Der Herrgottsschnitzer von Ammergau“, „Die Martinsklause“, „Das Schweigen im Walde“ ... Ludwig Ganghofer verfasste eine lange Reihe populärer Erzählungen und Romane. Nach Ganghofers unerwartetem Tod am 24. Juli 1920 äußerte sein enger Freund und Schriftstellerkollege Ludwig Thoma: „Um den Mann ist's schad!“
Der frühere Liebling aller Leser ist heute er eine eher unbekannte Größe. Aber der Ganghofer-Kenner Klaus Wolf, Professor an der Universität Augsburg, macht uns neugierig: „Ganghofer war eine vielseitige Persönlichkeit. Als professioneller Autor schrieb er Alpenromane, die ihn berühmt machten, und pflegte sein Image als Heimatschriftsteller und Jäger. Daneben war er in der Kunst- und Literaturszene Münchens aktiv und bestens vernetzt, wo er junge Autoren wie Rainer Maria Rilke und Hugo von Hofmannsthal unterstützte.“ Wer sich auf Ganghofers Spuren begibt, lernt einen Mann mit zahlreichen Interessen und Talenten kennen. Er war Theaterregisseur, Fotograf, Zeichner, Zitherspieler, Rad- und Tennissportler, Segler – und Schwabe, wie er betonte.
Ein lebenslustiger Gastgeber mit privatem Versuchslabor
Viele seiner Geschichten aber spielen im bayerischen Oberland. Es treten schöne Sennerinnen, gewissenlose Wilderer und edle Jäger auf. Es geht um Zwistigkeiten und die Liebe fürs Leben. Am Ende wird meist alles gut. Oft haben die Romanfiguren ihre Vorbilder in Familienmitgliedern oder Menschen aus der Kinder- und Jugendzeit des 1855 in Kaufbeuren geborenen Ganghofers. Sein Geburtshaus findet man gegenüber der katholischen Martinskirche. Im Stadtmuseum steht sein Schreibtisch. Dessen Türen ziert Ganghofers Arbeitsmotto: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Dem verdanken wir rund 100 Buchveröffentlichungen mit einer Gesamtauflage von 40 Millionen Exemplaren. Verblüfft entdeckt man im Gedenkraum auch den naturwissenschaftlich interessierten Ganghofer. In einer Vitrine stehen elektrophysikalische Gerätschaften aus seinem privaten Versuchslabor. Er hatte zunächst Maschinenbau studiert. Dann aber verlegte er sich an den Universitäten von München und Berlin auf Literaturgeschichte und Philosophie. Seine Doktorwürde erlangte er schließlich an der Leipziger Universität.
Als Ludwig vier Jahre alt war, trat sein Vater August Ganghofer in Welden, das im schwäbischen Holzwinkel bei Augsburg liegt, das Amt des Oberförsters an. Das Forsthaus ist heute Sitz der evangelischen Kirchengemeinde. Im Landgasthof „Zum Hirsch“, auf dessen Dachboden der kleine Ludwig den Hühnern die Eier stahl, sind Vater und Sohn Gedenkräume gewidmet. Kurios, dass dabei ausgerechnet ein Tisch mit Bierkrügen auf Ludwig Ganghofers intellektuellen Freundeskreis hinweist. Er spielt auf Biergarten und Bühne an, die sich der 1892 mit Ehefrau Kathinka und den drei Kindern von Wien nach München gezogene Ganghofer in seine Wohnung einbauen ließ. Als lebenslustiger Gastgeber pflegte er herzliche Beziehungen zu Gerhard Hauptmann und vielen anderen Schriftstellern, zu Arnold Böcklin und zahlreichen weiteren Malern, zu Richard Strauss und etlichen anderen Musikern. Auf Ganghofers Bühne hatte der Komiker Karl Valentin seinen ersten Auftritt. Eine Bühne hat auch der Weldener Wirtssaal. Auf ihr dokumentieren Plakate die zahlreichen Verfilmungen von Ganghofers Schriften.
„Alles ist gut im Sinne des Schöpfers“
„Seine verfilmten Bücher wie ,Das Schweigen im Walde‘ oder ,Der Edelweißkönig‘ basieren auf Ganghofers Erlebnissen und Eindrücken in Leutasch und dem Gaistal“, wie Iris Krug betont. Sie ist Leiterin des Leutascher Ganghofer-Museums. Viele Exponate beziehen sich auf oder stammen aus Ganghofers Jagdhaus „Hubertus“. Über dem Schreibtisch hängt ein gerahmter Text, der zu Kaisers Zeiten in deutschen Haushalten weit verbreitet war. Die aus „Das Schweigen im Walde“ stammenden Sätze offenbaren Ganghofers Gottvertrauen: „In jedem Ding der Welt, ob es tot ist oder atmet, lebt der große, weise Wille des Allmächtigen und Allwissenden Schöpfers; uns kleinen Menschen fehlt nur der Verstand, um ihn zu begreifen. Wie alles ist, so muss es sein in der Welt, und wie es auch sein mag: immer ist es gut im Sinne des Schöpfers.“ Größter Museumsschatz aber sind die drei „Hausbücher“ (1896–1914), gefüllt mit Ganghofers von Fotos und Zeichnungen begleiteten handschriftlichen Erinnerungen, Anekdoten und Festberichten sowie Beiträgen von Gästen seines auf 1 393 Metern Höhe über der Tillfußalm im Gaistal gelegenen Sommerdomizils. Es steht in einem der größten Jagdreviere Tirols. Ganghofer war von 1896 bis 1918 der Pächter. Das Jagdhaus und das nebenan stehende Gästehaus sehen von außen noch so aus, wie Ganghofer sie verlassen hat. Hier oben arbeitete er nachts an seinen Geschichten.
„... meine Arbeit war immer ein Stück
meiner selbst, hatte mein Herz, meine Freude, meinen Glauben,
und drum blieb sie unkompliziert, blieb heiter und gesund“
Ludwig Ganghofer
Seit 1918 lebte Ganghofer im malerisch gelegenen Ort Tegernsee. Der bis zuletzt aktive Schriftsteller entschlief unerwartet an Herzlähmung. Bestattet ist er im Nachbarort Rottach-Egern auf dem Friedhof der Kirche St. Laurentius. Tegernsee und Rottach-Egern widmen Ganghofer Gedenkveranstaltungen. Ab 22. August zeigt das Museum Tegernseer Tal die Sonderschau „Literatur am Tegernsee“. Am 20. und 21. November wird den Stummfilm „Der Klosterjäger“ aufgeführt, bereichert um die von Thomas Rebensburg neu komponierte Filmmusik. Am Todestag wollte sich eine von Klaus Wolf organisierte wissenschaftliche Tagung mit Ganghofer beschäftigen. Sie ist auf nächstes Jahr verschoben.
Das Schlusswort gebührt Ludwig Ganghofer: „Man mag den Wert meiner Lebensarbeit nach Gutdünken abschätzen. Aber eines weiß ich: meine Arbeit war immer ein Stück meiner selbst, hatte mein Herz, meine Freude, meinen Glauben, und drum blieb sie unkompliziert, blieb heiter und gesund. Ich glaube, das ist das ganze Geheimnis meines Erfolges, den mir die Auguren der überschnürten Ästhetik schwer verübeln.“
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