Vatikanstadt

Kardinal Newman: Theologe mit Wirkung

Die Kirche erhält am Tag der Kanonisierung von Kardinal Newman vier weitere neue Heilige.
Prinz Charles bei Heiligsprechung in Vatikan
Foto: dpa | In ökumenischer Verehrung für Kardinal Newman vereint: Prinz Charles und Vincent Gerard Kardinal Nichols, der Erzbischof von Westminster, kamen nach Rom.

"Sein Einfluss war unermesslich. Seine Arbeit als Theologe über die Entwicklung der Lehre hat gezeigt, dass unser Verständnis Gottes in der Zeit wachsen kann, und sie hatte eine tiefe Wirkung auf die Denker nach ihm. Viele Christen fühlten sich von ihm herausgefordert und in ihrer persönlichen Frömmigkeit von der Bedeutung gestärkt, die er der Stimme des Gewissens beimaß. Personen aller Traditionen, die das Christentum zu definieren und verteidigen suchen, haben sich für die Art und Weise dankbar gezeigt, wie er den Glauben mit der Vernunft versöhnt hat. Jene, die das Göttliche in einem scheinbar immer feindlicheren intellektuellen Ambiente suchen, finden in ihm einen starken Verbündeten, der das individuelle Gewissen gegenüber einem übermäßigen Relativismus verteidigt hat.“

"Seine Arbeit als Theologe über
die Entwicklung der Lehre hat
gezeigt, dass unser Verständnis
Gottes in der Zeit wachsen kann"
Prinz Charles über Kardinal Newman

Das Zitat stammt nicht aus der Predigt von Papst Franziskus zur Heiligsprechung von John Henry Newman vom vergangenen Sonntag. Es ist ein Absatz aus einem Edítorial, das der britische Thronfolger, Prinz Charles, im „Osservatore Romano“ vom vergangenen Wochenende veröffentlicht hat. Das englische Königshaus ist versöhnt mit jenem Stern am Himmel der anglikanischen Kirche des neunzehnten Jahrhunderts, der diese jedoch 1845 nach langem inneren Ringen verließ, um katholisch zu werden. Prinz Charles führte eine Delegation von weiteren sieben offiziellen Vertretern der Anglikaner an. Bei schönstem Oktoberwetter und mit fünfzigtausend Mitfeiernden aus aller Welt war die Heiligsprechung ein buntes Intermezzo der Amazonas-Synode – mit um die zweihundert Bischöfen und Kardinälen sowie einigen Indigenen aus dem Amazonasgebiet, die an ihrem Federschmuck zu erkennen waren und jetzt einmal die trockene Luft der Synodenaula und der Sprachkreise mit einem Stück Weltkirche auf dem Petersplatz vertauschen konnten.

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Franzsikus sprach nicht nur den Gelehrten und späteren Kardinal Newman heilig. Ebenso nahm er die Schweizer Schneiderin Marguerite Bays (1815–1879) vom dritten Orden der Franziskanerinnen, die brasilianische Ordensschwester Dulce Lopes Pontes (1914–1992), die als „brasilianische Mutter Teresa“ gilt, sowie die Ordensgründerinnen Maria Thresia Chiramel Mankidiyan (1876–1926) aus Indien (siehe „Die Wochenheilige, Seite 15) und die Italienerin Giuseppina Vannini (1859–1911) in das Buch der Heiligen auf. Für Italien nahm Staatspräsident Sergio Mattarella an der Feier statt. Da Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro mehrfach die Amazonas-Synode kritisiert hatte, kam aus dem Heimatland der „Mutter Teresa Brasiliens“ „nur“ der stellvertretende Staatspräsident Hamilton Martins Mourao.

Ordensleben als Weg der Liebe

In seiner Predigt zur Heiligsprechungsfeier hatte Franziskus für die neuen Heiligen gedankt, „die den Weg des Glaubens gegangen sind und die wir nun als Fürsprecher anrufen“. Drei von ihnen seien Ordensschwestern und zeigten, „dass das Ordensleben ein Weg der Liebe an den existentiellen Rändern der Welt ist. Die heilige Marguerite Bays hingegen war eine Schneiderin und legt uns offen, wie mächtig das schlichte Gebet, das geduldige Ertragen, die stille Hingabe sind: Hierdurch hat der Herr in ihrem Leben, in ihrer Demut den Glanz von Ostern neu aufstrahlen lassen.“ Dies sei die Heiligkeit des Alltags, von der der heilige Kardinal Newman spreche: „Der Christ besitzt einen tiefen, stillen, verborgenen Frieden, den die Welt nicht sieht … Der Christ ist heiter, zugänglich, freundlich, sanft, zuvorkommend, lauter, anspruchslos; er kennt keine Verstellung, er ist dabei aber so wenig ungewöhnlich oder auffallend in seinem Benehmen, dass er auf den ersten Blick leicht als ein gewöhnlicher Mensch angesehen werden mag.“

Die vielen Augen, die am Sonntag auf Rom und den Papst gerichtet waren, nutzte Franziskus, um nach dem Gebet des „Angelus“ im Anschluss an die Messe mit einem deutlichen Friedensappell auf die Lage im Mittleren Osten einzugehen. Ein besonderer Blick richte sich dabei „auf das geliebte und gequälte Syrien, von wo erneut dramatische Nachrichten über das Schicksal der Bevölkerungen im Nord-Osten des Landes kommen. Sie sind aufgrund militärischer Aktionen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Unter diesen Bevölkerungen sind auch viele christliche Familien. An alle beteiligten Parteien und auch die internationale Gemeinschaft: Bitte! Ich erneuere den Aufruf, sich mit Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz auf den Weg des Dialogs zu begeben, um wirksame Lösungen zu finden“. Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten er und die Synodenväter aber auch die Vorgänge in Ecuador und vereinten ihren Schmerz mit dem der Toten, Verletzten und Verschleppten der letzten Tage.

Der letzte Marsch des Domenico Giani

Dann folgte die Fahrt im Papamobil durch die Reihen der Gläubigen, die diesmal wieder bis über die Grenzen des Petersplatz hinausführte. Zum letzten Mal wurde Franziskus dabei vom Chef der vatikanischen Gendarmerie, Domenico Giani, begleitet, der mit seinen Beamten stets neben dem Papstmobil herläuft. Zwanzig Jahre hatte er diesen Dienst geleistet, am Montag gab der Vatikan den Rücktritt Gianis bekannt. Er übernahm damit die Verantwortung für den „Steckbrief“-Skandal. Ein von Giani gezeichneter Handzettel mit den Namen und Fotos von fünf verdächtigen Vatikangestellten, die das Gebiet des kleinen Kirchenstaats nicht mehr betreten dürften, war in die säkularen Medien geraten und selbst von vatikannahen Berichterstattern als Vorverurteilung der dort Gezeigten kritisiert worden (DT vom 10. Oktober).

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