Der Baske Ignatius von Loyola gründete 1534 die „Societas Iesu“. Von Anfang an beschäftigten den Ordensgründer missionarische Fragen und – er hatte bereits 1523 eine Pilgerfahrt nach Palästina gemacht – das Christentum des Orients. Besonderes Interesse an Äthiopien entwickelte Ignatius durch seinen Aufenthalt in Rom, als er die formelle Zustimmung von Papst Paul III. zur Gründung des neuen Ordens erhielt. Das Gemälde eines unbekannten Künstlers hält die denkwürdige Szene fest, in welcher Ignatius von Loyola dem Papst die Gründungsurkunde vorlegt. Im Hintergrund der Darstellung ist ein Kleriker mit dunkler Hautfarbe zu sehen – der Äthiopier Tesfa Seyon, der sich in diesen Jahren in Rom im Umfeld des Heiligen Vaters aufhielt, auch eine wichtige Rolle bei der Edition von Ge'ez-Texten spielte und die erste europäische Grammatik des Ge'ez (klassisches Altäthiopisch) von Mariano Vittori inspirierte. Das Bild ist noch heute in der Jesuskirche, der Mutterkirche der Jesuiten in Rom, zu sehen.
Christliches Reich in islamischer Welt
Durch den Kontakt zu Tesfa Seyon wurde sich der erste Ordensgeneral der Jesuiten der Bedeutung des christlichen Reiches in Ostafrika bewusst. Existierten die verschiedenen christlichen Kirchen des Orients im Rahmen eines muslimischen Staates, des Osmanischen Reiches, und waren ihre Mitglieder Minderheiten in einer islamischen Gesellschaft, so repräsentierte der äthiopische Kaiser ein christliches Reich im Süden der islamischen Welt. Kontakte zu einem christlichen Staat in Afrika schienen nicht nur vom kirchlichen, sondern auch vom politischen Standpunkt aus geboten. Hierin bestärkte Tesfa Seyon den Ordensgründer und trug so dazu bei, dass in Ignatius von Loyola der Gedanke an die Entsendung einer katholischen Mission ans Horn von Afrika reifte.
Zur politischen Flankierung des kirchlichen Projekts setzte sich der Gründer des Jesuitenordens mit König Johann III. von Portugal in Verbindung. Portugal war das europäische Land, das seit dem Ende des 15. Jahrhunderts energisch in die Weiten des Indischen Ozeans und bis nach Ostasien vorstieß. Portugal intervenierte gerade zu dieser Zeit in Äthiopien und half mit einer kleinen militärischen Einheit 1541, das christliche Reich vor der muslimischen Eroberung zu retten. Schon vorher hatte es Briefkontakt zwischen dem äthiopischen Kaiser und dem Papst gegeben.
Nicht reif für Annahme des Katholizismus
Ein christlicher Partner am Horn von Afrika war für Portugal von strategischer Bedeutung zur Absicherung seines weitgespannten Handels- und Stützpunktenetzes, das letztlich im Gegensatz zu den islamischen Welthandelsinteressen stand. Es war kein Zufall, dass das Osmanische Reich gerade damals nach Süden expandierte und sich am afrikanischen Ufer des Roten Meeres festsetzte, wo eine „Provinz Äthiopien“ gegründet wurde. Es ging um die Entscheidung, ob der Welthandel weiter durch das Rote Meer und den Persischen Golf über osmanische Häfen in den Mittelmeerraum und nach Europa fließen würde, oder ob sich die portugiesisch kontrollierte Route um die Südspitze Afrikas nach Lissabon durchsetzen würde.
Ignatius von Loyola entwarf Ziele und Vorgaben für die Missionare, die nach Äthiopien entsandt werden sollten. Eine Vorausmission unter Gonçalo Rodriguez erreichte 1555 Eritrea und sollte im Land zunächst Informationen sammeln und das Terrain sondieren. Ziel war, das Land für die katholische Kirche zu gewinnen. 1557 gelangten weitere portugiesische Jesuiten nach Äthiopien, kamen aber nach Begegnungen und Religionsgesprächen mit Kaiser Gelawdewos (Claudius) zu der Überzeugung, dass die Zeit noch nicht reif sei für eine Annahme des Katholizismus durch die äthiopischen Christen.
