Lourdes

Internationale Soldatenwallfahrt: Wenn Soldaten beten

Gebet um Frieden. Auf der 62. Internationalen Militärwallfahrt leben Soldaten aus aller Welt gemeinsam den Frieden vor. Auf dem Weg zur Gottesmutter.
Lourdes 2022
Foto: Diocèse aux Armées françaises | Über 10 000 Soldaten aus 42 Ländern beten in Lourdes gemeinsam für den Frieden.

Was man hier erlebt, erlebt man nirgendwo auf der ganzen Welt.“ Davon ist Stabsunteroffizierin Eva Schridde überzeugt. Zusammen mit 230 anderen Angehörigen der Bundeswehr ist die junge Frau zu einem weltweit einzigartigen Ereignis nach Lourdes angereist: Vom 13. bis zum 15. Mai hat die 62. internationale Soldatenwallfahrt hier über 10 000 Soldaten aus 42 Ländern versammelt. „Besonders bewegt mich, Soldaten aus verschiedenen Ländern miteinander beten zu sehen. Das ist unglaublich stark“, erzählt die Reservistin der „Tagespost“.

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Große Wallfahrt

Das ganze Städtchen scheint unter der strahlenden Sonne aufzuatmen. Nach der Pandemie mussten viele Hotels, Cafés und Boutiquen in Lourdes ihre Türen für immer schließen. Die größte Wallfahrt seit

Wiedereröffnung des Heiligtums überflutet heute die Straßen mit Soldaten aus aller Herren Länder. Spielmannzüge mit Trommeln und Blasinstrumenten ziehen musizierend durch die Stadt, ganze Einheiten marschieren von ihren Unterkünften ins Heiligtum, zu zweit und zu dritt durchstreifen die jungen Militärvertreter die Straßen auf der Suche nach neuen Bekanntschaften.

Es mutet beinahe wie ein Weltjugendtag an: Die Italiener singen am lautesten, dafür nicht unbedingt richtig. Die Franzosen schaffen es nicht auf die gleiche Lautstärke, dafür aber mehrstimmig. Aus dem deutschen „Hauptquartier“ im Café Royal neben dem Haupteingang zum Heiligtum klingen deutsche Schlager, intoniert von einer kleinen Gruppe eines Bundeswehr-Musikkorps. Hier hat sich ein fröhliches Publikum angesammelt, das Bierglas in der Hand.

Pilgern für Frieden

Bei der Vielfalt an Uniformen und Hüten wünscht man sich beinahe eine Erkennungs-App. Die gibt es leider nicht, dafür aber eine andere: Die Teilnehmer der Bundeswehr finden in einer eigens von der deutschen Militärseelsorge eingerichteten Wallfahrtsapp nicht nur alle praktischen Informationen des Ereignisses; täglich, kurz vor 18 Uhr, werden sie auch mit einer Push-Nachricht an das Angelusgebet erinnert und können sich von überall aus kurz im gemeinsamen Gebet versammeln.

Gebet
Foto: Doreen Bierdel | Ein Soldat der Bundeswehr betet an der Grotte von Lourdes.

Die Veranstaltung findet seit 1958 statt und hat ihren Ursprung in den Bemühungen um eine deutsch-französische Versöhnung. Bei der Eröffnungsfeier der diesjährigen Wallfahrt erinnerte Bischof Michel Dubost, ehemaliger französischer Militärbischof und Präsident der Internationalen Soldatenwallfahrt, an die ungeheure Bedeutung des Treffens für Frieden und Versöhnung in Europa und in der Welt: „Friede braucht die Bekehrung meines Herzens, eurer Herzen. In der Welt ist kein Friede möglich, wenn wir nicht mit uns selbst im Frieden sind. Wir müssen Christus zuhören, der uns sagt: Ich gebe euch Frieden, indem ich euch mich selbst gebe. Keiner von uns ist vollkommen, aber ER kann unsere Herzen ändern. Ihr seid zur Heiligkeit berufen! Ihr glaubt vielleicht nicht daran, aber Gott glaubt daran!“

Fast ein Weltjugendtag

So wichtig die Ansprachen diverser Würdenträger aus Kirche und Militär auch sind, sie braucht es eigentlich nicht. Denn die Veranstaltung spricht für sich selbst. Während dieser Tage gelebter Kameradschaft werden junge Soldaten verschiedener Länder Freunde – unter dem Blick der Gottesmutter.

Hier wird auch klar, warum die ganze Veranstaltung so sehr an den Weltjugendtag erinnert: In einer angespannten internationalen Lage tausende fröhlich feiernde Menschen verschiedener Nationen zusammenzubringen, das kann eigentlich nur die Kirche. Das Verbindende ist stärker als das, was trennt. Neben dem strengen, aber ästhetischen Zeremoniell der militärischen Feierlichkeiten wächst bei der Lichterprozession das tiefe Bewusstsein dafür, dass man zusammengehört.

Freundschaftlichen Wettkampf stehen sich Teams aus gesunden und versehrten Soldaten gegenüber.
Foto: Franziska Harter | Lourdes wäre nicht Lourdes ohne besondere Aufmerksamkeit für die Kranken und Versehrten. Im freundschaftlichen Wettkampf stehen sich Teams aus gesunden und versehrten Soldaten gegenüber.

Tatsächlich ist auch das Publikum größtenteils im Weltjugendtagsalter. Bei Weitem dominieren junge Rekrutengesichter das Bild. Antonia und Valentina aus Kroatien studieren im vierten Jahr an der Militärakademie. Sie erzählen, dass ein Viertel ihres Jahrgangs Frauen sind. Sie werden Soldatinnen, um ihrem Land zu dienen. Ob sie keine Angst haben, vor dem Sterben? 

