Bringt das Coronavirus die innerkirchliche Reformdebatte zum Stillstand? Pah, das Virus ist noch nicht geboren, das deutschen Theologieprofessoren den Synodalen Weg versperren könnte. Diese sind dieser Tage jedenfalls um flotte Vorschläge nicht verlegen. Die Quarantäne setzt offenbar in der Abgeschiedenheit theologischer Studierstuben kreative Kräfte frei. Der in Münster lebende und im Schweizer Freiburg lehrende Moraltheologe Daniel Bogner etwa plädierte in einem vergangene Woche auf katholisch.de veröffentlichten Debattenbeitrag angesichts des Gottesdienstverbots kurzerhand für eine Eucharistiefeier ohne Priester. "Kanonisch und liturgierechtlich wäre das Neuland, das kultische Gedächtnismahl ohne Geweihten", gibt er wohl etwas überrascht von der eigenen Chuzpe zu bedenken. "Aber verlangt nicht der Notstand, in dem sich das Volk Gottes ohne Zweifel befindet, danach, über ungewöhnliche Schritte nachzudenken?"
Reformtheologen müssen in diesen Tagen viel leiden
Moment, Herr Professor, die katholische, auf Sakramentalität aufgebaute Eucharistielehre hätte da noch ein paar Verständnisfragen. Aber wahrscheinlich ist der Ärmste nicht auf dem neuesten Stand. Die große Theologin Lisa Kötter, Mitbegründerin von Maria 2.0., hatte dabei schon Mitte Februar von der Gendergerechtigkeit her den Weg gewiesen: Weiheämter für Frauen seien nur eine Zwischenlösung. Sie sehe nicht, dass Jesus überhaupt eine Priesterschaft habe aufbauen wollen. Das Gegenteil jedenfalls habe ihr schlüssig bislang kein Bischof beweisen können.
Ja, reformorientierte Theologen müssen in diesen Tagen, da die von Jesus nicht gewollte Priesterschaft penetrant in jedes Wohnzimmer gestreamt wird, viel leiden. Doch es gibt auch Lichtblicke. Eine "andere, deinstitutionalisierte und überkonfessionelle Weise, Christ*in und Kirche oder einfach ein gottgläubiger Mensch zu sein", sieht dieser Tage die in Erfurt lehrende katholische Dogmatikprofessorin Julia Knop entstehen. Die Kerze im Fenster oder der gemeinsame Hausgottesdienst: Derzeit entstünden kreativ und eigenständig neue Formen von Gebet und Solidarität. Doch nicht allen ist es gegeben, die Zeichen der neuen Zeit zu erkennen. Mit der ganzen Autorität seines Amtes mahnt das Mitglied des Synodalen Wegs: "Nicht alles, was erlaubt ist und vor Jahrzehnten einmal gängig war, ist heute sinnvoll." Angesichts von Ungeheuerlichkeiten wie täglichem Blasiussegen, Einzelkommunionen außerhalb der privatim zelebrierten Messe, priesterlichen Sakramentsprozessionen durch leere Straßen, die Weihe ganzer Bistümer an das Herz der Gottesmutter, Generalabsolutionen und Ablässe im Jahr 2020 hat sie Verständnis dafür, dass "nicht wenige Katholik*innen ernsthaft verstört sind angesichts des Retrokatholizismus, der gerade fröhliche Urständ feiert".
Wann wird Frau Knops Beitrag ins Italienische übertragen?
Ob Papst Franziskus weiß, was er in reformorientierten Seelen anrichtete, als er den eucharistischen Herrn bestürmte und Seine Mutter gleich dazu, als er mit dem außerordentlichen Urbi et orbi einen vollkommenen Ablass verband? Und ob Passaus Bischof Oster und Augsburgs designiertem Bischof Meier wirklich klar war, wie theologisch von vorgestern sie waren, als sie ihre Bistümer jetzt der Gottesmutter weihten? Und hat Bischof Wiesemann von Speyer wirklich niemanden, der ihm Frau Knops Blogeintrag ausdruckt und auf den Schreibtisch legen kann? Hätte er sich sonst am Sonntag der Madonna im Speyrer Dom zu Füßen geworfen und ein Gebet im Namen des Bistums an sie gerichtet? Es bleibt zu hoffen, dass ihr Text schnell ins Italienische übertragen wird, um Italiens Bischöfe von dem Wahnsinn abzuhalten, den sie an diesem Donnerstag planen: landesweit den Rosenkranz zu beten und - man fasst sich an den Kopf - am Ende den heiligen Johannes Paul II. um Fürsprache zu bitten. Zum Glück wissen wir es in Deutschland spätestens jetzt besser.
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