Sie ist ein Kleinod inmitten der Hamburger Schullandschaft, die katholische Grundschule St. Marien in Ottensen. Doch im alten Schulgebäude und dem neuen, hellgelb gestrichenen Holzpavillon ging kürzlich eine Ära von 132 Jahren zu Ende. Schüler, Lehrer, ehemalige und aktuelle Schulleiterinnen äußern im offiziellen Video des Erzbistums Hamburg durchgängig Lob und Dank für diese Schule, können aber auch ihre Trauer nicht verbergen.
Keine Antwort, warum die Schule schließen musste
Warum diese so beliebte und traditionsreiche Schule nun ihre Pforten schließen muss, bleibt im Video ungesagt. Lag es daran, dass diese von den Schülerzahlen so kleine und schön überschaubare Schule zu hohe Defizite einfuhr, somit das betriebswirtschaftliche Fallbeil fiel? Lag es daran, dass die Schule, die der Jungfrau und Gottesmutter Maria gewidmet war, kein erkennbares katholisches Profil mehr hatte? Nach den Ordensfrauen, die jahrzehntelang die Schule geprägt hatten, unterrichteten zuletzt nur noch „Pädagog_innen“, wie die die Lehrer nun offiziell genannt werden.
Warum aber wurde diese Schule nicht an zwei katholische Schulträger übergeben, die für eine Übernahme einer solchen kleinen Schule mit verhältnismäßig geringen Defiziten und Kosten bereitstanden?
Fünf weitere katholische Schulen schließen
Viele Fragen bleiben, die Christopher Haep, Leiter der Schulabteilung des Erzbistum, zumindest im offiziellen Abschiedsvideo nicht beantwortete. Stattdessen sprach er von „überaus schwierigen Phase und einem Prozess“, den nun alle Beteiligten in der Schule „im wahrsten Sinne des Wortes zu Ende gebracht“ hätten.
Fünf weitere Schulen, darunter die ebenso traditionsreiche und beliebte Marienschule am Dom, wird auch das Schicksal der Grundschule in Ottensen ereilen. Trotz aller langen und energischen Proteste in der Hamburger Öffentlichkeit und einer katholischen Initiative, wollte die Bistumsleitung unter Erzbischof Stefan Heße und Generalvikar Ansgar Thim keine Revision der Schließungsbeschlüsse einleiten. Auch trotz des enormen Imageverlustes der katholischen Kirche in Hamburg durch die Schließungsbeschlüsse, die deutschlandweit Wellen schlugen, orientierte sich die Bistumsleitung an den fragwürdigen Ergebnissen einer Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young. Dass die schulischen Leistungen an den katholischen Schulen, verglichen mit dem niedrigen Niveau der staatlichen Hamburger Schulen, besser waren und sind, wusste die Öffentlichkeit seit langem. Das führte zur Beliebtheit der konfessionellen Schulen der Hansestadt und langen Wartelisten.
Finanzierung wackelt wegen niedriger Einnahme von Kirchensteuern
Auch dieses Jahr bewiesen Absolventen der drei katholischen Gymnasien ihre guten Lernergebnisse. Über die Hälfte der Schüler von zwei der drei katholischen Gymnasien schlossen ihre Schullaufbahn mit einer Eins vor dem Komma ab. 24 Schüler erreichten sogar die Traumnote 1,0. Leicht schlechtere Abschlüsse musste nur das früher vom Jesuiten-Orden geleitete St. Ansgar-Gymnasium verzeichnen, das im Gegensatz zum Harburger Niels-Stensen-Gymnasium aber weitergeführt werden soll. Für die 15 katholischen Schulen, deren Schließung bislang nicht beschlossen oder verhindert werden konnte, scheint der Weiterbetrieb in naher Zukunft gesichert zu sein. Dennoch hat auch von diesen Schulen bereits eine Absetzbewegung von Schülern und Lehrern eingesetzt. So wechselte beispielsweise der noch junge katholische Schulleiter des St. Ansgar-Gymnasiums vorsorglich an ein staatlich geführtes Sport-Gymnasium. Für viele der weiterhin unter dem Dach der Erzdiözese Hamburg geführten Schulen sind Pläne mit hohen Millionensummen für Investitionen erstellt worden, deren Finanzierung allerdings angesichts der zurückgehenden und relativ niedrigen Kirchensteuereinnahmen fragwürdig erscheint.
Das gilt besonders für das große Neubauprojekt an der St. Sophiengemeinde in Barmbek, wo die Kosten des Neubaus von Kindergarten und Schule mit 17 Millionen Euro veranschlagt sind. Eine Millionenspende einer Hamburger Kaufmannsfamilie hat dieses Projekt bis in die Planungsphase gebracht. Wie allerdings die fehlenden Millionen für den Neubau und die Kosten für den Abriss der alten Schule, plus die zu erwartenden Defizite aus dem zukünftigen Schulbetrieb finanziert werden sollen, konnte Christoph Schommer, der Leiter für Schulen und Hochschule im Pressereferat des Bistums, auf Anfrage der Tagespost nicht beantworten. Die Planungen für den Abriss der alten Schule, die schon 2022 ihre Pforten schließen wird, und den Betrieb des Neubaus seien noch seitens des Bistums in der Planung, so die Auskunft.
Kirchen und Gemeindehäuser sollen verkauft werden
Die Kostenfrage ist daher eine so zentrale Frage, weil schon jetzt die katholischen Schulen etwa ein Drittel der Kirchensteuereinnahmen verschlingen, die dann an allen Ecken und Enden des Bistums in den Gemeinden fehlen. Viele Kirchen und Gemeindehäuser sollen laut der in diesem Jahr gestarteten „Immobilienreform“ verkauft werden. Viele Gläubige, denen ihre Kirchen genommen werden, laufen deswegen Sturm und stoßen bei den Bistumsverantwortlichen auf größtenteils taube Ohren. Da der Hamburger Stadtstaat nur etwa 80 Prozent der Kosten trägt, hängt an dieser Frage auch die Gesamtexistenz des Erzbistums, über dem nach wie vor das Schwert der Insolvenz schwebt.
Als Gegenmaßnahme gegen die finanzielle Misere hat das Erzbistum die Erhöhung des sozial gestaffelten Schulgeldes beschlossen, das allerdings erst in zwei Jahren, am 1. August 2023, in Kraft treten und Mehreinnahmen von einer Million Euro pro Jahr erbringen soll. Diese Summe erscheint angesichts eines jährlichen Defizits aus dem katholischen Schulbetrieb von jährlich über 30 Millionen Euro wie ein Tropfen auf den heißen Stein, besonders angesichts der prognostizierten Defizite von nicht ausreichend abgesicherten Pensionen für die beamtete Lehrer der katholischen Schulen. Dennoch sucht das Schulreferat des Erzbistums nach wie vor, wie die aktuellen Stellenausschreibungen für Gymnasium zeigen, „Lehrer (m/w/d)“, die bei Eignung auch in das kirchliche Beamtensystem übernommen werden können und noch nicht einmal zwingend katholisch sein müssen.
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