„Es ist mir wichtig,
hier Kameraden aus allen Ländern zu treffen, Freundschaften zu
schließen und gemeinsam unseren Glauben
zu leben.“


„Wenn ich sterben muss, dann für mein Land“, sagt Antonia leise. Anna, Jakub, Natalia sind von Polen nach Lourdes gekommen. Die zwei jungen Frauen studieren Medizin und werden später als Militärärztinnen dienen. Jakub wird Soldat der Bodentruppe. Ob es sie nicht beunruhigt, dass der Krieg an ihre nationalen Grenzen rückt? „In der aktuellen Situation hilft mir der Glaube sehr“, sagt Anna. Deshalb ist es wichtig für sie, genau jetzt hier in Lourdes zu sein. Sie und ihre Freundin bereiten sich jeden Tag im Krankenhaus darauf vor, dem Tod gegenüber zu stehen. „Jeder muss einmal sterben!“, meint hingegen Jakub mit einem fast verschmitzten Lächeln, „umso besser, wenn es für einen guten Zweck ist.“

Soldaten aus aller Welt

Jens (Name von der Redaktion geändert), ist Offiziersanwärter in der Bundeswehr und studiert aktuell an der Universität München. Er ist zum ersten Mal in Lourdes dabei. Bevor er den Soldatenberuf gewählt hat, war er zwei Jahre lang im Priesterseminar. Mit Marienverehrung habe er es nicht so, meint er etwas verlegen. „Aber ich bin sehr gläubig und es ist mir wichtig, hierher zu kommen und Kameraden aus allen Ländern zu treffen, Freundschaften zu schließen, und gemeinsam den Glauben zu leben.“ Nicht zuletzt wachse dadurch auch das Bewusstsein dafür, dass, sollte man einmal in Kampfhandlungen sein, auf der anderen Seite auch Menschen stehen, so der junge Soldat aus Berlin.

Soldaten aus allen Ecken und Enden der Erde beten gemeinsam um den Frieden. Auf den ersten Blick paradox – und gerade deshalb ein unglaubliches Zeichen. „Das Geschäft des Soldaten ist der Tod“, erinnert Jean-Marc Fournier, Leiter der Soldatenwallfahrt, Chef der französischen Militärgeistlichen und Petrusbruder im Gespräch mit dieser Zeitung. „Entweder gibt er den Tod, was nicht leicht ist, oder er empfängt ihn oder er sieht Kameraden und Freunde sterben.“ Das möchte man auf diesem fröhlichen Fest der Farben und Klänge beinahe vergessen.

Die Anwesenheit der ukrainischen Delegation erinnert fortwährend daran, dass draußen wirklich Krieg herrscht. Die ukrainische Abordnung besteht aus 16 Personen, darunter der griechisch-katholische Militärbischof Mykhaylo Koltun. Mit dabei sind auch Eltern, die ihre Söhne in den letzten Wochen an der Front verloren haben. Überall werden sie mit stehendem Applaus und großem Respekt begrüßt. Den Eltern bringt es ihre Kinder nicht zurück. Und die vier jungen Offiziersanwärter, die in ein paar Wochen die Militärakademie beenden, werden bald schon an der Front stehen, im Gegensatz zu den anderen hier.

Eine Taufe als Höhepunkt

Taufe
Foto: Flora Pascal | Ein französischer Gebirgsjäger wird in der Basilika Pius X. getauft. Foto: Sanctuaire NDL - Photo Lacaze

Einen weiteren Höhepunkt bilden die rund 50 Erwachsenentaufen und über 100 Firmungen der französischen Delegation. Von jungen Mädchen und Jungen aus dem Militärgymnasium bis hin zu gestandenen Offizieren ist hier alles dabei. Auch die Ehefrau eines Soldaten lässt sich taufen, ihr Mann ist Taufpate, ihre beiden Kinder halten sie an der Hand. Das Militär ist auch Familiensache. Ein breitschultriger Gendarmenoffizier wischt sich heimlich eine Träne ab, als er vom Taufbecken kommt. Einem jungen Rekruten laufen offen die Tränen über die Wangen – auch noch bei seiner Firmung eine Weile später. Die meisten strahlen. Viele der Täuflinge und Firmlinge haben Militärangehörige als Paten, oder einen der um die 100 Militärgeistlichen, die konzelebrieren.

Die Armee als Ort der Evangelisierung – das war für den unbedarften Beobachter neu. Unter den Täuflingen sind auffällig viele Gebirgsjäger. Ihre Taufpaten sind offensichtlich Kameraden. Irgendwie ist es beruhigend zu wissen, dass über die Kameradschaft hinaus auch der Glaube sie verbindet. Auch die Schar der Firmlinge will gar nicht mehr aufhören. Selbst mit vier Sakramentenspendern dauert das Ganze noch über 20 Minuten.

Held
Foto: Andriy Zelinskyy | Major Valeriy Chebineev (links) wurde vor 15 Jahren in Lourdes getauft. Er erhielt die Auszeichnugn „Held der Ukraine“ und ist am 4. März bei der Verteidigung Kiews gefallen.

In Kiew gefallen

Vor 15 Jahren wurde ein anderer Soldat hier getauft, Major Valeriy Chebineev. Der ukrainische Militärgeistliche Pater Andriy Zelinskyy SJ erzählt der „Tagespost“ seine Geschichte. Damals war er Offiziersanwärter und studierte an der Militärakademie. Zelinskyy bereitete ihn auf die Taufe vor und war sein Taufpate. 2016 wurde er im Donbass verwundet und erhielt später die Auszeichnung des „Goldenen Sterns“ und den Titel „Held der Ukraine“, die höchste Auszeichnung, die der ukrainische Staat verleiht. Am 4. März ist er bei der Verteidigung Kiews gefallen.

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