Herr Regens, die Arbeitsgruppe der deutschen Bischöfe will mit weniger Standorten für die Priesterausbildung Qualitätssicherung erreichen. Warum befürchten mehrere Hirten, eine Umsetzung dieses Vorschlags könne zu einer Nivellierung der Ausbildung führen?
Es ist wohl der recht radikal wirkende Vorschlag einer Reduzierung auf ganze drei Studienstandorte deutschlandweit, der solche Befürchtungen auslöst. Weniger Vielfalt, weniger ortskirchliche Prägung, da ginge schon etwas verloren. Ich bedauere sehr, dass nach der öffentlichen Festlegung auf mögliche Standorte die Diskussion sich fast ausschließlich um eine Art Verteilungskampf dreht. Dabei geht es um die Qualität der Priesterausbildung. Das wäre in meinen Augen die wichtigere Diskussion: Welche Qualität möchten wir denn haben und wie lässt sie sich sichern? Einfach nur Standorte reduzieren, um größere Lerngruppen zu bekommen, löst kein Problem, sondern schafft erst mal neue. Das wissen Bischof Genn und die Mitglieder der Arbeitsgruppe natürlich auch. Nur dreht sich die ganze Diskussion jetzt um das Schließen von Seminaren. Das ist sehr kontraproduktiv.
Punktuelle und projektbezogene Kooperation
Warum? Sind Kooperationen und Seminarschließungen bis zu einem bestimmten Grad nicht sinnvoll?
Nur in Kategorien von Institutionen und Immobilien zu denken ist mir zu statisch, zu eindimensional. Priesterausbildung ist ein komplexes, vernetztes Geschehen, heute schon. Sie verläuft periodisch und dynamisch. Man muss Kooperationen von dieser Wirklichkeit her denken, nicht nur als Zusammenlegung von Einrichtungen. Kooperationen sind auch punktuell und projektbezogen vorstellbar. Die verschiedenen Standorte haben ihre besonderen Prägungen und Charismen.
Ein Beispiel?
Ich nenne als Beispiel die Einbindung der Pastoralpsychologie in die Priesterausbildung, die am Würzburger Priesterseminar eine starke Tradition aufweisen kann. Es wäre schade, wenn mit der Entscheidung, die Studienphase künftig von Würzburg nach München zu verlegen, diese Kompetenz verloren wäre. Man kann sie auch für andere fruchtbar machen, wenn man Elemente der Priesterausbildung modularisiert und in überdiözesanen Ausbildungseinheiten vermittelt.
Inwiefern?
Die Besten sollten für alle da sein. Das ist für viele Themen der Seminarausbildung denkbar: Medienschulung, Rhetorik, liturgische Ausbildung, Studientage zu aktuellen Fragestellungen und so weiter. Wir haben im Kreis der bayerischen Regenten über die Idee einer „Summerschool“ oder Ferienakademie nachgedacht mit wechselnden Themen an wechselnden Standorten für alle Seminaristen.
Was erhoffen Sie sich davon?
Das hätte ein hohes Potenzial, für die Teilnehmenden wie für Referenten ein attraktives Format zu sein. So bekommt man die wirklich guten Leute. Man kann sich auch jenseits des Kirchturmschattens umsehen. Wir hatten in Regensburg für dieses Semester ein Projekt mit einer Designklasse der Fachhochschule zur Gestaltung moderner liturgischer Gefäße in Planung, das leider wegen der Pandemie verschoben werden musste. In der Corona-Situation haben wir dafür gelernt, dass Kooperation auch ortsunabhängig geht: Videokonferenzen, Webinare… Wie gesagt: Man darf Kooperationen nicht nur als Zusammenlegung von Institutionen sehen.
Inwieweit haben Sie sich in Regensburg schon Gedanken über eine Reform der Priesterausbildung gemacht?
Natürlich, eine gute Vorbereitung der Kandidaten muss uns etwas wert sein. Wir sind in Regensburg seit etwa zwei Jahren in Vorbereitung einer Ausbildungsreform, die darauf abzielt, das Studium zu stärken, indem wir die Monate der Vorlesungszeit von Unterrichtseinheiten der Priesterausbildung entlasten. Gleichzeitig wollen wir den Praxisbezug vertiefen, wenn wir die Seminaristen während der vorlesungsfreien Zeiten in Pfarreien einsetzen. Ausbildungstage im Priesterseminar dienen der Begleitung und Reflexion der Praxiserfahrungen und bieten darüber hinaus die bisher während der Semester auf das Studium „draufgesattelte“ geistliche, pastorale und liturgische Ausbildung. Wir halten diese Pläne für kompatibel mit den von den Bischöfen vorgelegten Ideen.
