Würzburg

Ökumene: „Das greift zu kurz“

Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen hat sich mit seinem Votum „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ für die Interkommunion ausgesprochen. Warum die Argumente nicht stichhaltig sind, erläutert der Kirchenrechtler Prälat Markus Graulich SDB, Untersekretär im Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte.
Prälat Markus Graulich SDB.
Foto: Archiv | Prälat Markus Graulich SDB.

Herr Prälat, der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen ist zu dem Urteil gekommen, „die Praxis der wechselseitigen Teilnahme an den Feiern von Abendmahl/ Eucharistie in Achtung der je anderen liturgischen Traditionen“ sei theologisch begründet. Wie seriös ist die Argumentation, auf die sich das Votum stützt?

Persönlich kann ich in dem Papier nur wenig seriöse Argumentation erkennen, wenn man mal von einigen interessanten historischen Details im ersten Teil absieht. Das fängt damit an, dass die vertikale Dimension der Feier der Sakramente völlig ausgeblendet wird. Sakramente, und besonders die Eucharistie, sind vor allem „Zeichen und Mittel, durch die der Glaube ausgedrückt und gestärkt, Gott Verehrung erwiesen und die Heiligung der Menschen bewirkt wird“ (can. 840), und dienen erst in zweiter Linie der Darstellung und Stärkung der Gemeinschaft. Im Papier aber steht der Gemeinschaftsaspekt unter Ausblendung etwa der Verehrung Gottes und der Heiligung im Zentrum, weshalb auch in verkürzender Weise von der heiligen Messe als vom Mahl die Rede ist. Das greift zu kurz.

Eine theologisch ausgereifte Darlegung der Fragen, die in diesem Papier behandelt werden, kann ich auch deshalb nicht feststellen, weil weder die wichtigsten katholischen Dokumente zur Eucharistie noch die entsprechenden Dokumente des ökumenischen Dialogs zitiert und gewichtet werden.

Was bedeutet das konkret?

Es finden sich lediglich viele Zitate aus den Schriften der Reformatoren und Dokumenten der Reformation. Zudem werden viele Begriffe gleichberechtigt nebeneinandergestellt, denen theologisch gesehen eine ganz unterschiedliche Bedeutung zukommt: Zum Beispiel finden sich immer das Paar Abendmahl/Eucharistie, die Gleichsetzung von allgemeinem und gemeinsamen Priestertum, die durchgehende Verwendung des protestantischen Begriffs der „Ordination“ anstelle der Weihe, et cetera. Wichtige Fragen wie die nach dem Amtsverständnis und dem Vorsitz der Eucharistiefeier werden nicht angegangen oder durch allgemeine Verweise auf das Leitungsamt übergangen. Das ist theologisch genauso wenig seriös wie die durchgehende Ausblendung beziehungsweise Infragestellung des Opfercharakters der heiligen Messe.

"Wichtige Fragen wie die nach dem Amtsverständnis
und dem Vorsitz der Eucharistiefeier werden nicht
angegangen oder durch allgemeine Verweise auf das Leitungsamt übergangen"

Welche kirchenrechtliche Verbindlichkeit hat das Dokument?

Gar keine. Es ist ein Votum einiger Theologen. Verbindlichkeit bekäme es nur, wenn ein Bischof daraus Konsequenzen ziehen würde.

Die Vorstellung, die Feiern von Abendmahl und Eucharistie seien letztlich nur verschiedene liturgische Formen ein und desselben Grundgedankens christlichen Glaubens ist weit verbreitet. Ist es legitim, daraus eine gegenseitig ausgesprochene Einladung zur Eucharistie abzuleiten?

Da würde ich schon die Prämisse in Zweifel ziehen: Meinen wir wirklich dasselbe, wenn wir von Abendmahl und Eucharistie sprechen? Der Glaube an die wirkliche Wandlung der Gaben von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, die in der Eucharistie geschieht, ist doch sehr verschieden von der Vorstellung der Gegenwart des Herrn im evangelischen Abendmahl. Gerade der Glaube an die Transsubstantiation und die bleibende Gegenwart des Auferstandenen Christus in den eucharistischen Gestalten ist kennzeichnend für das katholische Verständnis, das deshalb auch die Anbetung außerhalb der heilige Messe kennt. All das wird in dem Papier aber nicht ausreichend gewürdigt.

"Christus hat der Kirche das Sakrament der Eucharistie
anvertraut und ihr damit auch die Vollmacht gegeben,
Kriterien für die Zulassung zur Teilnahme an der Eucharistie festzulegen"

In der Gemeinsamen Erklärung heißt es: „Der gekreuzigte, auferweckte und erhöhte Jesus Christus lädt uns zum Mahl ein, wir sind seine Tischgenossen. Seine Einladung überschreitet und umgreift die konfessionellen Grenzen und Grenzziehungen, die der sichtbaren Einheit der Christenheit im Wege stehen.“ Inwiefern ist der Glaube, dass Christus zum Mahl einlädt, mit der Praxis vereinbar, dass die Kirche Grenzen bei der Zulassung zum Kommunionempfang zieht?

