Trier

Vorwürfe gegen Pater Kentenich: „Fälschliche Anklagen“

Die Schönstattbewegung weist die Vorwürfe gegen ihren Gründer entschieden zurück. Das Angebot, Pater Kentenich in der „Tagespost“ zu verteidigen, will die Gemeinschaft derzeit nicht annehmen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente, warum die Historikerin Alexandra von Teuffenbach falsch liegt.
Pater Josef Kentenich:  Schönstattbewegung weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Foto: Wolfgang Radtke (KNA)

Die in jüngster Zeit gegen den Gründer der Schönstatt-Bewegung, Pater Josef Kentenich (1885-1968), erhobenen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs und einer manipulativen Seelsorge sowie Beichtpraxis, weist Pater Juan Pablo Catoggio, der Vorsitzende des Generalpräsidium der Schönstatt-Bewegung, vollumfänglich in seinem Schreiben vom 2. Juli zurück. Auch die mit der Quellen- und Aktenlage der Schönstatt-Bewegung bestens vertraute Kirchenhistorikerin, die Schönstätter Marienschwester M. Doria Schlickmann, bezeichnet die in dieser Zeitung (2. Juli) vorgebrachten Anschuldigungen der italienischen Kirchenhistorikerin und ausgebildeten Exorzistin Alexandra von Teuffenbach als „Missdeutungen und fälschliche Anklagen“.

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Eine fast verschwörerisch zu nennende Manier

Teuffenbach gilt als Expertin für das Wirken des Apostolischen Visitators Sebastian Tromp SJ, der 1951 bis 1953 die Schönstatt-Bewegung aufsuchte, den Gründer schon 1951 aller Funktionen enthob und ihn ins amerikanische Exil „verbannte“, wo er 14 Jahre eine deutsche Gemeinde betreute und dann 1965, rehabilitiert, in seine alten Funktionen zurückkehren durfte. Teuffenbach missverstehe, so Schlickmann, durch die „Brille“ Tromps das Geschehen, die Spiritualität, Pädagogik und Geschichte der Schönstatt-Bewegung und der Marienschwesternschaft. Teuffenbach präsentierte die Ergebnisse ihrer Forschungen aus den bislang verschlossenen Geheimarchiven aus der Zeit von Papst Pius XII. in einer fast verschwörerisch zu nennenden Manier. Sie nannte leider keine nachprüfbaren Quellen, Belege oder Namen in ihrem Artikel. Aus kirchenhistorischer und wissenschaftlicher Sicht fehlt ihren Vorhaltungen eine authentische Begründung.

Die von Teuffenbach offengelegten, vermeintlich „gut gehüteten Geheimnissen“ der Schönstatt-Bewegung sind zudem seit längerem bekannt und in wissenschaftlichen Publikationen nachzulesen. Die Beobachtungen der Forscherin und Archivarin stützen sich auf einige Beschwerdebriefe aus den Reihen der damals etwa 2.500 Marienschwestern sowie auf „Privatnotizen“ des damaligen Apostolischen Visitators Sebastian Tromp. Die Vorwürfe eines manipulativen Umgangs des Gründers mit Schwestern, die Teuffenbach in den Raum stellt, seien keineswegs neu, betont das weltweite Schönstatt-Präsidium. Vielmehr sei er im Jahr 1965 vollständig von allen zuvor erhobenen Vorwürfen entlastet und rehabilitiert worden.

Keine Vertuschung sondern rigorose und rigide Aufklärung

Nur sieben Jahre nach dem Tod des Gründers, am 10. Februar 1975, sei zudem das offizielle Seligsprechungsverfahren begonnen worden, dem das übliche „Nihil-Obstat“ vorausging, womit die befassten kirchlichen Stellen auch die moralische Integrität Kentenichs testierten. Alle verfügbaren Quellen und Akten wurden, betont das Schönstatt-Präsidium, zudem im Rahmen des nicht-öffentlichen Seligsprechungsverfahren vorgelegt. Die Untersuchungen im Fall Kentenichs unterscheiden sich daher grundlegend vom Fall des Gründers der Legionäre Christi, wo intensiv dessen Fehlverhalten von der Leitung und kirchlichen Stellen vertuscht wurde. P. Tromp als Visitator hingegen habe nicht vertuschen, sondern rigoros und rigide aufklären wollen.

