Vatikanstadt

Johannes Paul II.: Auf marianischer Spur

Sein Wahlspruch Totus tuus - Ganz Dein - bezeugte seine tiefe Liebe zur Mutter Jesu. Als Nachfolger Petri reisten Millionen mit ihm zu den Marienheiligtümern der Welt. Warum Johannes Paul II. ein glaubwürdiger Wegweiser zur Gottesmutter bleibt.
Statue des heiligen Ludwig-Maria Grignion im Petersdom
Foto: KNA | Geistlicher Vater des jungen Karol Wojtyla: Der Volksprediger Ludwig Maria Grignion der Montfort.

In meinem Leben habe ich stets die liebevolle und wirksame Gegenwart der Mutter des Herrn erfahren und Maria begleitet mich jeden Tag bei der Erfüllung meines Auftrags als Nachfolger des Apostels Petrus.“ So bezeugt es der 83-jährige Papst den Jugendlichen in seiner Botschaft zum 18. Weltjugendtag, zwei Jahre vor seinem Tod.

Es scheint nichts Ungewöhnliches daran, dass ein polnischer Papst auch ein marianischer Papst ist. Die Muttergottes von Tschenstochau ist nicht nur die Königin Polens, sondern geradezu ein Sinnbild des polnischen Katholizismus. Viele Bilder, Ereignisse und Worte Johannes Pauls kommen in den Sinn, wenn man an seine Beziehung zur Gottesmutter denkt.

Wo Johannes Paul II. Antwort auf seine Ratlosigkeit fand

Begibt man sich auf die Spuren der tiefen marianischen Spiritualität des ersten heiligen Papstes des 21. Jahrhunderts, so führen diese in verschiedenste Richtungen. Eine dieser Spuren führt nach Frankreich zum „Goldenen Buch“ des heiligen Ludwig Maria Grignion von Montfort. Denn dieses spirituelle Werk des heiligen Missionars ist in vielerlei Hinsicht Schlüssel zur Marienverehrung Johannes Pauls II.

Karol Wojtyla fand in diesem Buch, wie er viele Jahre später schreibt „Antwort auf meine Ratlosigkeit, die auf der Furcht beruhte, dass die Verehrung für Maria und ihre zu große Verbreitung schließlich den Vorrang der Verehrung, die Christus zukommt, gefährdeten“. Ebenso wie auch dem heiligen Ludwig Maria ist ihm der Vorwurf bewusst, dass die Ganzhingabe an Maria, die Ziel seiner geistlichen Übungen ist, gegen die Ganzhingabe an Christus gestellt werden kann. In den geistlichen Übungen und Gebeten des „Goldenen Buches“ fand Johannes Paul II. seine Antwort auf diesen Vorwurf und den Weg, sein Leben ganz Maria und dadurch ganz Christus hinzugeben. Die Frau, durch die das wahre Leben in die Welt kam, ist auch die Frau, die uns zum Leben, also zu Christus bringen kann.

Tiefe Marienfrömmigkeit offen gelebt

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In einer Zeit, in der Hingabe und Übergabe des eigenen Lebens so konträr zu den säkularen Maßstäben der Selbstverwirklichung stehen wie vielleicht nie zuvor, wirkt der Rückgriff auf dieses Buch aus dem 18. Jahrhundert wie eine Rebellion. Johannes Paul hat seine tiefe Marienfrömmigkeit offen gelebt. Und so wie er sein eigenes Leben der Gottesmutter übergab, übergab er als Papst auch die ganze Kirche, die selbst „Braut des Heiligen Geistes“ ist, an Maria. Dies findet bildlichen Ausdruck in der „Mater Ecclesiae“, die er als Mosaik am Apostolischen Palast anbringen ließ und zwar 1981 in genau dem Jahr, in dem am Fatimatag das Attentat auf ihn verübt worden war. Es war für ihn immer völlig klar, dass es Maria war, die „die tödliche Kugeln abgelenkt habe“.

Die Dankbarkeit Karol Wojtylas über die geistliche Hilfe des „Goldenen Buchs“ zeigt sich nicht zuletzt in seinem Bemühen, die Gedanken Ludwig Marias in die Sprache des 20. Jahrhunderts zu übersetzen. Wer heute die 33 Tage der Vorbereitung auf die Marienweihe nach der Idee des heiligen Ludwig Maria halten will, findet in den vielen Ansprachen, Enzykliken und Briefen des Heiligen Papstes eine Vertiefung, Modernisierung und Erweiterung dieser Betrachtungen.
Eine der reichsten und für unsere Zeit wertvollsten Früchte dieser tiefen marianischen Spiritualität des Heiligen Papstes, ist sein Verständnis der besonderen Würde der Frau. Eindrücklich schreibt er in der im marianischen Jahr 1988 veröffentlichten Enzyklika „Mulieres dignitatem“ über das ureigenste Wesen und den Anteil „der Frau“ an der Erlösung: „In ihr und durch sie“ wird das Heilsereignis Wirklichkeit. Keine geringere Berufung sieht er ausgehend vom Auftrag Mariens als die Berufung jeder Frau. In der liebenden Hingabe Mariens stellte er den Frauen des 20. und 21. Jahrhunderts einen Weg der Selbstfindung und tatsächlichen Selbstverwirklichung vor Augen. Unter Bezugnahme auf „Gaudium et spes“, führt der heilige Johannes Paul II. den Gedanken der Selbstfindung durch Hingabe weiter und schreibt: „Die Frau kann sich nicht selbst finden, wenn sie nicht den anderen ihre Liebe schenkt.“ („Mulieres dignitatem“).

Maria ist für ihn Zugang zum Wesen der Kirche

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Will man also in das Denken, Leben und Beten des heiligen Papstes Johannes Paul eindringen, ist dies nicht möglich ohne ein Verständnis seiner marianischen Spiritualität. Maria ist für ihn Zugang zum Wesen der Kirche, zur Berufung des Menschen, zur besonderen Würde der Frau und der Zugang in die Gemeinschaft der Heiligsten Dreifaltigkeit. Er selbst schreibt in „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“, wie er durch das Werk Ludwig Marias Grignions von Montfort verstanden hat, „dass die Verehrung der Gottesmutter im Grunde christozentrisch ist und sie wirklich sehr tief verwurzelt ist im Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit und den Geheimnissen der Fleischwerdung und der Erlösung“. Jede Art der Beziehung, die wir mit Gott leben können, so der Heilige Papst in einer Ansprache an die Priester der Montfortaner, ist eine Beziehung, die Maria selbst lebt. Als die Tochter Gottes, die Mutter des Gottessohns und die Braut des Heiligen Geistes lebt sie in engster Beziehung zu allen Personen der Dreifaltigkeit.

Ganz ohne die Furcht davor, durch die Verehrung der Gottesmutter die Verehrung ihres Sohnes zu verdecken, wählte sich daher Karol Wojtyla als bischöflichen Wahlspruch ein Zitat, welches der Heilige Ludwig Maria selbst von Bonaventura übernahm. Er verstand es sowohl als Ganzhingabe an Christus, wie auch als Ganzhingabe an Seine Mutter: „Totus tuus ego sum et omnia mea tua sunt“ – Ich bin ganz Dein und alles, was mein ist, ist Dein.

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