Praxisbezug soll vertieft werden
Weltkirchlich betrachtet sind interdiözesane Priesterseminare keine Besonderheit. Spricht man mit den betreffenden Bischöfen, hört man aber nicht selten, dass das Untereinander-Abstimmen der Hirten und die gemeinsame Beschlussfassung ein diplomatisches Kunststück ist. Der Ortsbischof hat in der Regel einen Heimvorteil, manchmal auch der Bischof, dessen Bistum die meisten Seminaristen entsendet. Kennen Sie Beispiele für gelungene Kooperationen, die anzuschauen sich lohnt?
In Regensburg sammeln wir seit zwölf Jahren Erfahrungen in der Kooperation mit dem Bistum Passau. Eine lautet: Es hängt wesentlich von den handelnden Personen ab. Aber natürlich muss man auch durch geeignete Strukturen und verlässliche Vereinbarungen die Voraussetzungen schaffen. Das Priesterseminar Wien ist nach meiner Kenntnis in der Zusammenarbeit mit den Diözesen Eisenstadt und St. Pölten ein interessantes Beispiel: „Drei Priesterseminare unter einem Dach und unter einer gemeinsamen Leitung“ – diese Formel wird auf der Homepage genannt und gibt Einblick in Lernprozesse und notwendige Entscheidungen. So etwas läuft nicht einfach ohne Zutun glatt. Sicher ein interessanter Lernort.
In Ostdeutschland ist das Übergehen des Standorts Erfurt 30 Jahre nach der Wiedervereinigung als Zeichen der Unsolidarität gewertet worden. Zu Recht?
Ich kann die Emotion nachvollziehen. Und auch wieder nicht, wenn man weiß, dass allein in St. Georgen Seminaristen aus drei ostdeutschen Diözesen studieren, nicht etwa in Erfurt. Dabei wären Merkmale eines Standorts in den immer noch „neu“ genannten Bundesländern für alle angehenden Priester interessant: die Diasporasituation, das agnostische Umfeld, in dem Kirche sich dort ihren Platz suchen muss. Man sollte überlegen, ob man das nicht auch für Seminaristen anderer Bistümer fruchtbar machen kann im Rahmen dessen, was ich vorhin zu dynamischen Formen von Kooperation gesagt habe.
Wie bewerten Sie den Vorwurf des Fakultätentags (Johanna Rahner), junge Männer würden kaserniert, um sie getrennt von anderen Studenten „vermeintlich geschützt, behütet und exklusiv als Priesterkaste auf ihren Einsatz vorzubereiten“?
Für eine Verärgerung über den vorab nicht kommunizierten Vorstoß der Bischöfe und eine vielleicht reflexhafte Äußerung als Reaktion darauf habe ich Verständnis. Sollte das wohl bedacht gewesen sein, spräche aus solchen Formulierungen allerdings Unkenntnis und Feindseligkeit. Darüber will ich mich nicht aufhalten.
Die von J. Rahner geäußerte Sorge, der Reformvorschlag könne Debatten über Standortreduzierungen katholisch-theologischer Fakultäten befeuern, klingt für manche Steuerzahler nach professoraler Pfründesicherung, aber nicht unbedingt nach Qualitätssicherung des Studiums. Tatsächlich ist es derzeit kaum möglich, geeignete Bewerber für die vorhandenen Lehrstühle zu finden. Spricht das nicht für eine Reduzierung der Standorte?
Verbeamtete Professoren an den Fakultäten staatlicher Universitäten müssen sich um ihre Pfründe nicht sorgen, sondern können sich ganz der Sicherung der Qualität ihrer Lehre widmen. Aber Ironie beiseite: Der Präsident der Universität Regensburg, Professor Udo Hebel, wird nicht müde, bei jeder Veranstaltung der Fakultät für Katholische Theologie darüber zu sprechen, wie unverzichtbar die Theologie für die Verwirklichung der Universitätsidee ist. Im Dialog der Wissenschaften, in der interdisziplinären Vernetzung, im Vor-Denken gesellschaftlicher Grundfragen hat die wissenschaftliche Theologie ihren festen Platz und muss ihn aber auch immer wieder neu begründen. Natürlich ist auch für die theologischen Fakultäten die Frage der Qualitätssicherung zu stellen. Ich bin überzeugt, dass der Fakultätentag mit diesen Themen intensiv und konstruktiv befasst ist.
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