Unglücklich mit der Situation der Kirche in Deutschland ist nicht nur Bischof Georg Bätzing, der „Blockaden und Stockungen“ bei der Missbrauchsaufklärung eingestand. Bätzing äußerte sich im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die entgegen der Tagesordnung von den Kölner Wirren um ein zurückgehaltenes Gutachten zum Umgang mit Missbrauchstaten im Erzbistum Köln geprägt war. Denn mittlerweile kursieren diverse Versatzstücke des Kölner Gutachtens und „FAZ“, „Bild“ sowie „Christ und Welt“ treiben so auf ihre eigene Art Aufklärung – und die Bischöfe von Hamburg, Köln und Essen vor sich her.
Sollte das ZdK instrumentalisiert werden?
So wundert es nicht, dass das ZdK eine vom ZdK-Präsidenten Thomas Sternberg eingebrachte Erklärung, die die unbedingte Loyalität zum Aufarbeitungskurs der Bischofskonferenz ausdrücken sollte, verwarf: „Im Prozess der Aufarbeitung bewegt sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken loyal an der Seite der Deutschen Bischofskonferenz“, sollte es laut Darstellung der „FAZ“ heißen. Allzu sehr klang sie danach, als wolle sich das ZdK vor einen Karren spannen lassen, dessen Kurs ungewiss ist.
Der Vorgang legt Spannungen innerhalb des ZdK offen, die den ins Stocken geratenen Synodalen Weg auf dem falschen Fuß erwischen. Von einer Bischofskonferenz, die mehr denn je gelähmt erscheint, setzt sich nun das ZdK ab und markiert seine Selbstständigkeit, um nicht dem Ruf zu verfallen, Defizite der Missbrauchsaufarbeitung aufgrund gemeinsamer Ziele auf dem Synodalen Weg nicht zu benennen.
Wenn sich nun Erzbischof Stefan Heße an die römische Bischofskongregation wendet, da er mittlerweile um seine Stellung in der deutschen Pressestadt fürchten muss, ist das zwar recht und billig. Aber wenn gerade jene nach Rom rufen, die den Karren verantwortlich vor die Wand gefahren haben, sich aber sonst jede Einmischung verbitten, wird der Vatikan in eine Rolle gepresst, die er auch nicht erfüllen kann. Rom ist nicht die Feuerwehr der Kirche in Deutschland; und auch eine Moderation durch eine Visitation des Heiligen Stuhls wird das angerichtete Chaos wohl kaum beheben können.
Auch in Aachen hängt nun der Haussegen schief
Das ungelenke Agieren der Verantwortlichen in Köln, Aachen, Hamburg oder Limburg zertrümmert das Vertrauen in das Ziel der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals bis in die letzte Pfarrei. Während in Köln der Betroffenenbeirat des Erzbistums in Auflösung begriffen scheint und die Anwaltskammer die moralische Keule gegen das Erzbistum schwingt, gehen in Aachen immer mehr Katholiken auch an der Basis auf Distanz zur Bistumsleitung, die ein gleich strukturiertes Gutachten wie die Kölner bei derselben Münchner Kanzlei in Auftrag gab und bereits veröffentlichte. Das Bistum hat eigens Anzeigen geschaltet, die dazu aufrufen, Kleriker anzuzeigen. Priester werden dadurch jedoch einem Generalverdacht ausgesetzt. Damit verletzt das Bistum seine Fürsorgepflicht und blendet den Missbrauch, der durch Laien in der Kirche vorgekommen ist, aus.
Damit liefern die Aachener jenen die Munition, von denen sie sich absetzen wollten, die aber umso mehr den Zorn von Politik und Medien auf sich ziehen, da Aachen eine Veröffentlichung ermöglichte. Dass sich nun bereits Bundespolitiker via „Bild“-Zeitung zu Wort melden, verwundert daher nicht und erhöht die Betriebstemperatur erheblich. Zuletzt meldete sich der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, mit scharfer Kritik an den Kölner Vorgängen zu Wort. Doch ist guter Rat teuer. Einen Angang, der alle zufriedenstellt, hat auch er nicht präsentiert. Es bleibt ein Kommunikationsdesaster zurück, das dem Ansehen der Kirche und dem Vertrauen in ihre Hirten erheblich schadet, solange nicht Klarheit geschaffen worden ist. Der Direktor des Päpstlichen Kinderschutzzentrums, Hans Zollner SJ, dürfte realistisch sehen, dass man um die Benennung von Verantwortlichen für die Vertuschung von Missbrauchsfällen und Rücktritte nicht herumkommt, mag es auch durch medialen Druck erzwungen sein.
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