Auch in der Sicht des katholischen Glaubens ist Christus der Einladende. Diese Einladung wird deshalb von der Kirche ausgesprochen und die Eucharistiefeier von einem Priester geleitet, dessen Weihe und Sendung auf Christus zurückweist. Gerade bei der Eucharistiefeier kann man nicht zwischen Christus und Kirche trennen, wie dies das zitierte Votum insinuiert. Zudem ist zu bedenken, dass die Eucharistiefeier nicht nur Mahl und Tischgemeinschaft ist, sondern auch Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Christi, Seines Erlösungsopfers für uns. Christus hat der Kirche das Sakrament der Eucharistie anvertraut und ihr damit auch die Vollmacht gegeben, Kriterien für die Zulassung zur Teilnahme an der Eucharistie festzulegen. Das tut schon der Apostel Paulus und die frühe Kirche hat sehr deutliche Grenzen gezogen.

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Was folgt daraus?

In der Katholischen und auch in der Orthodoxen Kirche gibt es daher klare Regelungen für den fruchtbaren Kommunionempfang: Ein Getaufter, der in voller Gemeinschaft mit der Kirche steht, sich keiner schweren Sünde bewusst ist und sich entsprechend vorbereitet hat, darf die Eucharistie empfangen. Sie ist ja eben nicht in erster Linie ein Gemeindemahl, sondern die tiefste Form der Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn.

Wer den Text liest, gewinnt den Eindruck, dass die Vielfalt der liturgischen Traditionen gegen das Prinzip der Einheit ausgespielt wird. Wie verhalten sich Einheit und Vielfalt aus kirchenrechtlicher Sicht zueinander?

Einheit kann sich durchaus in der Vielfalt ausdrücken. Aber der Eindruck von Vielfalt, den das Papier im Hinblick auf den katholischen Gottesdienst unterstellt, ist zu oberflächlich: „Die Lieder sind in den nationalen Sprachen verschieden; spezifische Ausdrucksformen wie beispielsweise Tanz sind in manchen Kulturen üblich, in anderen nicht.“ (Nr. 5.6.1) Darin zeigt sich eine legitime Vielfalt im Sinne der Inkulturation, die sich aber immer auf den verbindlichen Text des Ritus bezieht, der überall gleich ist. Die Feier der Eucharistie geschieht immer in Einheit mit der ganzen Kirche, in der Gemeinschaft der Heiligen und im Gedächtnis an die Verstorbenen. Die Feier des protestantischen Abendmahls ist nicht eine Variante dieser Grundform, sondern etwas grundsätzlich anderes als die katholische Eucharistiefeier. Hier nur eine Variante zu sehen ist theologisch unzulässig und eine der großen Schwächen des Textes.

"Das Verständnis der Weihe in der katholischen Kirche
ist grundlegend verschieden vom Verständnis
der Dienstämter in den reformierten Gemeinschaften"

Ist die These, der wechselseitigen Anerkennung der Apostolizität der Dienstämter stünde kein theologisches Argument entgegen, aus kirchenrechtlicher Sicht haltbar?

Auf keinen Fall! Das Verständnis der Weihe in der katholischen Kirche ist grundlegend verschieden vom Verständnis der Dienstämter in den reformierten Gemeinschaften. Die Weihe zum Priester oder Bischof ist Voraussetzung für die Feier der Eucharistie. Schon das II. Vatikanische Konzil hat davon gesprochen, dass die reformierten Gemeinschaften „wegen des Fehlens des Weihesakramentes die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit (substantia) des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben.“ (UR 22) Das Papier versucht, diese Aussage zu relativieren (Nr. 6.2.8–6.2.10), aber eine theologische Argumentation wird nicht vorgelegt.

Wozu verpflichtet der innere Zusammenhang von Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft die Gemeinde?

Den informierten und ehrlichen Dialog weiterzuführen, und dabei die Schwierigkeiten und Unterschiede klar zu benennen Und – wie es schon das II. Vatikanische Konzil gesagt hat – die Eucharistiegemeinschaft „nicht als ein allgemein und ohne Unterscheidung gültiges Mittel zur Wiederherstellung der Einheit der Christen ansehen“ (UR 8). Zur Ehrlichkeit im Dialog gehört es auch, dass man die aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften auch als das bezeichnet, was sie sind: kirchliche Gemeinschaften. Durch das Fehlen des Weiheamtes mangelt ihnen ein konstitutives Element des Kircheseins, wie verschiedene Dokumente auch nach dem Konzil festhalten. Das kann in einem ehrlichen Dialog nicht einfach unter den Tisch fallen. Dies aber scheint die Absicht des Papiers zu sein, in dem der für Katholiken grundlegende Zusammenhang von Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft nicht erwähnt und damit eine protestantische Sichtweise favorisiert wird.

Für die katholischen Gemeinden empfehle ich im Übrigen eine vertiefte Katechese über das Geheimnis der Eucharistie und die Bedeutung der Feier der heilige Messe.

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