehr als nur theologischer Kitsch, denn hier liegt eindeutig ein Verstoß gegen das erste Gebot vor. Mal ganz davon abgesehen, dass man gegenüber Pflanzen überhaupt nicht sündigen kann, sondern nur gegenüber Personen, ist es eine noch größere Blasphemie, von ihnen Vergebung zu erhoffen.
Die Umwelt erhalten, aber ohne Kinder?
Noch weitaus trauriger ist allerdings, dass sich innerhalb der westlichen Gesellschaften mittlerweile eine Bewegung etablieren konnte, die aus Gründen des Umweltschutzes das Kinderkriegen untersagen will. Eine Frage drängt sich dabei unweigerlich auf: Wozu soll die Umwelt eigentlich erhalten werden, wenn es gleichzeitig keine Menschen mehr geben soll?
Ohne den Menschen als Mittelpunkt gibt es auch keine Um-Welt mehr. Doch genau darum geht es dieser Bewegung. Die (nichtmenschliche) Natur soll um ihrer selbst willen bewahrt werden. Natürlich hat jeder Bürger unserer Gesellschaft das Recht, eine derartige Position zu vertreten. Aber er hat damit sein Recht verwirkt, sich einen Christen zu nennen.