Synodalität ist eines der Schlüsselworte, die das Pontifikat von Papst Franziskus kennzeichnen: „Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes.“
Derzeit wecken synodale Prozesse sowohl Erwartungen und Hoffnung als auch Sorgen und Ängste. Aber was ist Synodalität? Welche Grundlagen und Voraussetzungen erfordert dieser Weg? Wie kann es gelingen, dass er nicht in Streit und Spaltung endet, sondern zur Stärkung des Glaubens und zum Aufbau der Kirche beiträgt?
„Vater unser“ (Matthäus 6,9)
Das Gebet des Herrn beginnt mit der Anrufung nicht „meines“ Vaters, sondern „unseres“ Vaters. Damit kommt zum Ausdruck, dass die Gemeinschaft für den christlichen Glauben nicht optional, sondern konstitutiv ist. Der Andere ist kein Gegner oder Hindernis auf dem Weg zu Gott, sondern im Gegenteil eine vom Herrn geschenkte Hilfe. Daher erfordert jede synodale Versammlung einen wahren kirchlichen Geist, der sich von einer Vereinsmentalität darin unterscheidet, dass er sich auf die gemeinsame Gotteskindschaft gründet. Zugleich müssen sich jedes Charisma und jeder Dienst in diese Gemeinschaft einfügen und von ihr anerkannt werden.
„Er rief die, die er wollte!“ (Markus 3,13)
Bei der Wahl der Apostel überrascht die Vielfalt und Verschiedenheit der Erwählten: Nicht alle haben die gleiche politische oder weltanschauliche Einstellung: Ein ehemaliger Zelot, der mit Waffengewalt die römische Fremdherrschaft abschütteln wollte, steht neben einem emeritierten Zollpächter, der mit dieser Besatzungsmacht zusammengearbeitet hatte. Die jüdischen und griechischen Namen der Apostel weisen auf unterschiedliche Familienhintergründe hin: Da sind sowohl traditionelle Juden als auch weltoffene Hellenisten.
Diese bunte Truppe von Jüngern hätte wohl nie zueinander gefunden, wenn Jesus sie nicht gemeinsam in seine Nachfolge gerufen hätte. Ebenso ist auch bei Synodalversammlungen nicht zu erwarten, dass alle gleich und einer Meinung sind. Das ist kein Problem oder Fehler, denn gerade die Vielfalt kann ein Geschenk und eine Bereicherung sein. Daher ist besonders das zu suchen und auf das zu achten, was eint: der gemeinsame Glaube und der Dienst am Herrn.
"Das Christliche ist und war niemals das Normale,
Natürliche und Selbstverständliche,
sondern ist immer übernatürlich,
neu und besonders."
„Kehrt um!“ (Matthäus 4,17)
Der Aufruf zur Umkehr kennzeichnet die Predigt Jesu. Der Herr fordert eine Erneuerung des Denkens, Handelns und Tuns. Entsprechend erfordern auch synodale Prozesse die Bereitschaft zum Umdenken, zur Neuausrichtung und Bekehrung.
Dazu reicht es nicht, lediglich das zu wiederholen, was schon immer gesagt und getan wurde. Es wird auch nicht das herauskommen, was vielleicht bereits vorher beschlossen und erwartet werden konnte, sondern es geht um ein vertieftes Verständnis, eine bewusstere Entscheidung und eine authentischere Nachfolge Christi, die sowohl jeden Teilnehmer als auch die Beschlüsse der Versammlung prägt und verändert.
„Von Neuem geboren werden“ (Johannes 3,3)
Das Christliche ist und war niemals das Normale, Natürliche und Selbstverständliche, sondern ist immer übernatürlich, neu und besonders. Diese Identität führt die Jünger Jesu dazu „in der Welt aber nicht von der Welt zu sein“ (Johannes 17,16). Der von Christus erneuerte Mensch lässt sich nicht durch Angst einschüchtern, läuft nicht dem Zeitgeist nach, ist nicht abhängig von Umfragen und Statistiken, widersteht dem Druck äußerer Erwartungen und spürt die Sendung, „Licht der Welt“ zu werden (Matthäus 5,14). Jeder wahre synodale Prozess muss sich dieser Neuheit und Andersartigkeit des Christlichen stellen und ihnen Ausdruck verleihen.
Entscheidend ist dabei, dass das Neue nicht primär Frucht menschlicher Kreativität ist, sondern aus dem Wirken Gottes kommt: „Seht, ich mache alles neu“ (Offenbarung 21,5).
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6)
Christus selbst ist Vorbild, Kriterium und Maßstab für das christliche Leben. Er ist der einzige Mittler und Weg zum Vater. Seine Lehre ist verbunden mit göttlicher Vollmacht, übersteigt deshalb jede menschliche Weisheit (Markus 1,22) und sollte daher Ausgangspunkt jeder Synodalversammlung sein: Wie würde Jesus urteilen? Wie würde er entscheiden und handeln? Wie werden wir seinem Auftrag gerecht?