Gleiches sei auch das Anliegen von Pater Kentenich gewesen, der in den 1950er Jahren (aus dem Exil) mehrfach, wie die Schönstätter betonen, um Aufklärung der Vorwürfe im Rahmen eines kirchlichen Verfahrens bat, was aber nie erfolgte. Somit scheint Teuffenbachs Artikel zum gegenwärtigen Zeitpunkt als ein eher untauglicher Versuch, auf der Welle der aktuellen Missbrauchsdebatte einen angeblich neuen „Fall“ zu präsentieren, obwohl die entsprechenden Vorgänge längst geklärt und abgeschlossen sind, will man die Sicht Schönstatts und der entsprechenden wissenschaftlichen, bislang veröffentlichten Arbeiten zusammenfassen.

Die mit den Quellen der schönstättischen Gründungsgeschichte bestens vertraute Marienschwester Doria Schlickmann zeichnet in ihren wissenschaftlichen Publikationen ein anderes Bild von dem Visitator und der Gründung der Marienschwesternschaft. Der 1926 von nur zwei Lehrerinnen gegründeten Schönstätter Marienschwestern, die sich besonders dem „Liebesbündnis mit Maria“ und dem Aufbau der Schönstatt-Bewegung widmen wollten, schlossen sich bis zum Jahr 1936 rund 700 Frauen an. Bis in die fraglichen 1950er Jahre hinein wuchs die Mitgliederzahl auf rund 2.500 Schwestern weltweit an.

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Freiheitliche, väterliche und barmherzige Pädagogik

Dass Kentenich sozusagen zwangsweise Beichtgespräche mit jeder Schwester angeordnet hätte, wie Teuffenbach anführt, erscheint angesichts der Größe der Gemeinschaft und ihrer weltweiten Verbreitung schwerlich nachvollziehbar. Zudem sei Kentenich in den 1940er Jahren dreieinhalb Jahre in der „Hölle des KZ-Dachau“ inhaftiert, nach seiner Befreiung 1945 fast durchgehend auf Weltreisen gewesen, um die verschiedenen Gemeinschaften, vornehmlich auf der südlichen Erdhälfte, zu besuchen. Das unterstellte manipulative Agieren Kentenichs dürfte weder in dieser Zeitspanne von 1942 bis 1968 noch in den 1920er und 1930er Jahre wahrscheinlich gewesen sein, wo Kentenich als begehrtester Exerzitien-Meister in Deutschland für Hunderte und Tausende Menschen Tagungen abhielt. Seine theologischen Ansprachen waren dann sowohl dem nationalsozialistischen Regime, dessen „materialistische Weltanschauung“ Kentenich kritisierte, wie auch seinen innerkirchlichen Kritikern ein Dorn im Auge. Bekannt wurde Kentenich in den Gründungsjahren der Apostolischen Bewegung von Schönstatt (1914-1919) wegen seiner liberalen und anti-autoritären Pädagogik, die letztlich unter seinen Kollegen an einem Missionsgymnasium in Schönstatt zu Forderungen nach seiner Absetzung als Spiritual führten. Der vaterlos aufgewachsene Josef Kentenich folgte dann im Rahmen seiner Gründung des „Apostolischen Bundes“ ab 1919 einer freiheitlichen, väterlichen und barmherzigen Pädagogik, die neben einer marianischen Spiritualität als besonderes Kennzeichen der Schönstatt-Bewegung gelten kann.

Doria Schlickmann berichtet angesichts der Vorhaltungen Teuffenbachs in dem vom Schönstätter Pressebüro am 4. Juli veröffentlichten Interview interessante Details, die ein Licht auf das umstrittene Verhalten des Visitators wie auch einiger Marienschwestern werfen könnten. Tromp habe durch sein „autoritäres“ Auftreten „manche Schwester sehr erschreckt“. Kritik an Kentenich sei erwünscht, aber dessen Verteidigung quasi verboten gewesen. Schlickmann erinnert in diesem Zusammenhang auch an eine schon lange bekannte Intrige, die von der 1. Generaloberin der Marienschwesternschaft ausgegangen sei. Diese habe ein Konkurrenzverhältnis zum Gründer entwickelt, der von vielen Schwestern als „Vater“ verehrt worden sei.

War der Visitator gegenüber dem Gründer voreingenommen?

Nach Schlickmanns dokumentierter Darstellung habe diese erste Generaloberin „akribisch nachteilige Aussagen“ gegen den Gründer gesammelt und diese Informationen dem Visitator Tromp heimlich zukommen lassen. Deshalb, so Schlickmann, sei der Visitator gegenüber dem Gründer voreingenommen gewesen. Er habe die Lage in Schönstatt vermutlich nicht mehr objektiv beurteilen können, weswegen auch die als Tromp-Forscherin bekannte Teuffenbach nur zu fälschlichen Anklagen und Missverständnissen habe kommen können.

Der Autor ist Theologe und Verfasser von wissenschaftlichen Arbeiten zur Geschichte und Spiritualität der Schönstatt-Bewegung und der Marienschwestern

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