Katholische Kolonie
Auch wenn Divergenzen zwischen den Portugiesen und den Äthiopiern auftraten, sie durften im Land bleiben und erhielten Feremona, nahe der alten historischen Metropole Aksum in der Region Tigray, als Wohnort zugewiesen, wo portugiesische Katholiken eine Art Kolonie bildeten, unter ihnen auch Überlebende der Militärexpedition von 1541/42. Dort sollen sie, auch wegen ihrer ärztlichen Tätigkeit, bei der Bevölkerung und auch beim äthiopischen Gouverneur der Rotmeerregion, dem Baher Negasch, beliebt gewesen sein und mit den Klöstern der Region freundschaftliche Beziehungen unterhalten haben.
Im 17. Jahrhundert kam es zu einer neuen jesuitischen Initiative in Afrika. 1603 gelangte Pedro Paez nach langen abenteuerlichen Irrfahrten endlich nach Äthiopien. Ihm folgten weitere Geistliche. Diesmal schienen die katholischen Bemühungen unter einem günstigeren Stern zu stehen und die europäischen Geistlichen gewannen mehr und mehr Sympathie, Ansehen und Einfluss am kaiserlichen Hof. Besonders Kaiser Susenyos (er herrschte von 1607 bis 1632) begegnete dem Katholizismus und seinen Vertretern offen und freundschaftlich.
Flucht aus Äthiopien
Freilich standen die Jesuiten vielen religiösen Praktiken Äthiopiens kritisch gegenüber. So drängten sie auf Abschaffung des Sabbath und anderer Eigenarten der äthiopischen Kirche, die ja starke alttestamentarische Bezüge aufwies. Im Land gab es starke Kontroversen zwischen pro-katholischen und antikatholischen Strömungen. Die Gegensätze zwischen Kaiser Susenyos und seinen Gegnern nahmen oft die Gestalt eines religiösen Konfliktes an. 1621 erklärte Susenyos offiziell seine Annahme des Katholizismus.
Die Blüte des jesuitischen Einflusses, die auch zur Errichtung zahlreicher Niederlassungen im Land führte, war allerdings nur von kurzer Dauer. Zu stark war der Widerstand im Land, zu einflussreich waren die Anhänger der alten Ordnung, zu konservativ die äthiopische Gesellschaft. So musste Susenyos gegen Ende seines Lebens angesichts von Aufständen zurückrudern und Religionsfreiheit verkünden, nachdem zunächst der Katholizismus Staatsreligion geworden war. Als Susenyos' Sohn Fasiledes die Regierung übernahm, erfolgte die endgültige und vollständige Abkehr vom Katholizismus.
Zu schnell, zu unflexibel, zu apodiktisch
Die Jesuiten mussten fluchtartig das Land verlassen, viele kamen ums Leben. Das kurze Intermezzo, in der ein katholisches Äthiopien greifbar schien, war vorüber. Zwar hatten sich die Jesuiten auf das Land und seine Kultur eingelassen, die Sprachen gelernt, in ihnen gepredigt und auch Werke verfasst, aber ihre Missionsbemühungen waren doch zu schnell, zu wenig flexibel und zu apodiktisch gewesen.
So erregten sie letztlich mehr Opposition als Zustimmung, mehr Widerwillen als Anhängerschaft. Selbst manche einheimischen Katholiken verließen angesichts der antikatholischen Stimmung das Land, wie der in Europa bekannt gewordene Gorgoryos, der viel dazu beitrug, in Europa die christlich-äthiopische Kultur bekannt zu machen. Später kamen erneut europäische Missionare ans Horn von Afrika, gründeten dort Niederlassungen und konnten Einheimische bekehren.
Der Verfasser ist Autor des Buches „Das Horn von Afrika“, das 2021 im Kohlhammer-Verlag erschien.
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