Die Aufgabe der Christen besteht nicht darin, Jesus zu relativieren, zu zensieren oder upzudaten, sondern immer tiefer in seine Person und Lehre einzudringen sowie ihn in den konkreten Umständen zu erkennen und nachzuahmen. Entscheidend dafür ist eine wahre Hörfähigkeit, die eigene Gedanken und Vorstellungen nicht biblisch zu untermauern oder Jesus nur noch durch die Brille ideologischer Prämissen zu betrachten sucht.
„Traut nicht jedem Geist“(1 Johannes 4,1)
Aufgabe einer synodalen Versammlung ist die gemeinschaftliche Unterscheidung der Geister: „Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind“ (1 Johannes 4,1). Diese Unterscheidung gründet sich nicht auf wandelbare Gefühle oder persönlichen Geschmack, sondern hat eigene Regeln, die zu lernen und anzuwenden sind.
Folglich geht es nicht um die Demokratisierung der Kirche, nicht um das Finden des kleinsten gemeinsamen Nenners oder methodologische Werkzeuge. Vielmehr handelt es sich um einen geistlichen Prozess, der Glaube, Gebet, Demut, Liebe und Gehorsam voraussetzt: „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1 Thessalonicher 5,21).
„Dein Wille geschehe“(Matthäus 6,10)
Die liebevolle Erfüllung des Willens Gottes ist der rote Faden im Leben Jesu (Johannes 4,34). Ziel eines synodalen Prozesses muss demnach die ehrliche Suche nach dem Willen Gottes sein, nicht die eigenen Positionen und Pläne durchzusetzen und Mehrheiten dafür zu finden. Niemand kann für sich einfach so in Anspruch nehmen, den konkreten Willen Gottes genau zu kennen. Doch wenn eine synodale Versammlung sich ehrlich auf die Suche danach macht, das Wort Gottes hört, gemeinsam inständig um den Heiligen Geist bittet und sich offen austauscht, dann gibt es Grund zur Hoffnung, dass sie Gottes Weisung hört. Ein wichtiges Anzeichen dafür ist nach dem Austausch ein breiter Konsens der Teilnehmer – der nicht einfach mit einer zufälligen Mehrheit zu verwechseln ist, sondern den gleichen Punkt aus verschiedenen Sichtweisen bestätigt (Apostelgeschichte 15,6-21).
„Diese Rede ist hart“ (Johannes 6,60)
Trotz aller Liebe, Zärtlichkeit und Klugheit Jesu wandten sich nicht wenige Jünger von ihm ab (Johannes 6,66). Auch der reiche Jüngling nahm die Einladung zur Nachfolge nicht an (Matthäus 19,22).
Wenn es nicht einmal Jesus gelungen ist, alle zu überzeugen, dann sollte auch eine synodale Versammlung nicht den Anspruch erheben, dass alle einverstanden sind und mitgehen.
Es bleibt immer auch die Freiheit der Ablehnung. Für die Jünger Christi ist wichtig: Weder „unerträgliche Lasten aufschnüren“ (Lukas 11,46) noch den Anspruch des Evangeliums aufweichen: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden“ (Matthäus 5,13).
Osterwettlauf (Johannes 20,1-10)
Das Evangelium berichtet, dass Petrus und Johannes am Ostertag gemeinsam zum Grab laufen. Johannes ist früher dort, doch er wartet, bis Petrus ankommt und sich ein Urteil bildet. Diese Begebenheit ist ein Bild für das Verhältnis von Institution und Charisma in der Kirche: Beide sind gemeinsam unterwegs zu Jesus.
Das Charisma ist zumeist schneller im Finden der konkreten Antworten auf die Zeichen der Zeit, doch erst die Institution bestätigt die Authentizität.
Insofern muss die Institution darauf achten, nicht die Dynamik, Kreativität und Frische der Charismen auszulöschen, die Charismen hingegen brauchen immer wieder die Geduld und Demut des Wartens und der Überprüfung durch die Institution. Eine synodale Versammlung braucht stets beide Elemente.
„Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“ (Apostelgeschichte 15,28)
Mit diesen feierlichen Worten beginnt die Entscheidung des Apostelkonzils. Die Kirche vertraut auf die Führung des Heiligen Geistes, die dem Kollegium der Apostel, das unter der Führung von Petrus steht, versprochen wurde (Matthäus 16,17-20).
Die authentische Lehre der Kirche ist daher immer der sichere Bezugspunkt und die gemeinsame Grundlage für jede synodale Versammlung.
Eine echte Entwicklung der Lehre kann es nur in Übereinstimmung und in Kontinuität und nicht im Widerspruch zu diesem Lehramt geben, das in den Konzilstexten, den päpstlichen Schreiben und konkret im Katechismus der Katholischen Kirche ausgedrückt ist.
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