Mit Angelo Bagnasco tritt ein Kardinal und Kirchenmann der alten Schule ab. Gebildet, fein in Diktion und Gestik, theologisch grundsolide und souverän. So hat man den Erzbischof von Genua in seinen Jahren von 2007 bis 2017 als Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz erlebt. Und ein bisschen schneidig war er auch. 2003 hatte Johannes Paul II. Bagnasco zum Militärbischof Italiens ernannt. Benedikt XVI. machte ihn 2006 als Nachfolger des in das Amt des Staatssekretärs berufenen Kardinals Tarcisio Bertone zum Oberhirten der Hafenstadt Genua, wo der Einsturz der Morandi-Brücke im August 2018 die letzte Katastrophe war, bei der Bagnasco Trost spenden musste. Am 8. Mai hat Papst Franziskus den Rücktritt aus Altersgründen des inzwischen 77-Jährigen angenommen. Zum Nachfolger Bagnascos berief er den ehemaligen Generalminister der Franziskaner-Minoriten, den 62 Jahre alten Marco Tasca.
Ein Mann der alten Schule
Bagnasco, das war sehr gediegen. Er, den der legendäre Kardinal Giuseppe Siri 1966 zum Priester geweiht hatte, traute sich auch hin und wieder, gegen den Stachel zu löcken, und war damit vom Schlage eines Camillo Ruini, Kardinalvikar des Papstes für die Diözese Rom, oder eines Giacomo Biffi, des früheren Kardinals von Bologna oder dessen Nachfolgers Kardinal Carlo Caffarra.
Im Juli 2009 legte er Regierungschef Silvo Berlusconi öffentlich den Rücktritt nahe, weil dieser zu den Männern gehöre, „die in einem Delirium ihrer eigenen Großartigkeit ertrunken sind, die die Illusion der Allmacht hinterlassen und moralische Werte verdrehen“. Da lebte er schon unter Polizeischutz, weil er 2007 die staatliche Anerkennung von Lebenspartnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare mit der Erlaubnis zum Inzest und Pädophilie verglichen hatte. Linksliberale Intellektuelle liefen Sturm, er erhielt einen Brief mit einer Morddrohung, einer Revolverkugel und einem Foto von ihm, auf das ein Hakenkreuz eingeritzt war.
Gespür für die Freiheit der Kirche
Doch Bagnasco war kein Raubein. Im Gegenteil. Er hatte sich nur im Gegensatz zur heutigen Bischofsgeneration Italiens noch ein Gespür für die „libertas Ecclesiae“, für die Freiheit der Kirche, bewahrt und dafür, zur passenden Zeit auch einmal etwas Unpassendes zu sagen. Seine Haltung während des synodalen Wegs zu Ehe und Familie und zu „Amoris laetitia“ war vorsichtig und klug, einer Neuerfindung der katholischen Pastoral hat er nie das Wort geredet. Ein Intimus von Franziskus war er nicht, aber Präsident des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen wird er noch bis 2021 bleiben, ein Amt, in das er 2016 gewählt worden war.
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